Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.Deß Academischen Das ist ausser allem Zweiffel wahr/ sprach der Geist-liche/ und darneben auch offenbahr/ was an einem gu- ten Gedächtnüß gelegen ist/ dann unter allen inner- lichen Sinnen halte ich dasselbe für das Fürnehmste; Sintemahl das Gedächtnüß ist eine Schatz-Meiste- rin und Bewahrerin der andern. Es ist in Warheit die Wolthat/ die GOtt dem Menschen durch Ver- leyhung deß Gedächtnüsses gegeben/ so groß/ daß man bloß mit Beschreibung deß Lobes desselben/ und mit Erzehlung deß Nutzens/ welchen der Mensch dar- von geniesset/ nicht nur eine ziemliche Zeit/ sondern auch viel Papiers/ hinbringen könte. Cicero sagt/ es sey die Memoria ein Beweiß der Seelen Unsterblich- keit/ und eine Göttliche Krafft in dem Menschen/ und Plutarchus nennet sie Antistrophon Divinitatis, wel- ches so viel ist/ als eine Gleichförmigkeit der Gottheit/ sintemahl sie das Vergangene repraesentiret/ und ge- genwärtig machet/ dann die vergangene Zeit gleichet sich dem Wasser/ welches vorbey rauschet/ und schwimmet/ das Gedächtnüß aber hält selbige auf/ und scheinet/ als thue sie den vergangenen Dingen ei- nigen Widerstand/ und mache etwas seyn/ das nichts ist. Andere nennen das Gedächtnüß Thesau- rum Scientiae, einen Schatz der Wissenschafft/ darauß folget/ daß die Weißheit eine Tochter deß Gedächt- nüß und der Erfahrung sey; Sintemahl das Ge- dächtnüß eine Cassa und beygelegter Schatz ist/ alles dessen/ was wir lernen/ verstehen und sehen. Christus unser Erlöser hielte das Gedächtnüß so hoch/ daß/ als er uns das H. Sacrament seines Leibes und Blutes hinterlassen/ befahl er/ daß wir solches empfahen/ hal- ten oder thun solten/ zu seinem Gedächtnüß. Die Chriftliche Kirche singet auß dem 112. Psalm: In memoria aeterna erit Justus, deß Gerechten wird nim- mer-
Deß Academiſchen Das iſt auſſer allem Zweiffel wahr/ ſprach der Geiſt-liche/ und darneben auch offenbahr/ was an einem gu- ten Gedaͤchtnuͤß gelegen iſt/ dann unter allen inner- lichen Sinnen halte ich daſſelbe fuͤr das Fuͤrnehmſte; Sintemahl das Gedaͤchtnuͤß iſt eine Schatz-Meiſte- rin und Bewahrerin der andern. Es iſt in Warheit die Wolthat/ die GOtt dem Menſchen durch Ver- leyhung deß Gedaͤchtnuͤſſes gegeben/ ſo groß/ daß man bloß mit Beſchreibung deß Lobes deſſelben/ und mit Erzehlung deß Nutzens/ welchen der Menſch dar- von genieſſet/ nicht nur eine ziemliche Zeit/ ſondern auch viel Papiers/ hinbringen koͤnte. Cicero ſagt/ es ſey die Memoria ein Beweiß der Seelen Unſterblich- keit/ und eine Goͤttliche Krafft in dem Menſchen/ und Plutarchus nennet ſie Antiſtrophon Divinitatis, wel- ches ſo viel iſt/ als eine Gleichfoͤrmigkeit der Gottheit/ ſintemahl ſie das Vergangene repræſentiret/ und ge- genwaͤrtig machet/ dann die vergangene Zeit gleichet ſich dem Waſſer/ welches vorbey rauſchet/ und ſchwimmet/ das Gedaͤchtnuͤß aber haͤlt ſelbige auf/ und ſcheinet/ als thue ſie den vergangenen Dingen ei- nigen Widerſtand/ und mache etwas ſeyn/ das nichts iſt. Andere nennen das Gedaͤchtnuͤß Theſau- rum Scientiæ, einen Schatz der Wiſſenſchafft/ darauß folget/ daß die Weißheit eine Tochter deß Gedaͤcht- nuͤß und der Erfahrung ſey; Sintemahl das Ge- daͤchtnuͤß eine Caſſa und beygelegter Schatz iſt/ alles deſſen/ was wir lernen/ verſtehen und ſehen. Chriſtus unſer Erloͤſer hielte das Gedaͤchtnuͤß ſo hoch/ daß/ als er uns das H. Sacrament ſeines Leibes und Blutes hinterlaſſen/ befahl er/ daß wir ſolches empfahen/ hal- ten oder thun ſolten/ zu ſeinem Gedaͤchtnuͤß. Die Chriftliche Kirche ſinget auß dem 112. Pſalm: In memoria æterna erit Juſtus, deß Gerechten wird nim- mer-
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Deß Academiſchen
Das iſt auſſer allem Zweiffel wahr/ ſprach der Geiſt-
liche/ und darneben auch offenbahr/ was an einem gu-
ten Gedaͤchtnuͤß gelegen iſt/ dann unter allen inner-
lichen Sinnen halte ich daſſelbe fuͤr das Fuͤrnehmſte;
Sintemahl das Gedaͤchtnuͤß iſt eine Schatz-Meiſte-
rin und Bewahrerin der andern. Es iſt in Warheit
die Wolthat/ die GOtt dem Menſchen durch Ver-
leyhung deß Gedaͤchtnuͤſſes gegeben/ ſo groß/ daß
man bloß mit Beſchreibung deß Lobes deſſelben/ und
mit Erzehlung deß Nutzens/ welchen der Menſch dar-
von genieſſet/ nicht nur eine ziemliche Zeit/ ſondern
auch viel Papiers/ hinbringen koͤnte. Cicero ſagt/ es
ſey die Memoria ein Beweiß der Seelen Unſterblich-
keit/ und eine Goͤttliche Krafft in dem Menſchen/ und
Plutarchus nennet ſie Antiſtrophon Divinitatis, wel-
ches ſo viel iſt/ als eine Gleichfoͤrmigkeit der Gottheit/
ſintemahl ſie das Vergangene repræſentiret/ und ge-
genwaͤrtig machet/ dann die vergangene Zeit gleichet
ſich dem Waſſer/ welches vorbey rauſchet/ und
ſchwimmet/ das Gedaͤchtnuͤß aber haͤlt ſelbige auf/
und ſcheinet/ als thue ſie den vergangenen Dingen ei-
nigen Widerſtand/ und mache etwas ſeyn/ das
nichts iſt. Andere nennen das Gedaͤchtnuͤß Theſau-
rum Scientiæ, einen Schatz der Wiſſenſchafft/ darauß
folget/ daß die Weißheit eine Tochter deß Gedaͤcht-
nuͤß und der Erfahrung ſey; Sintemahl das Ge-
daͤchtnuͤß eine Caſſa und beygelegter Schatz iſt/ alles
deſſen/ was wir lernen/ verſtehen und ſehen. Chriſtus
unſer Erloͤſer hielte das Gedaͤchtnuͤß ſo hoch/ daß/ als
er uns das H. Sacrament ſeines Leibes und Blutes
hinterlaſſen/ befahl er/ daß wir ſolches empfahen/ hal-
ten oder thun ſolten/ zu ſeinem Gedaͤchtnuͤß. Die
Chriftliche Kirche ſinget auß dem 112. Pſalm: In
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