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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
das Pferd/ und band es an einen starcken Pfahl/ den
er auf diesem Berg fand stehen/ hernach legte er sich
nieder/ und schlieff biß 2. Stunden nach der Sonnen-
Aufgang in den folgenden Morgen hinein. Darauf
erwachte er/ und sahe sich alsobald nach seinem Pfer-
de um/ solches fand er annoch nicht weit von ihm an-
gebunden/ aber an einem solchen Pfahl/ wie er nun-
mehro sahe/ der eine Stütze eines Galgens war/ dar-
an ein neugehengter Dieb hieng/ unter welchem er
sein Nacht-Lager gehabt hatte. Jch glaube/ hätte er
solches vorher gewust/ ehe er sich niedergeleget/ er wä-
re lieber die gantze Nacht über Stock und Stiel fort-
geritten/ als an diesem Ort geblieben. Er stund aber
auf/ und sahe den Dieb an/ der so frisch außsahe/ als
wann er noch lebete/ dannenhero nahm er seine Zwick-
Ruthe/ und klopffete an dessen Leib/ ob er sich etwa
annoch rühren möchte. Aber siehe/ in demselben Au-
genblick kamen 6. mit Musqueten und Degen be-
waffnete Männer herzu gesprungen/ nahmen ihm
das Pferd/ und führeten ihn gefangen nach einem
kleinen Städtlein/ Colli genannt/ daselbst ward er
angeklaget/ daß er den gehangenen Juden vom Gal-
gen hätte stehlen wollen/ und daß er eben der Jenige
seyn müsse/ der schon etliche gehangene Juden auß
dem Galgen dieses Landes bey Nacht-Zeiten gestoh-
len und abgenommen hätte/ wovor er von den Juden
seine Vergeltung würde zu hoffen haben. Venereus
entschuldigte sich auf sein Bestes/ fürwendend/ daß
er durch ein Unglück an diesen Ort gerathen/ schwur
auch/ daß er sein Lebtag sich zu dergleichen aufgebür-
deten Sachen nicht gebrauchen lassen; Und bathe
also/ man möchte ihn stehenden Fusses absolviren.
Seine Richter waren 4. Männer auß diesem Städt-
lein/ und in deß Aeltesten Hauß ward er examiniret.

Dieser

Deß Academiſchen
das Pferd/ und band es an einen ſtarcken Pfahl/ den
er auf dieſem Berg fand ſtehen/ hernach legte er ſich
nieder/ und ſchlieff biß 2. Stunden nach der Sonnen-
Aufgang in den folgenden Morgen hinein. Darauf
erwachte er/ und ſahe ſich alſobald nach ſeinem Pfer-
de um/ ſolches fand er annoch nicht weit von ihm an-
gebunden/ aber an einem ſolchen Pfahl/ wie er nun-
mehro ſahe/ der eine Stuͤtze eines Galgens war/ dar-
an ein neugehengter Dieb hieng/ unter welchem er
ſein Nacht-Lager gehabt hatte. Jch glaube/ haͤtte er
ſolches vorher gewuſt/ ehe er ſich niedergeleget/ er waͤ-
re lieber die gantze Nacht uͤber Stock und Stiel fort-
geritten/ als an dieſem Ort geblieben. Er ſtund aber
auf/ und ſahe den Dieb an/ der ſo friſch außſahe/ als
wann er noch lebete/ dannenhero nahm er ſeine Zwick-
Ruthe/ und klopffete an deſſen Leib/ ob er ſich etwa
annoch ruͤhren moͤchte. Aber ſiehe/ in demſelben Au-
genblick kamen 6. mit Muſqueten und Degen be-
waffnete Maͤnner herzu geſprungen/ nahmen ihm
das Pferd/ und fuͤhreten ihn gefangen nach einem
kleinen Staͤdtlein/ Colli genannt/ daſelbſt ward er
angeklaget/ daß er den gehangenen Juden vom Gal-
gen haͤtte ſtehlen wollen/ und daß er eben der Jenige
ſeyn muͤſſe/ der ſchon etliche gehangene Juden auß
dem Galgen dieſes Landes bey Nacht-Zeiten geſtoh-
len und abgenommen haͤtte/ wovor er von den Juden
ſeine Vergeltung wuͤrde zu hoffen haben. Venereus
entſchuldigte ſich auf ſein Beſtes/ fuͤrwendend/ daß
er durch ein Ungluͤck an dieſen Ort gerathen/ ſchwur
auch/ daß er ſein Lebtag ſich zu dergleichen aufgebuͤr-
deten Sachen nicht gebrauchen laſſen; Und bathe
alſo/ man moͤchte ihn ſtehenden Fuſſes abſolviren.
Seine Richter waren 4. Maͤnner auß dieſem Staͤdt-
lein/ und in deß Aelteſten Hauß ward er examiniret.

Dieſer
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[592/0608] Deß Academiſchen das Pferd/ und band es an einen ſtarcken Pfahl/ den er auf dieſem Berg fand ſtehen/ hernach legte er ſich nieder/ und ſchlieff biß 2. Stunden nach der Sonnen- Aufgang in den folgenden Morgen hinein. Darauf erwachte er/ und ſahe ſich alſobald nach ſeinem Pfer- de um/ ſolches fand er annoch nicht weit von ihm an- gebunden/ aber an einem ſolchen Pfahl/ wie er nun- mehro ſahe/ der eine Stuͤtze eines Galgens war/ dar- an ein neugehengter Dieb hieng/ unter welchem er ſein Nacht-Lager gehabt hatte. Jch glaube/ haͤtte er ſolches vorher gewuſt/ ehe er ſich niedergeleget/ er waͤ- re lieber die gantze Nacht uͤber Stock und Stiel fort- geritten/ als an dieſem Ort geblieben. Er ſtund aber auf/ und ſahe den Dieb an/ der ſo friſch außſahe/ als wann er noch lebete/ dannenhero nahm er ſeine Zwick- Ruthe/ und klopffete an deſſen Leib/ ob er ſich etwa annoch ruͤhren moͤchte. Aber ſiehe/ in demſelben Au- genblick kamen 6. mit Muſqueten und Degen be- waffnete Maͤnner herzu geſprungen/ nahmen ihm das Pferd/ und fuͤhreten ihn gefangen nach einem kleinen Staͤdtlein/ Colli genannt/ daſelbſt ward er angeklaget/ daß er den gehangenen Juden vom Gal- gen haͤtte ſtehlen wollen/ und daß er eben der Jenige ſeyn muͤſſe/ der ſchon etliche gehangene Juden auß dem Galgen dieſes Landes bey Nacht-Zeiten geſtoh- len und abgenommen haͤtte/ wovor er von den Juden ſeine Vergeltung wuͤrde zu hoffen haben. Venereus entſchuldigte ſich auf ſein Beſtes/ fuͤrwendend/ daß er durch ein Ungluͤck an dieſen Ort gerathen/ ſchwur auch/ daß er ſein Lebtag ſich zu dergleichen aufgebuͤr- deten Sachen nicht gebrauchen laſſen; Und bathe alſo/ man moͤchte ihn ſtehenden Fuſſes abſolviren. Seine Richter waren 4. Maͤnner auß dieſem Staͤdt- lein/ und in deß Aelteſten Hauß ward er examiniret. Dieſer

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/608>, abgerufen am 22.11.2024.