Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
und der gelehrte Frantzos Masnardiere,
viel Streitfragen erregt/ deren wir in die-
sem Werklein meistentheils gedenken müs-
sen.

8. Ob nun wol sich viel benügenlassen/
wann sie etwan einem Freunde zu gefallen
etliche Reimzeile aufsetzen können/ und
nicht gesinnet seyn grosse Werke zu unter-
nehmen: so stehet doch wol/ wann man von
andrer Arbeit mit gutem Verstand rich-
ten kan/ und dienet zu merklicher Nach-
richtung in kurtzen Lob- und Lustgedich-
ten: Massen die gefällige Ubung solches
ausfündig machen wird. Jn allen Sa-
chen sol man auf die höchste Staffel der
Vollkommenheit zielen/ man verbleibet
dannoch wol unter der Helffte. Es liegt
auch nicht
an dem gelesen haben/ sondern an
dem Wissen/ und der vielfältigen Ubung/
durch welche alle Künste erhalten und be-
halten werden.

9. Es bezeuget aber hiermit der Spie-
lende/ daß er keines Wegs in dem Wahn
stehet/ als ob er der Poeterey ein Meister/
der andre zu lehren und Gesetze vorzu-
schreiben vermöchte: Nein/ keines wegs/
sondern ist von jedem zu lernen und mehr

Ver-

Vorrede.
und der gelehrte Frantzos Maſnardiere,
viel Streitfragen erregt/ deren wir in die-
ſem Werklein meiſtentheils gedenken muͤſ-
ſen.

8. Ob nun wol ſich viel benuͤgenlaſſen/
wann ſie etwan einem Freunde zu gefallen
etliche Reimzeile aufſetzen koͤnnen/ und
nicht geſinnet ſeyn groſſe Werke zu unter-
nehmen: ſo ſtehet doch wol/ wañ man von
andrer Arbeit mit gutem Verſtand rich-
ten kan/ und dienet zu merklicher Nach-
richtung in kurtzen Lob- und Luſtgedich-
ten: Maſſen die gefaͤllige Ubung ſolches
ausfuͤndig machen wird. Jn allen Sa-
chen ſol man auf die hoͤchſte Staffel der
Vollkommenheit zielen/ man verbleibet
dannoch wol unter der Helffte. Es liegt
auch nicht
an dem geleſen haben/ ſondern an
dem Wiſſen/ und der vielfaͤltigen Ubung/
durch welche alle Kuͤnſte erhalten und be-
halten werden.

9. Es bezeuget aber hiermit der Spie-
lende/ daß er keines Wegs in dem Wahn
ſtehet/ als ob er der Poeterey ein Meiſter/
der andre zu lehren und Geſetze vorzu-
ſchreiben vermoͤchte: Nein/ keines wegs/
ſondern iſt von jedem zu lernen und mehr

Ver-
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p>
          <pb facs="#f0013"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vorrede.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">und der gelehrte Frantzos</hi> <hi rendition="#aq">Ma&#x017F;nardiere,</hi><lb/> <hi rendition="#fr">viel Streitfragen erregt/ deren wir in die-<lb/>
&#x017F;em Werklein mei&#x017F;tentheils gedenken mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en.</hi> </p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">8. Ob nun wol &#x017F;ich viel benu&#x0364;genla&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
wann &#x017F;ie etwan einem Freunde zu gefallen<lb/>
etliche Reimzeile auf&#x017F;etzen ko&#x0364;nnen/ und<lb/>
nicht ge&#x017F;innet &#x017F;eyn gro&#x017F;&#x017F;e Werke zu unter-<lb/>
nehmen: &#x017F;o &#x017F;tehet doch wol/ wan&#x0303; man von<lb/>
andrer Arbeit mit gutem Ver&#x017F;tand rich-<lb/>
ten kan/ und dienet zu merklicher Nach-<lb/>
richtung in kurtzen Lob- und Lu&#x017F;tgedich-<lb/>
ten: Ma&#x017F;&#x017F;en die gefa&#x0364;llige Ubung &#x017F;olches<lb/>
ausfu&#x0364;ndig machen wird. Jn allen Sa-<lb/>
chen &#x017F;ol man auf die ho&#x0364;ch&#x017F;te Staffel der<lb/>
Vollkommenheit zielen/ man verbleibet<lb/>
dannoch wol unter der Helffte. Es liegt<lb/>
auch nicht</hi> an dem gele&#x017F;en haben/ &#x017F;ondern an<lb/>
dem Wi&#x017F;&#x017F;en/ <hi rendition="#fr">und der vielfa&#x0364;ltigen Ubung/<lb/>
durch welche alle Ku&#x0364;n&#x017F;te erhalten und be-<lb/>
halten werden.</hi></p><lb/>
        <p> <hi rendition="#fr">9. Es bezeuget aber hiermit der Spie-<lb/>
lende/ daß er keines Wegs in dem Wahn<lb/>
&#x017F;tehet/ als ob er der Poeterey ein Mei&#x017F;ter/<lb/>
der andre zu lehren und Ge&#x017F;etze vorzu-<lb/>
&#x017F;chreiben vermo&#x0364;chte: Nein/ keines wegs/<lb/>
&#x017F;ondern i&#x017F;t von jedem zu lernen und mehr</hi><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Ver-</hi> </fw><lb/>
        </p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0013] Vorrede. und der gelehrte Frantzos Maſnardiere, viel Streitfragen erregt/ deren wir in die- ſem Werklein meiſtentheils gedenken muͤſ- ſen. 8. Ob nun wol ſich viel benuͤgenlaſſen/ wann ſie etwan einem Freunde zu gefallen etliche Reimzeile aufſetzen koͤnnen/ und nicht geſinnet ſeyn groſſe Werke zu unter- nehmen: ſo ſtehet doch wol/ wañ man von andrer Arbeit mit gutem Verſtand rich- ten kan/ und dienet zu merklicher Nach- richtung in kurtzen Lob- und Luſtgedich- ten: Maſſen die gefaͤllige Ubung ſolches ausfuͤndig machen wird. Jn allen Sa- chen ſol man auf die hoͤchſte Staffel der Vollkommenheit zielen/ man verbleibet dannoch wol unter der Helffte. Es liegt auch nicht an dem geleſen haben/ ſondern an dem Wiſſen/ und der vielfaͤltigen Ubung/ durch welche alle Kuͤnſte erhalten und be- halten werden. 9. Es bezeuget aber hiermit der Spie- lende/ daß er keines Wegs in dem Wahn ſtehet/ als ob er der Poeterey ein Meiſter/ der andre zu lehren und Geſetze vorzu- ſchreiben vermoͤchte: Nein/ keines wegs/ ſondern iſt von jedem zu lernen und mehr Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/13
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 2. Nürnberg, 1648, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter02_1648/13>, abgerufen am 28.03.2024.