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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650.

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Die erste Stund.
geben: doch ist die Poeterey bey dem waaren vnd
falschen Gottesdienst iederzeit verblieben/ und
auch von allen barbarischen Völkern hochgehal-
ten worden.+

2. Aus Betrachtung der Natur/ und Erforsch-
ung der Weltgeschöpfe/ entstehet des höchsten
Lobgesang: Aus Betrachtung des Menschen Le-
bens und Wandels entstehet die Sitten- oder Tu-
gendlehre; und die Beschreibung einer Begeben-
heit/ sie seye gleich rühmlich/ daher die Lobgedich-
te gewisser Personen entspringen/ oder scheltbar/
daher Stichel-und Strafverse in Gebrauch kommen.
Die Hirten- vnd Schäferlieder sollen die ältsten
Gedichte seyn/ weil diese bey ihren Herden mehr
müssig als andere/ und von dem stetsvorwesenden
Welt- vnd Feldbau unverhindert gesungen wor-
den. Etliche vermeinen/ die ältsten Gedichte seyen
von den Wintzern zur Weinerndzeit gedichtet
worden; und deuten dahin den Spruch deß Pro-
pheten Jerem. c. 48/33.

3. Weil aber die Heyden vieler Sachen Vrsa-
chen nicht erkundigen mögen/ haben sie solche ih-
ren Göttern zugeschrieben/ und denselbigen für die
Früchte der Erden/ der Bäume/ des Rebens/ und
dergleichen Dankopfer gebracht/ dabey aber ihr
Gebet/ und Lobgesang in gebundner Rede verrich-

tet;
+ Specim. Philolog. Germ. Disquisit. IX.

Die erſte Stund.
geben: doch iſt die Poeterey bey dem waaren vnd
falſchen Gottesdienſt iederzeit verblieben/ und
auch von allen barbariſchen Voͤlkern hochgehal-
ten worden.

2. Aus Betrachtung der Natur/ und Erforſch-
ung der Weltgeſchoͤpfe/ entſtehet des hoͤchſten
Lobgeſang: Aus Betrachtung des Menſchen Le-
bens und Wandels entſtehet die Sitten- oder Tu-
gendlehre; und die Beſchreibung einer Begeben-
heit/ ſie ſeye gleich ruͤhmlich/ daher die Lobgedich-
te gewiſſer Perſonen entſpringen/ oder ſcheltbar/
daher Stichel-uñ Strafverſe in Gebrauch kom̃en.
Die Hirten- vnd Schaͤferlieder ſollen die aͤltſten
Gedichte ſeyn/ weil dieſe bey ihren Herden mehr
muͤſſig als andere/ und von dem ſtetsvorweſenden
Welt- vnd Feldbau unverhindert geſungen wor-
den. Etliche vermeinen/ die aͤltſten Gedichte ſeyen
von den Wintzern zur Weinerndzeit gedichtet
worden; und deuten dahin den Spruch deß Pro-
pheten Jerem. c. 48/33.

3. Weil aber die Heyden vieler Sachen Vrſa-
chen nicht erkundigen moͤgen/ haben ſie ſolche ih-
ren Goͤttern zugeſchrieben/ und denſelbigen fuͤr die
Fruͤchte der Erden/ der Baͤume/ des Rebens/ und
dergleichen Dankopfer gebracht/ dabey aber ihr
Gebet/ und Lobgeſang in gebundner Rede verrich-

tet;
Specim. Philolog. Germ. Diſquiſit. IX.
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[2/0020] Die erſte Stund. geben: doch iſt die Poeterey bey dem waaren vnd falſchen Gottesdienſt iederzeit verblieben/ und auch von allen barbariſchen Voͤlkern hochgehal- ten worden. † 2. Aus Betrachtung der Natur/ und Erforſch- ung der Weltgeſchoͤpfe/ entſtehet des hoͤchſten Lobgeſang: Aus Betrachtung des Menſchen Le- bens und Wandels entſtehet die Sitten- oder Tu- gendlehre; und die Beſchreibung einer Begeben- heit/ ſie ſeye gleich ruͤhmlich/ daher die Lobgedich- te gewiſſer Perſonen entſpringen/ oder ſcheltbar/ daher Stichel-uñ Strafverſe in Gebrauch kom̃en. Die Hirten- vnd Schaͤferlieder ſollen die aͤltſten Gedichte ſeyn/ weil dieſe bey ihren Herden mehr muͤſſig als andere/ und von dem ſtetsvorweſenden Welt- vnd Feldbau unverhindert geſungen wor- den. Etliche vermeinen/ die aͤltſten Gedichte ſeyen von den Wintzern zur Weinerndzeit gedichtet worden; und deuten dahin den Spruch deß Pro- pheten Jerem. c. 48/33. 3. Weil aber die Heyden vieler Sachen Vrſa- chen nicht erkundigen moͤgen/ haben ſie ſolche ih- ren Goͤttern zugeſchrieben/ und denſelbigen fuͤr die Fruͤchte der Erden/ der Baͤume/ des Rebens/ und dergleichen Dankopfer gebracht/ dabey aber ihr Gebet/ und Lobgeſang in gebundner Rede verrich- tet; † Specim. Philolog. Germ. Diſquiſit. IX.

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 1. 2. Aufl. Nürnberg, 1650, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter01_1650/20>, abgerufen am 24.11.2024.