Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

Bild:
<< vorherige Seite


Erläuterung.

Eine Lehre kan den Wachsthum der Gott-
seligkeit auf eine dreyfache Art befordern. (1.)
wenn sie die Lebens-Pflichte in ihrem Umfang
ausführlich darstellt (2.) wenn sie die wahre und
überwindende Bewegungs-Gründe kund macht:
(3.) wenn sie die Mittel/ welche uns zur Ausübung
der erkannten Pflichte geschickt machen/ anzeiget.
(Erläuterung. quaest. 68.) Bey dem 1sten thut die
Dippelsche Lehr just nichts/ denn sie bleibt immer
bey dem General-Satz: liebe GOtt und den Nech-
sten (Erläut. quaest. 60.) dagegen bringt sie dem
Menschen einen irrigen Wahn bey/ als wenn sein
Unvermögen dem Umfang der Pflichte grentzen
setze. dem. Ev. p. 16. folglich läst sie den Begriff
von der Vollenkommenheit göttlicher Gebote in
menschlichen Wahn und Willkühr. Die Dip-
pel
sche Lehre von denen Bewegungs-Gründen
taugt auch nichts. Die Liebe ist die Quelle al-
ler Gottseligkeit (quaest. 63.) also befordern die
Bewegungs-Gründe üm desto mehr den Wachs-
thum der Gottseligkeit; je mehr sie eine Liebe zu
GOtt erwecken. Last uns sehen/ wie J. C. Dip-
pel
solches bewerckstelliget! Er gibt das Gebot
von der Liebe als ein consilium medicum an/ da
doch solches den Stand einer vollenkommenen
geistlichen Gesundheit voraus setzt. Eine Seele/
die in dem Stande ist/ daß sie kan GOtt über al-
les lieben ist eben so wenig kranck/ als derjenige/
welcher alles kan verrichten/ was die Natur sei-

nes
M 2


Erlaͤuterung.

Eine Lehre kan den Wachsthum der Gott-
ſeligkeit auf eine dreyfache Art befordern. (1.)
wenn ſie die Lebens-Pflichte in ihrem Umfang
ausfuͤhrlich darſtellt (2.) wenn ſie die wahre und
uͤberwindende Bewegungs-Gruͤnde kund macht:
(3.) wenn ſie die Mittel/ welche uns zur Ausuͤbung
der erkannten Pflichte geſchickt machen/ anzeiget.
(Erlaͤuterung. quæſt. 68.) Bey dem 1ſten thut die
Dippelſche Lehr juſt nichts/ denn ſie bleibt immer
bey dem General-Satz: liebe GOtt und den Nech-
ſten (Erlaͤut. quæſt. 60.) dagegen bringt ſie dem
Menſchen einen irrigen Wahn bey/ als wenn ſein
Unvermoͤgen dem Umfang der Pflichte grentzen
ſetze. dem. Ev. p. 16. folglich laͤſt ſie den Begriff
von der Vollenkommenheit goͤttlicher Gebote in
menſchlichen Wahn und Willkuͤhr. Die Dip-
pel
ſche Lehre von denen Bewegungs-Gruͤnden
taugt auch nichts. Die Liebe iſt die Quelle al-
ler Gottſeligkeit (quæſt. 63.) alſo befordern die
Bewegungs-Gruͤnde uͤm deſto mehr den Wachs-
thum der Gottſeligkeit; je mehr ſie eine Liebe zu
GOtt erwecken. Laſt uns ſehen/ wie J. C. Dip-
pel
ſolches bewerckſtelliget! Er gibt das Gebot
von der Liebe als ein conſilium medicum an/ da
doch ſolches den Stand einer vollenkommenen
geiſtlichen Geſundheit voraus ſetzt. Eine Seele/
die in dem Stande iſt/ daß ſie kan GOtt uͤber al-
les lieben iſt eben ſo wenig kranck/ als derjenige/
welcher alles kan verrichten/ was die Natur ſei-

nes
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0231" n="179"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Erla&#x0364;uterung.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Eine Lehre kan den Wachsthum der Gott-<lb/>
&#x017F;eligkeit auf eine dreyfache Art befordern. (1.)<lb/>
wenn &#x017F;ie die Lebens-Pflichte in ihrem Umfang<lb/>
ausfu&#x0364;hrlich dar&#x017F;tellt (2.) wenn &#x017F;ie die wahre und<lb/>
u&#x0364;berwindende Bewegungs-Gru&#x0364;nde kund macht:<lb/>
(3.) wenn &#x017F;ie die Mittel/ welche uns zur Ausu&#x0364;bung<lb/>
der erkannten Pflichte ge&#x017F;chickt machen/ anzeiget.<lb/>
(Erla&#x0364;uterung. <hi rendition="#aq">quæ&#x017F;t.</hi> 68.) Bey dem 1&#x017F;ten thut die<lb/><hi rendition="#aq">Dippel</hi>&#x017F;che Lehr ju&#x017F;t nichts/ denn &#x017F;ie bleibt immer<lb/>
bey dem General-Satz: liebe GOtt und den Nech-<lb/>
&#x017F;ten (Erla&#x0364;ut. <hi rendition="#aq">quæ&#x017F;t.</hi> 60.) dagegen bringt &#x017F;ie dem<lb/>
Men&#x017F;chen einen irrigen Wahn bey/ als wenn &#x017F;ein<lb/>
Unvermo&#x0364;gen dem Umfang der Pflichte grentzen<lb/>
&#x017F;etze. <hi rendition="#aq">d</hi>e<hi rendition="#aq">m. Ev. p.</hi> 16. folglich la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ie den Begriff<lb/>
von der Vollenkommenheit go&#x0364;ttlicher Gebote in<lb/>
men&#x017F;chlichen Wahn und Willku&#x0364;hr. Die <hi rendition="#aq">Dip-<lb/>
pel</hi>&#x017F;che Lehre von denen Bewegungs-Gru&#x0364;nden<lb/>
taugt auch nichts. Die Liebe i&#x017F;t die Quelle al-<lb/>
ler Gott&#x017F;eligkeit (<hi rendition="#aq">quæ&#x017F;t.</hi> 63.) al&#x017F;o befordern die<lb/>
Bewegungs-Gru&#x0364;nde u&#x0364;m de&#x017F;to mehr den Wachs-<lb/>
thum der Gott&#x017F;eligkeit; je mehr &#x017F;ie eine Liebe zu<lb/>
GOtt erwecken. La&#x017F;t uns &#x017F;ehen/ wie <hi rendition="#aq">J. C. Dip-<lb/>
pel</hi> &#x017F;olches bewerck&#x017F;telliget! Er gibt das Gebot<lb/>
von der Liebe als ein <hi rendition="#aq">con&#x017F;ilium medicum</hi> an/ da<lb/>
doch &#x017F;olches den Stand einer vollenkommenen<lb/>
gei&#x017F;tlichen Ge&#x017F;undheit voraus &#x017F;etzt. Eine Seele/<lb/>
die in dem Stande i&#x017F;t/ daß &#x017F;ie kan GOtt u&#x0364;ber al-<lb/>
les lieben i&#x017F;t eben &#x017F;o wenig kranck/ als derjenige/<lb/>
welcher alles kan verrichten/ was die Natur &#x017F;ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch">nes</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0231] Erlaͤuterung. Eine Lehre kan den Wachsthum der Gott- ſeligkeit auf eine dreyfache Art befordern. (1.) wenn ſie die Lebens-Pflichte in ihrem Umfang ausfuͤhrlich darſtellt (2.) wenn ſie die wahre und uͤberwindende Bewegungs-Gruͤnde kund macht: (3.) wenn ſie die Mittel/ welche uns zur Ausuͤbung der erkannten Pflichte geſchickt machen/ anzeiget. (Erlaͤuterung. quæſt. 68.) Bey dem 1ſten thut die Dippelſche Lehr juſt nichts/ denn ſie bleibt immer bey dem General-Satz: liebe GOtt und den Nech- ſten (Erlaͤut. quæſt. 60.) dagegen bringt ſie dem Menſchen einen irrigen Wahn bey/ als wenn ſein Unvermoͤgen dem Umfang der Pflichte grentzen ſetze. dem. Ev. p. 16. folglich laͤſt ſie den Begriff von der Vollenkommenheit goͤttlicher Gebote in menſchlichen Wahn und Willkuͤhr. Die Dip- pelſche Lehre von denen Bewegungs-Gruͤnden taugt auch nichts. Die Liebe iſt die Quelle al- ler Gottſeligkeit (quæſt. 63.) alſo befordern die Bewegungs-Gruͤnde uͤm deſto mehr den Wachs- thum der Gottſeligkeit; je mehr ſie eine Liebe zu GOtt erwecken. Laſt uns ſehen/ wie J. C. Dip- pel ſolches bewerckſtelliget! Er gibt das Gebot von der Liebe als ein conſilium medicum an/ da doch ſolches den Stand einer vollenkommenen geiſtlichen Geſundheit voraus ſetzt. Eine Seele/ die in dem Stande iſt/ daß ſie kan GOtt uͤber al- les lieben iſt eben ſo wenig kranck/ als derjenige/ welcher alles kan verrichten/ was die Natur ſei- nes M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/231
Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/231>, abgerufen am 03.12.2024.