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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Von den Reimgebänden.
welche sonder Nachtheil der Redart und deß rich-
tigen Verstandes gleich abgemessen seyn muß;
Massen hiervon in der IV. Stunde deß Poetischen
Trichters ausführlich gehandelt worden/ und
hierbey/ folgendes anzumerken kommet/ daß in
den Erzehlungen/ die langen Verse/ sie seyen gech
Jambisch oder Trochaisch/ zu gebrauchen/ zu den
Gemüts-bewegungen aber die kurtzen Verslein
schicklicher zu seyn pflegen/ zu frölichen/ flüchti-
gen oder schertzreichen Sagen dienen sonderlich
die Dactylischen und Anapästischen.

84. Ein glückselig verfasstes Lied muß den
Ton mit der Wort Jnhalt gleichständig begreif-
fen/ daß also der Poet die Music verstehen oder
der Musicus ein Poet seyn sol. Wo die Noten
eilen und ein Tripel mit einkommet/ da sol zugleich
der Jnhalt eilige Sachen vermelden. Ein Exem-
pel ist zu sehen in den letzten Liede/ deß II. Theils
der Sonntags Andachten am 380. Blate/ da in
der 6ten Reimzeile geschwinde Noten (deren 16.
auf einen Schlag gehen) folgen/ und darunter ge-
setzet ist:

nach kurtzer Zeit verge-
het.
in dem 3ten Satz: und sich kurtze Frist er-
hält.
in dem 4ten Satz: muß fort auf deß Todes
Bahn
in

Von den Reimgebaͤnden.
welche ſonder Nachtheil der Redart und deß rich-
tigen Verſtandes gleich abgemeſſen ſeyn muß;
Maſſen hiervon in der IV. Stunde deß Poëtiſchẽ
Trichters ausfuͤhrlich gehandelt worden/ und
hierbey/ folgendes anzumerken kommet/ daß in
den Erzehlungen/ die langen Verſe/ ſie ſeyen gech
Jambiſch oder Trochaiſch/ zu gebrauchen/ zu den
Gemuͤts-bewegungen aber die kurtzen Verſlein
ſchicklicher zu ſeyn pflegen/ zu froͤlichen/ fluͤchti-
gen oder ſchertzreichen Sagen dienen ſonderlich
die Dactyliſchen und Anapaͤſtiſchen.

84. Ein gluͤckſelig verfaſſtes Lied muß den
Ton mit der Wort Jnhalt gleichſtaͤndig begreif-
fen/ daß alſo der Poët die Muſic verſtehen oder
der Muſicus ein Poet ſeyn ſol. Wo die Noten
eilẽ und ein Tripel mit einkommet/ da ſol zugleich
der Jnhalt eilige Sachen vermelden. Ein Exem-
pel iſt zu ſehen in den letzten Liede/ deß II. Theils
der Sonntags Andachten am 380. Blate/ da in
der 6ten Reimzeile geſchwinde Noten (deren 16.
auf einen Schlag gehẽ) folgen/ und darunter ge-
ſetzet iſt:

nach kurtzer Zeit verge-
het.
in dem 3ten Satz: und ſich kurtze Friſt er-
haͤlt.
in dem 4ten Satz: muß fort auf deß Todes
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[93/0125] Von den Reimgebaͤnden. welche ſonder Nachtheil der Redart und deß rich- tigen Verſtandes gleich abgemeſſen ſeyn muß; Maſſen hiervon in der IV. Stunde deß Poëtiſchẽ Trichters ausfuͤhrlich gehandelt worden/ und hierbey/ folgendes anzumerken kommet/ daß in den Erzehlungen/ die langen Verſe/ ſie ſeyen gech Jambiſch oder Trochaiſch/ zu gebrauchen/ zu den Gemuͤts-bewegungen aber die kurtzen Verſlein ſchicklicher zu ſeyn pflegen/ zu froͤlichen/ fluͤchti- gen oder ſchertzreichen Sagen dienen ſonderlich die Dactyliſchen und Anapaͤſtiſchen. 84. Ein gluͤckſelig verfaſſtes Lied muß den Ton mit der Wort Jnhalt gleichſtaͤndig begreif- fen/ daß alſo der Poët die Muſic verſtehen oder der Muſicus ein Poet ſeyn ſol. Wo die Noten eilẽ und ein Tripel mit einkommet/ da ſol zugleich der Jnhalt eilige Sachen vermelden. Ein Exem- pel iſt zu ſehen in den letzten Liede/ deß II. Theils der Sonntags Andachten am 380. Blate/ da in der 6ten Reimzeile geſchwinde Noten (deren 16. auf einen Schlag gehẽ) folgen/ und darunter ge- ſetzet iſt: nach kurtzer Zeit verge- het. in dem 3ten Satz: und ſich kurtze Friſt er- haͤlt. in dem 4ten Satz: muß fort auf deß Todes Bahn in

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/125>, abgerufen am 24.11.2024.