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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
Schrifft und den mündlichen Unterricht in höchster Vollkommen-
heit darstellen/ und gleich gearten Lehrlingen solches vortragen.
Auß den Büchern wird man besser schreiben/ von dem Redner
besser reden lernen/ und weiß man/ daß Blinde sehr gelehrte Leu-
te worden; Die Tauben aber können durch Lesung der Bücher
wenig oder nichts ergreiffen. Ein ungedultiger Mensch/ wie die
Blut- und Gall-reichen zu seyn pflegen/ werden sich durch das
Gespräch leichtlich und lieber unterrichten lassen; Die Melan-
choli
schen und Schleim-reichen aber werden mehr Lust zu den
Büchern haben/ und sich in derselben Belernung erlusftigen.

Zu deme/ ist zu unterscheiden/ was man lehren und lernen
solle/ die Weißkunst/ die Gesetze und die Geschichte/ da man die
Jahr-Zahl/ Namen und Geschlecht bemercken muß/ studiret
sich leichter und sicherer auß den Büchern; Andere Sachen er-
heischen mündlichen Bericht und Handführung/ welche durch
die Bücher nicht füglich beschehen kan.

Dieser und dergleichen Discurse wurden von allen
denen/ die mit an der Tafel sassen/ mit wunderbarer
Vergnügung angehöret/ ohne allein der Cerebacchius
und Venereus hatten gantz andere Maximen und Ge-
dancken/ dann ein Jeder dachte nicht so sehr auf hohe
Wissenschafften/ oder weßwegen er auf den Acade-
mi
en lebe/ als auf sein sonderbares Interesse, und ei-
gensinnige Lebens-Art. Dieser zwar auf seine verlie-
bete Augen/ bald auf die hochgelehrte Carola Catha-
rina,
bald auf die schöne Ilmene; Jener aber wühle-
te in den Schüsseln/ daß nicht ein einziges Gerücht
von ihm frey außgieng. Er nahm/ auf Zuwincken deß
Printzen/ einen gantzen Calecutischen gebratenen
Hahn vor sich/ stund auf/ und sprach: Magnificentissi-
me Domine Rector,
diesen wil ich auf eure Gesund-
heit bey mich stecken. Darauf zerlegete er ihn in et-
was/ schobe aber die Stücke so gierig eines nach dem
andern in den Mund/ daß ihm derselbe schäumete/
und muste sich die gantze Gesellschafft seiner zum höch-
sten verwundern. Hierauf nahm er eine grosse silberne

Schaale/

Romans I. Buch.
Schrifft und den muͤndlichen Unterricht in hoͤchſter Vollkom̃en-
heit darſtellen/ und gleich gearten Lehrlingen ſolches vortragen.
Auß den Buͤchern wird man beſſer ſchreiben/ von dem Redner
beſſer reden lernen/ und weiß man/ daß Blinde ſehr gelehrte Leu-
te worden; Die Tauben aber koͤnnen durch Leſung der Buͤcher
wenig oder nichts ergreiffen. Ein ungedultiger Menſch/ wie die
Blut- und Gall-reichen zu ſeyn pflegen/ werden ſich durch das
Geſpraͤch leichtlich und lieber unterrichten laſſen; Die Melan-
choli
ſchen und Schleim-reichen aber werden mehr Luſt zu den
Buͤchern haben/ und ſich in derſelben Belernung erluſftigen.

Zu deme/ iſt zu unterſcheiden/ was man lehren und lernen
ſolle/ die Weißkunſt/ die Geſetze und die Geſchichte/ da man die
Jahr-Zahl/ Namen und Geſchlecht bemercken muß/ ſtudiret
ſich leichter und ſicherer auß den Buͤchern; Andere Sachen er-
heiſchen muͤndlichen Bericht und Handfuͤhrung/ welche durch
die Buͤcher nicht fuͤglich beſchehen kan.

Dieſer und dergleichen Diſcurſe wurden von allen
denen/ die mit an der Tafel ſaſſen/ mit wunderbarer
Vergnuͤgung angehoͤret/ ohne allein der Cerebacchius
und Venereus hatten gantz andere Maximen und Ge-
dancken/ dann ein Jeder dachte nicht ſo ſehr auf hohe
Wiſſenſchafften/ oder weßwegen er auf den Acade-
mi
en lebe/ als auf ſein ſonderbares Intereſſe, und ei-
genſinnige Lebens-Art. Dieſer zwar auf ſeine verlie-
bete Augen/ bald auf die hochgelehrte Carola Catha-
rina,
bald auf die ſchoͤne Ilmene; Jener aber wuͤhle-
te in den Schuͤſſeln/ daß nicht ein einziges Geruͤcht
von ihm frey außgieng. Er nahm/ auf Zuwincken deß
Printzen/ einen gantzen Calecutiſchen gebratenen
Hahn vor ſich/ ſtund auf/ und ſprach: Magnificentiſſi-
me Domine Rector,
dieſen wil ich auf eure Geſund-
heit bey mich ſtecken. Darauf zerlegete er ihn in et-
was/ ſchobe aber die Stuͤcke ſo gierig eines nach dem
andern in den Mund/ daß ihm derſelbe ſchaͤumete/
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ſten verwundern. Hierauf nahm er eine groſſe ſilberne

Schaale/
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[447/0461] Romans I. Buch. Schrifft und den muͤndlichen Unterricht in hoͤchſter Vollkom̃en- heit darſtellen/ und gleich gearten Lehrlingen ſolches vortragen. Auß den Buͤchern wird man beſſer ſchreiben/ von dem Redner beſſer reden lernen/ und weiß man/ daß Blinde ſehr gelehrte Leu- te worden; Die Tauben aber koͤnnen durch Leſung der Buͤcher wenig oder nichts ergreiffen. Ein ungedultiger Menſch/ wie die Blut- und Gall-reichen zu ſeyn pflegen/ werden ſich durch das Geſpraͤch leichtlich und lieber unterrichten laſſen; Die Melan- choliſchen und Schleim-reichen aber werden mehr Luſt zu den Buͤchern haben/ und ſich in derſelben Belernung erluſftigen. Zu deme/ iſt zu unterſcheiden/ was man lehren und lernen ſolle/ die Weißkunſt/ die Geſetze und die Geſchichte/ da man die Jahr-Zahl/ Namen und Geſchlecht bemercken muß/ ſtudiret ſich leichter und ſicherer auß den Buͤchern; Andere Sachen er- heiſchen muͤndlichen Bericht und Handfuͤhrung/ welche durch die Buͤcher nicht fuͤglich beſchehen kan. Dieſer und dergleichen Diſcurſe wurden von allen denen/ die mit an der Tafel ſaſſen/ mit wunderbarer Vergnuͤgung angehoͤret/ ohne allein der Cerebacchius und Venereus hatten gantz andere Maximen und Ge- dancken/ dann ein Jeder dachte nicht ſo ſehr auf hohe Wiſſenſchafften/ oder weßwegen er auf den Acade- mien lebe/ als auf ſein ſonderbares Intereſſe, und ei- genſinnige Lebens-Art. Dieſer zwar auf ſeine verlie- bete Augen/ bald auf die hochgelehrte Carola Catha- rina, bald auf die ſchoͤne Ilmene; Jener aber wuͤhle- te in den Schuͤſſeln/ daß nicht ein einziges Geruͤcht von ihm frey außgieng. Er nahm/ auf Zuwincken deß Printzen/ einen gantzen Calecutiſchen gebratenen Hahn vor ſich/ ſtund auf/ und ſprach: Magnificentiſſi- me Domine Rector, dieſen wil ich auf eure Geſund- heit bey mich ſtecken. Darauf zerlegete er ihn in et- was/ ſchobe aber die Stuͤcke ſo gierig eines nach dem andern in den Mund/ daß ihm derſelbe ſchaͤumete/ und muſte ſich die gantze Geſellſchafft ſeiner zum hoͤch- ſten verwundern. Hierauf nahm er eine groſſe ſilberne Schaale/

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/461>, abgerufen am 22.11.2024.