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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

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Die zehende Stund.
Ob dieser Tag vergeht/
kommt doch die Sonne wieder:
und niemand mehr ersteht/
der liegt im Grab darnieder.

12. Die Frantzosen haben eine Art der Lustge-
dicht/ welche der erstbesagtem Vngleichheit fast
nahe kommen; sie nennen es Coq a l'asne * den
Haanen auf dem Esel: Wir pflegen zu sagen/ reim
dich Bundschuch/ weil vielleicht der Alten Schu-
he mit Riemen pflegten gebunden und gegürtet
zu werden. Wir wollen eine Prob thun/ und
auch in dieser unbekanten Dichtart eine ungestal,
te und doch stoltze Jungfrau abmahlen. Das
Reimgebänd ist gerichtet nach J. von der Veen
Niederländischen Liedern/ bemerkt am 288. Blat
seines Adams Appel.

1.
Schöne/ wie des Ofens Grund/
euer Mund
gleich dem Kreitengrauen Schnee/
oder vielmehr den Krystallen
und Korallen/
die man findt im Thal und See.
2.
Wann die trübe Nebel-Nacht
mit Bedacht/
ihr
* Pasquier aux Recherches f. 869.
Die zehende Stund.
Ob dieſer Tag vergeht/
kommt doch die Sonne wieder:
und niemand mehr erſteht/
der lïegt im Grab darnieder.

12. Die Frantzoſen haben eine Art der Luſtge-
dicht/ welche der erſtbeſagtem Vngleichheit faſt
nahe kommen; ſie nennen es Coq à l’aſne * den
Haanen auf dem Eſel: Wir pflegen zu ſagẽ/ reim
dich Bundſchuch/ weil vielleicht der Alten Schu-
he mit Riemen pflegten gebunden und geguͤrtet
zu werden. Wir wollen eine Prob thun/ und
auch in dieſer unbekanten Dichtart eine ungeſtal,
te und doch ſtoltze Jungfrau abmahlen. Das
Reimgebaͤnd iſt gerichtet nach J. von der Veen
Niederlaͤndiſchen Liedern/ bemerkt am 288. Blat
ſeines Adams Appel.

1.
Schoͤne/ wie des Ofens Grund/
euer Mund
gleich dem Kreitengrauen Schnee/
oder vielmehr den Kryſtallen
und Korallen/
die man findt im Thal und See.
2.
Wann die truͤbe Nebel-Nacht
mit Bedacht/
ihr
* Paſquier aux Recherches f. 869.
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[61/0075] Die zehende Stund. Ob dieſer Tag vergeht/ kommt doch die Sonne wieder: und niemand mehr erſteht/ der lïegt im Grab darnieder. 12. Die Frantzoſen haben eine Art der Luſtge- dicht/ welche der erſtbeſagtem Vngleichheit faſt nahe kommen; ſie nennen es Coq à l’aſne * den Haanen auf dem Eſel: Wir pflegen zu ſagẽ/ reim dich Bundſchuch/ weil vielleicht der Alten Schu- he mit Riemen pflegten gebunden und geguͤrtet zu werden. Wir wollen eine Prob thun/ und auch in dieſer unbekanten Dichtart eine ungeſtal, te und doch ſtoltze Jungfrau abmahlen. Das Reimgebaͤnd iſt gerichtet nach J. von der Veen Niederlaͤndiſchen Liedern/ bemerkt am 288. Blat ſeines Adams Appel. 1. Schoͤne/ wie des Ofens Grund/ euer Mund gleich dem Kreitengrauen Schnee/ oder vielmehr den Kryſtallen und Korallen/ die man findt im Thal und See. 2. Wann die truͤbe Nebel-Nacht mit Bedacht/ ihr * Paſquier aux Recherches f. 869.

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/75>, abgerufen am 28.04.2024.