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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
bin in dem Fall seiner Meynung/ wil aber diesen König hierin-
nen wol vor entschuldiget halten/ weil mir berichtet/ er habe von
Natur keinen blossen Stahl/ und also vielleicht auch keinen blan-
cken Hirschfänger nicht sehen können/ besondern einen Horror
oder Abscheu darfür gehabt.

Der alte Cavallier sprach: Was der Herr da jetzo meldet/
das gedencket der Englische Graf und Königl. Cantzler Kenel-
mus Digbaeus,
in seiner Oration, von der Syn- und Antipathie.
Nemlich: Als hoch gedachten Königs Jacobi Frau Mutter/
Königin Maria Stuart, mit diesem jungen Printzen hoch schwan-
ger gangen/ seyn ihrer etliche in ihr Cabinet gebrochen/ haben
daselbst einen Cavallier überfallen und niedergemacht/ darvon
die Königin hefftig erschrocken/ und diesem ihrem Herrn Sohn
darüber ein solcher Schwerdt-Scheu angeerbet worden/ daß er
keinen geblößten Degen schauen können/ deßwegen auch/ wann
er einen zum Ritter schlagen müssen/ (das doch/ weil er nicht gar
gerne daran kommen/ selten gnug geschehen/) ihm/ welcher ab-
wärts sahe/ ein anderer die Hand befassen und führen müssen.
Welches ihm aber kein Verständiger zur Zartheit und Klein-
müthigkeit rechnen wird/ weil es/ wie gehöret/ ein angeerbtes
Wesen gewesen/ und natürliche Sachen nicht wol zu ändern.

Nichts destoweniger weiß ich auch/ daß/ ohnangesehen
derselbige König sonst mit hohen Qualitäten gezieret gewesen/
ihm dannoch die gar zu grosse Bücher-Lust von unterschiedlichen
Politicis gemercket worden. Vor andern verdencket es ihm
Saavedra, daß er sich in Religions-Controversien gar zu sehr
vertieffet; Dannenhero der Schwerdt-Scheu wol so eben nicht
die Ursach gewesen/ seines auf der Jagd gewöhnlichen Lesens/
als vielmehr die gar zu grosse Begierde zum Studiren. Es ist
schwer in der Wissenschafft und Klugheit die Maaß zu treffen/
wie zwar Tacirus an seinem fürtrefflichen Agricola solches rüh-
met. Studiren und Regieren/ seynd nicht gar zu verträgliche
Dinge; Dann/ ob zwar dieses durch jenes befördert wird/ und
die Majestät nicht weniger mit Gesetzen gerüstet/ als mit Waf-
fen gezieret seyn muß/ sollen dannoch die Bücher mehr ein Con-
fect,
weder tägliche Nahrungs-Speise eines Printzen seyn/ der
nunmehr im Regiment sitzt. Mit dem/ der allererst darzu gelan-
gen soll hat es eine andere Beschaffenheit/ sintemahl dieser die
Wissenschafft zu regieren/ und einen Staat recht zu disponiren/
auß den Büchern und dem Unterricht eines klugen Hofmeisters
vorher schöpffen/ Jener aber/ der das Steuer-Ruder deß Regi-

ments

Romans II. Buch.
bin in dem Fall ſeiner Meynung/ wil aber dieſen Koͤnig hierin-
nen wol vor entſchuldiget halten/ weil mir berichtet/ er habe von
Natur keinen bloſſen Stahl/ und alſo vielleicht auch keinen blan-
cken Hirſchfaͤnger nicht ſehen koͤnnen/ beſondern einen Horror
oder Abſcheu darfuͤr gehabt.

Der alte Cavallier ſprach: Was der Herꝛ da jetzo meldet/
das gedencket der Engliſche Graf und Koͤnigl. Cantzler Kenel-
mus Digbæus,
in ſeiner Oration, von der Syn- und Antipathie.
Nemlich: Als hoch gedachten Koͤnigs Jacobi Frau Mutter/
Koͤnigin Maria Stuart, mit dieſem jungen Printzen hoch ſchwan-
ger gangen/ ſeyn ihrer etliche in ihr Cabinet gebrochen/ haben
daſelbſt einen Cavallier uͤberfallen und niedergemacht/ darvon
die Koͤnigin hefftig erſchrocken/ und dieſem ihrem Herꝛn Sohn
daruͤber ein ſolcher Schwerdt-Scheu angeerbet worden/ daß er
keinen gebloͤßten Degen ſchauen koͤnnen/ deßwegen auch/ wann
er einen zum Ritter ſchlagen muͤſſen/ (das doch/ weil er nicht gar
gerne daran kommen/ ſelten gnug geſchehen/) ihm/ welcher ab-
waͤrts ſahe/ ein anderer die Hand befaſſen und fuͤhren muͤſſen.
Welches ihm aber kein Verſtaͤndiger zur Zartheit und Klein-
muͤthigkeit rechnen wird/ weil es/ wie gehoͤret/ ein angeerbtes
Weſen geweſen/ und natuͤrliche Sachen nicht wol zu aͤndern.

Nichts deſtoweniger weiß ich auch/ daß/ ohnangeſehen
derſelbige Koͤnig ſonſt mit hohen Qualitaͤten gezieret geweſen/
ihm dannoch die gar zu groſſe Buͤcher-Luſt von unterſchiedlichen
Politicis gemercket worden. Vor andern verdencket es ihm
Saavedra, daß er ſich in Religions-Controverſien gar zu ſehr
vertieffet; Dannenhero der Schwerdt-Scheu wol ſo eben nicht
die Urſach geweſen/ ſeines auf der Jagd gewoͤhnlichen Leſens/
als vielmehr die gar zu groſſe Begierde zum Studiren. Es iſt
ſchwer in der Wiſſenſchafft und Klugheit die Maaß zu treffen/
wie zwar Tacirus an ſeinem fuͤrtrefflichen Agricola ſolches ruͤh-
met. Studiren und Regieren/ ſeynd nicht gar zu vertraͤgliche
Dinge; Dann/ ob zwar dieſes durch jenes befoͤrdert wird/ und
die Majeſtaͤt nicht weniger mit Geſetzen geruͤſtet/ als mit Waf-
fen gezieret ſeyn muß/ ſollen dannoch die Buͤcher mehr ein Con-
fect,
weder taͤgliche Nahrungs-Speiſe eines Printzen ſeyn/ der
nunmehr im Regiment ſitzt. Mit dem/ der allererſt darzu gelan-
gen ſoll hat es eine andere Beſchaffenheit/ ſintemahl dieſer die
Wiſſenſchafft zu regieren/ und einen Staat recht zu diſponiren/
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[735/0753] Romans II. Buch. bin in dem Fall ſeiner Meynung/ wil aber dieſen Koͤnig hierin- nen wol vor entſchuldiget halten/ weil mir berichtet/ er habe von Natur keinen bloſſen Stahl/ und alſo vielleicht auch keinen blan- cken Hirſchfaͤnger nicht ſehen koͤnnen/ beſondern einen Horror oder Abſcheu darfuͤr gehabt. Der alte Cavallier ſprach: Was der Herꝛ da jetzo meldet/ das gedencket der Engliſche Graf und Koͤnigl. Cantzler Kenel- mus Digbæus, in ſeiner Oration, von der Syn- und Antipathie. Nemlich: Als hoch gedachten Koͤnigs Jacobi Frau Mutter/ Koͤnigin Maria Stuart, mit dieſem jungen Printzen hoch ſchwan- ger gangen/ ſeyn ihrer etliche in ihr Cabinet gebrochen/ haben daſelbſt einen Cavallier uͤberfallen und niedergemacht/ darvon die Koͤnigin hefftig erſchrocken/ und dieſem ihrem Herꝛn Sohn daruͤber ein ſolcher Schwerdt-Scheu angeerbet worden/ daß er keinen gebloͤßten Degen ſchauen koͤnnen/ deßwegen auch/ wann er einen zum Ritter ſchlagen muͤſſen/ (das doch/ weil er nicht gar gerne daran kommen/ ſelten gnug geſchehen/) ihm/ welcher ab- waͤrts ſahe/ ein anderer die Hand befaſſen und fuͤhren muͤſſen. Welches ihm aber kein Verſtaͤndiger zur Zartheit und Klein- muͤthigkeit rechnen wird/ weil es/ wie gehoͤret/ ein angeerbtes Weſen geweſen/ und natuͤrliche Sachen nicht wol zu aͤndern. Nichts deſtoweniger weiß ich auch/ daß/ ohnangeſehen derſelbige Koͤnig ſonſt mit hohen Qualitaͤten gezieret geweſen/ ihm dannoch die gar zu groſſe Buͤcher-Luſt von unterſchiedlichen Politicis gemercket worden. Vor andern verdencket es ihm Saavedra, daß er ſich in Religions-Controverſien gar zu ſehr vertieffet; Dannenhero der Schwerdt-Scheu wol ſo eben nicht die Urſach geweſen/ ſeines auf der Jagd gewoͤhnlichen Leſens/ als vielmehr die gar zu groſſe Begierde zum Studiren. Es iſt ſchwer in der Wiſſenſchafft und Klugheit die Maaß zu treffen/ wie zwar Tacirus an ſeinem fuͤrtrefflichen Agricola ſolches ruͤh- met. Studiren und Regieren/ ſeynd nicht gar zu vertraͤgliche Dinge; Dann/ ob zwar dieſes durch jenes befoͤrdert wird/ und die Majeſtaͤt nicht weniger mit Geſetzen geruͤſtet/ als mit Waf- fen gezieret ſeyn muß/ ſollen dannoch die Buͤcher mehr ein Con- fect, weder taͤgliche Nahrungs-Speiſe eines Printzen ſeyn/ der nunmehr im Regiment ſitzt. Mit dem/ der allererſt darzu gelan- gen ſoll hat es eine andere Beſchaffenheit/ ſintemahl dieſer die Wiſſenſchafft zu regieren/ und einen Staat recht zu diſponiren/ auß den Buͤchern und dem Unterricht eines klugen Hofmeiſters vorher ſchoͤpffen/ Jener aber/ der das Steuer-Ruder deß Regi- ments

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 735. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/753>, abgerufen am 23.11.2024.