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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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Die erste Stund.
lichen/ oder ja mißfälligen Händeln abwenden.

IV.

14. Nun fragt sichs/ wo der Jnhalt deß Ge-
dichts herzunemen? Dann wie der Töpfer erst-
lich muß den Don haben/ ohne welchen er nichts
bilden oder drehen kan/ so muß der Poet wissen/
was er schreiben wil/ bevor er die Feder ansetzet.
Hier ist nun zu unterscheiden der Vorsatz/ ein
Trauergedicht/ ein Lobgesang oder dergleichen zu
machen/ und die Erfindung/ welchergestalt der
Jnhalt desselben sich aufeinander binden sol. Die-
ses Letzte wird durch die Dichtkunst angewiesen/
von welcher kürtzlich folgendes zu merken.

15. Die Erfindung wird entweder hergefüh-
ret von dem Wort/ oder von dem Dinge
selbsten/ darvon man handelt/ oder von den Um-
ständen
desselben/ oder von gehörigen Gleich-
nissen.
Erstlich das Wort giebet eine Erfin-
dung entweder in seinem angebornen Laut/ und
bekanter Deutung/ oder mit versetzten Buchsta-
ben/
wann solche eine gantze Meinung schliessen/
oder eine halbe/ welche mit dem Gemähl in einem
Sinnbild/ oder Lehrgedicht ausfündig gemacher
werden kan. Hieher gebören die Wortgriflein/
wann man einen Buchstaben darvon/ oder dar-
zusetzet: wie auch die Zahlreimen/ Jahrverse/
Namverse/ wann die ersten/ mittlere/ oder letzte

Buch-

Die erſte Stund.
lichen/ oder ja mißfaͤlligen Haͤndeln abwenden.

IV.

14. Nun fragt ſichs/ wo der Jnhalt deß Ge-
dichts herzunemen? Dann wie der Toͤpfer erſt-
lich muß den Don haben/ ohne welchen er nichts
bilden oder drehen kan/ ſo muß der Poet wiſſen/
was er ſchreiben wil/ bevor er die Feder anſetzet.
Hier iſt nun zu unterſcheiden der Vorſatz/ ein
Trauergedicht/ ein Lobgeſang oder dergleichen zu
machen/ und die Erfindung/ welchergeſtalt der
Jnhalt deſſelben ſich aufeinander binden ſol. Die-
ſes Letzte wird durch die Dichtkunſt angewieſen/
von welcher kuͤrtzlich folgendes zu merken.

15. Die Erfindung wird entweder hergefuͤh-
ret von dem Wort/ oder von dem Dinge
ſelbſten/ darvon man handelt/ oder von den Um-
ſtaͤnden
deſſelben/ oder von gehoͤrigen Gleich-
niſſen.
Erſtlich das Wort giebet eine Erfin-
dung entweder in ſeinem angebornen Laut/ und
bekanter Deutung/ oder mit verſetzten Buchſta-
ben/
wann ſolche eine gantze Meinung ſchlieſſen/
oder eine halbe/ welche mit dem Gemaͤhl in einem
Sinnbild/ oder Lehrgedicht ausfuͤndig gemacher
werden kan. Hieher geboͤren die Wortgriflein/
wann man einen Buchſtaben darvon/ oder dar-
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Buch-
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[10/0028] Die erſte Stund. lichen/ oder ja mißfaͤlligen Haͤndeln abwenden. IV. 14. Nun fragt ſichs/ wo der Jnhalt deß Ge- dichts herzunemen? Dann wie der Toͤpfer erſt- lich muß den Don haben/ ohne welchen er nichts bilden oder drehen kan/ ſo muß der Poet wiſſen/ was er ſchreiben wil/ bevor er die Feder anſetzet. Hier iſt nun zu unterſcheiden der Vorſatz/ ein Trauergedicht/ ein Lobgeſang oder dergleichen zu machen/ und die Erfindung/ welchergeſtalt der Jnhalt deſſelben ſich aufeinander binden ſol. Die- ſes Letzte wird durch die Dichtkunſt angewieſen/ von welcher kuͤrtzlich folgendes zu merken. 15. Die Erfindung wird entweder hergefuͤh- ret von dem Wort/ oder von dem Dinge ſelbſten/ darvon man handelt/ oder von den Um- ſtaͤnden deſſelben/ oder von gehoͤrigen Gleich- niſſen. Erſtlich das Wort giebet eine Erfin- dung entweder in ſeinem angebornen Laut/ und bekanter Deutung/ oder mit verſetzten Buchſta- ben/ wann ſolche eine gantze Meinung ſchlieſſen/ oder eine halbe/ welche mit dem Gemaͤhl in einem Sinnbild/ oder Lehrgedicht ausfuͤndig gemacher werden kan. Hieher geboͤren die Wortgriflein/ wann man einen Buchſtaben darvon/ oder dar- zuſetzet: wie auch die Zahlreimen/ Jahrverſe/ Namverſe/ wann die erſten/ mittlere/ oder letzte Buch-

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/28>, abgerufen am 23.11.2024.