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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
Ließ sich also beduncken/ daß den Tugenden und Wissenschafften
billich alle Gewalt und Herrschafft weichen und gehorsamen
mnsten/ erzeigete er also diesem Philosopho, was er sonsten kei-
nem König auf dem gantzen Erd-Bodenerwiesen hätte.

Dionysius Tyrannus, der König zu Syracusa, begehrete/
daß ihn Plato der vortreffliche und übermenschliche Philosophus
in Sicilia besuchen solte/ als er nun zu ihm kam/ zoger ihm einen
ziemlichen Weg biß an das Meer entgegen/ setzte ihn neben sich
auf seinen Königl. Wagen/ welcher von weissen Rossen gezogen
wurde/ mit solchem Pomp und Herrlichkeit/ als immer möglich
war. Jn solcher Würde/ Ehre und Hoheit/ sind selbiger Zeit
die Literati und gelehrten Leute gehalten worden. Alexander
Magnus,
als er die Stadt Thebe in Egypten bestreiten und
ver[st]ören wolte/ befahl er vor allem/ daß man das Hauß und
die Person deß vortrefflichen Poeten Pindari in Acht nehmen
solte. Wie hoch Virgilius von Käyser Octaviano geachtet wor-
den/ ist Jedermänniglich/ ohne daß ich solches erzehle/ bekandt/
sintemahl ihn das Römis. Volck in so grossen Ehren gehalten/
daß/ (wie Plinius schreibet/) wann gedachter Virgilius auf das
Theatrum, seine Carmina oder Vers zu recitiren/ getretten/ alles
Volck aufgestanden/ und ihm gleiche Ehre und Reverentz/ als
dem Käyser selbsten/ erzeiget habe. Seinen Geburts-Tag/
welcher den 15. Octobris, (an dem er 67. Jahr vor Christi Ge-
burt gebohren worden/) zu fallen pflegete/ hat Käyser Octavia-
nus Augustus
Jährlich begangen/ und mit sonderbaren Cere-
moni
en beehret. Es waren die Geschencke/ welche er von Augu-
sto, Mecoenate, Pollione,
und vielen andern empfieng/ so reich-
lich und über groß/ daß er/ der zuvor nichts hatte/ in kurtzer Zeit
ein Vermögen von 6000. Sestertiis, welches ungefähr eine
Summa 250000. Gold-Cronen ist/ zusammen brachte/ er hatte
auch einen schönen und wol[-]gebauten Pallast in Rom. Juve-
nalis
zehlete ihn unter die reichesten Leute selbiger Zeit. Als eins-
mahls Virgilius in Gegenwart Käysers Octaviani Augusti
und Liviae seiner Gemahlin/ welche deß Marcelli Mutter war/
etliche Bücher seiner AEneides recitirte/ und zu dem Ende deß
6. Buchs kam/ worinnen er gar schön und beweglich von Mar-
cello,
der bereits gestorben war/ redete/ bewegete er hierdurch
in selbigem Augenblick das Hertz der Liviae so sehr/ daß sie nim-
mer zuhören kunte/ sondern in eine Ohnmacht sanck/ und gleich-
sam todt zur Erden niederfiel; Als sie aber wieder zu ihr selber
kam/ befahl sie/ daß man ihm vor einen jeden Vers/ den sie über-

höret

Deß Academiſchen
Ließ ſich alſo beduncken/ daß den Tugenden und Wiſſenſchafften
billich alle Gewalt und Herꝛſchafft weichen und gehorſamen
mnſten/ erzeigete er alſo dieſem Philoſopho, was er ſonſten kei-
nem Koͤnig auf dem gantzen Erd-Bodenerwieſen haͤtte.

Dionyſius Tyrannus, der Koͤnig zu Syracuſa, begehrete/
daß ihn Plato der vortreffliche und uͤbermenſchliche Philoſophus
in Sicilia beſuchen ſolte/ als er nun zu ihm kam/ zoger ihm einen
ziemlichen Weg biß an das Meer entgegen/ ſetzte ihn neben ſich
auf ſeinen Koͤnigl. Wagen/ welcher von weiſſen Roſſen gezogen
wurde/ mit ſolchem Pomp und Herꝛlichkeit/ als immer moͤglich
war. Jn ſolcher Wuͤrde/ Ehre und Hoheit/ ſind ſelbiger Zeit
die Literati und gelehrten Leute gehalten worden. Alexander
Magnus,
als er die Stadt Thebe in Egypten beſtreiten und
ver[ſt]oͤren wolte/ befahl er vor allem/ daß man das Hauß und
die Perſon deß vortrefflichen Poeten Pindari in Acht nehmen
ſolte. Wie hoch Virgilius von Kaͤyſer Octaviano geachtet wor-
den/ iſt Jedermaͤnniglich/ ohne daß ich ſolches erzehle/ bekandt/
ſintemahl ihn das Roͤmiſ. Volck in ſo groſſen Ehren gehalten/
daß/ (wie Plinius ſchreibet/) wann gedachter Virgilius auf das
Theatrum, ſeine Carmina oder Vers zu recitiren/ getretten/ alles
Volck aufgeſtanden/ und ihm gleiche Ehre und Reverentz/ als
dem Kaͤyſer ſelbſten/ erzeiget habe. Seinen Geburts-Tag/
welcher den 15. Octobris, (an dem er 67. Jahr vor Chriſti Ge-
burt gebohren worden/) zu fallen pflegete/ hat Kaͤyſer Octavia-
nus Auguſtus
Jaͤhrlich begangen/ und mit ſonderbaren Cere-
moni
en beehret. Es waren die Geſchencke/ welche er von Augu-
ſto, Mecœnate, Pollione,
und vielen andern empfieng/ ſo reich-
lich und uͤber groß/ daß er/ der zuvor nichts hatte/ in kurtzer Zeit
ein Vermoͤgen von 6000. Seſtertiis, welches ungefaͤhr eine
Summa 250000. Gold-Cronen iſt/ zuſammen brachte/ er hatte
auch einen ſchoͤnen und wol[-]gebauten Pallaſt in Rom. Juve-
nalis
zehlete ihn unter die reicheſten Leute ſelbiger Zeit. Als eins-
mahls Virgilius in Gegenwart Kaͤyſers Octaviani Auguſti
und Liviæ ſeiner Gemahlin/ welche deß Marcelli Mutter war/
etliche Buͤcher ſeiner Æneides recitirte/ und zu dem Ende deß
6. Buchs kam/ worinnen er gar ſchoͤn und beweglich von Mar-
cello,
der bereits geſtorben war/ redete/ bewegete er hierdurch
in ſelbigem Augenblick das Hertz der Liviæ ſo ſehr/ daß ſie nim-
mer zuhoͤren kunte/ ſondern in eine Ohnmacht ſanck/ und gleich-
ſam todt zur Erden niederfiel; Als ſie aber wieder zu ihr ſelber
kam/ befahl ſie/ daß man ihm vor einen jeden Vers/ den ſie uͤber-

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[718/0736] Deß Academiſchen Ließ ſich alſo beduncken/ daß den Tugenden und Wiſſenſchafften billich alle Gewalt und Herꝛſchafft weichen und gehorſamen mnſten/ erzeigete er alſo dieſem Philoſopho, was er ſonſten kei- nem Koͤnig auf dem gantzen Erd-Bodenerwieſen haͤtte. Dionyſius Tyrannus, der Koͤnig zu Syracuſa, begehrete/ daß ihn Plato der vortreffliche und uͤbermenſchliche Philoſophus in Sicilia beſuchen ſolte/ als er nun zu ihm kam/ zoger ihm einen ziemlichen Weg biß an das Meer entgegen/ ſetzte ihn neben ſich auf ſeinen Koͤnigl. Wagen/ welcher von weiſſen Roſſen gezogen wurde/ mit ſolchem Pomp und Herꝛlichkeit/ als immer moͤglich war. Jn ſolcher Wuͤrde/ Ehre und Hoheit/ ſind ſelbiger Zeit die Literati und gelehrten Leute gehalten worden. Alexander Magnus, als er die Stadt Thebe in Egypten beſtreiten und verſtoͤren wolte/ befahl er vor allem/ daß man das Hauß und die Perſon deß vortrefflichen Poeten Pindari in Acht nehmen ſolte. Wie hoch Virgilius von Kaͤyſer Octaviano geachtet wor- den/ iſt Jedermaͤnniglich/ ohne daß ich ſolches erzehle/ bekandt/ ſintemahl ihn das Roͤmiſ. Volck in ſo groſſen Ehren gehalten/ daß/ (wie Plinius ſchreibet/) wann gedachter Virgilius auf das Theatrum, ſeine Carmina oder Vers zu recitiren/ getretten/ alles Volck aufgeſtanden/ und ihm gleiche Ehre und Reverentz/ als dem Kaͤyſer ſelbſten/ erzeiget habe. Seinen Geburts-Tag/ welcher den 15. Octobris, (an dem er 67. Jahr vor Chriſti Ge- burt gebohren worden/) zu fallen pflegete/ hat Kaͤyſer Octavia- nus Auguſtus Jaͤhrlich begangen/ und mit ſonderbaren Cere- monien beehret. Es waren die Geſchencke/ welche er von Augu- ſto, Mecœnate, Pollione, und vielen andern empfieng/ ſo reich- lich und uͤber groß/ daß er/ der zuvor nichts hatte/ in kurtzer Zeit ein Vermoͤgen von 6000. Seſtertiis, welches ungefaͤhr eine Summa 250000. Gold-Cronen iſt/ zuſammen brachte/ er hatte auch einen ſchoͤnen und wol-gebauten Pallaſt in Rom. Juve- nalis zehlete ihn unter die reicheſten Leute ſelbiger Zeit. Als eins- mahls Virgilius in Gegenwart Kaͤyſers Octaviani Auguſti und Liviæ ſeiner Gemahlin/ welche deß Marcelli Mutter war/ etliche Buͤcher ſeiner Æneides recitirte/ und zu dem Ende deß 6. Buchs kam/ worinnen er gar ſchoͤn und beweglich von Mar- cello, der bereits geſtorben war/ redete/ bewegete er hierdurch in ſelbigem Augenblick das Hertz der Liviæ ſo ſehr/ daß ſie nim- mer zuhoͤren kunte/ ſondern in eine Ohnmacht ſanck/ und gleich- ſam todt zur Erden niederfiel; Als ſie aber wieder zu ihr ſelber kam/ befahl ſie/ daß man ihm vor einen jeden Vers/ den ſie uͤber- hoͤret

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/736>, abgerufen am 23.11.2024.