Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.Vorrede. ihm, die Menschen in unauflößlichen Zwei-feln sollen stecken bleiben; es widerspricht dem Zeugnüß, daß er wolle, sie sollen zur Er- känntnüs der Warheit kommen. Der Be- griff von seiner Vollenkommenheit läst uns glauben, daß er seinen Sinn so klar, als möglich, ausdrucken und auf die begreiflichste Art mit uns reden wolle. Je weniger uns je- mand zu betriegen gedencket, desto deutlicher redet er. So bald einer ohne Noht figur- lich, dunckel und uneigentlich redet, läst er von sich den Argwohn, daß er seinen Leser will in Ungewißheit lassen. Daraus aber fol- get, daß man die Wörter und Redens-Ar- ten der Schrift in der eigentlichsten Bedeu- tung nehmen müsse, welche sie leyden kön- nen, das ist, solchergestalt, wie sie gewöhnlich in der Welt gebraucht werden, und wie sie sich dem Zusammenhang nach am füglichsten gebrauchen lassen. Hauptsächlich ist dieses zu beobachten, wenn man sich von denen Grund- Lehren der Seligkeit will zuverläßige Begrif- fe machen. Man würde sich in Ewigkeit der- gleichen nicht machen können, wenn mensch- licher Verstand erst daran künsteln und wie die Wörter zu verstehen, ausfündig machen solte. Ein jeglicher würde seine Auslegung für die Beste halten; wie es leyder! also in der Welt a 5
Vorrede. ihm, die Menſchen in unaufloͤßlichen Zwei-feln ſollen ſtecken bleiben; es widerſpricht dem Zeugnuͤß, daß er wolle, ſie ſollen zur Er- kaͤnntnuͤs der Warheit kommen. Der Be- griff von ſeiner Vollenkommenheit laͤſt uns glauben, daß er ſeinen Sinn ſo klar, als moͤglich, ausdrucken und auf die begreiflichſte Art mit uns reden wolle. Je weniger uns je- mand zu betriegen gedencket, deſto deutlicher redet er. So bald einer ohne Noht figur- lich, dunckel und uneigentlich redet, laͤſt er von ſich den Argwohn, daß er ſeinen Leſer will in Ungewißheit laſſen. Daraus aber fol- get, daß man die Woͤrter und Redens-Ar- ten der Schrift in der eigentlichſten Bedeu- tung nehmen muͤſſe, welche ſie leyden koͤn- nen, das iſt, ſolchergeſtalt, wie ſie gewoͤhnlich in der Welt gebraucht werden, und wie ſie ſich dem Zuſammenhang nach am fuͤglichſten gebrauchen laſſen. Hauptſaͤchlich iſt dieſes zu beobachten, wenn man ſich von denen Grund- Lehren der Seligkeit will zuverlaͤßige Begrif- fe machen. Man wuͤrde ſich in Ewigkeit der- gleichen nicht machen koͤnnen, wenn menſch- licher Verſtand erſt daran kuͤnſteln und wie die Woͤrter zu verſtehen, ausfuͤndig machen ſolte. Ein jeglicher wuͤrde ſeine Auslegung fuͤr die Beſte halten; wie es leyder! alſo in der Welt a 5
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0021" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> ihm, die Menſchen in unaufloͤßlichen Zwei-<lb/> feln ſollen ſtecken bleiben; es widerſpricht<lb/> dem Zeugnuͤß, daß er wolle, ſie ſollen zur Er-<lb/> kaͤnntnuͤs der Warheit kommen. Der Be-<lb/> griff von ſeiner Vollenkommenheit laͤſt uns<lb/> glauben, daß er ſeinen Sinn ſo klar, als<lb/> moͤglich, ausdrucken und auf die begreiflichſte<lb/> Art mit uns reden wolle. Je weniger uns je-<lb/> mand zu betriegen gedencket, deſto deutlicher<lb/> redet er. So bald einer ohne Noht figur-<lb/> lich, dunckel und uneigentlich redet, laͤſt er von<lb/> ſich den Argwohn, daß er ſeinen Leſer will<lb/> in Ungewißheit laſſen. Daraus aber fol-<lb/> get, daß man die Woͤrter und Redens-Ar-<lb/> ten der Schrift in der eigentlichſten Bedeu-<lb/> tung nehmen muͤſſe, welche ſie leyden koͤn-<lb/> nen, das iſt, ſolchergeſtalt, wie ſie gewoͤhnlich<lb/> in der Welt gebraucht werden, und wie ſie<lb/> ſich dem Zuſammenhang nach am fuͤglichſten<lb/> gebrauchen laſſen. Hauptſaͤchlich iſt dieſes zu<lb/> beobachten, wenn man ſich von denen Grund-<lb/> Lehren der Seligkeit will zuverlaͤßige Begrif-<lb/> fe machen. Man wuͤrde ſich in Ewigkeit der-<lb/> gleichen nicht machen koͤnnen, wenn menſch-<lb/> licher Verſtand erſt daran kuͤnſteln und wie<lb/> die Woͤrter zu verſtehen, ausfuͤndig machen<lb/> ſolte. Ein jeglicher wuͤrde ſeine Auslegung<lb/> fuͤr die Beſte halten; wie es leyder! alſo in der<lb/> <fw place="bottom" type="sig">a 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Welt</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [9/0021]
Vorrede.
ihm, die Menſchen in unaufloͤßlichen Zwei-
feln ſollen ſtecken bleiben; es widerſpricht
dem Zeugnuͤß, daß er wolle, ſie ſollen zur Er-
kaͤnntnuͤs der Warheit kommen. Der Be-
griff von ſeiner Vollenkommenheit laͤſt uns
glauben, daß er ſeinen Sinn ſo klar, als
moͤglich, ausdrucken und auf die begreiflichſte
Art mit uns reden wolle. Je weniger uns je-
mand zu betriegen gedencket, deſto deutlicher
redet er. So bald einer ohne Noht figur-
lich, dunckel und uneigentlich redet, laͤſt er von
ſich den Argwohn, daß er ſeinen Leſer will
in Ungewißheit laſſen. Daraus aber fol-
get, daß man die Woͤrter und Redens-Ar-
ten der Schrift in der eigentlichſten Bedeu-
tung nehmen muͤſſe, welche ſie leyden koͤn-
nen, das iſt, ſolchergeſtalt, wie ſie gewoͤhnlich
in der Welt gebraucht werden, und wie ſie
ſich dem Zuſammenhang nach am fuͤglichſten
gebrauchen laſſen. Hauptſaͤchlich iſt dieſes zu
beobachten, wenn man ſich von denen Grund-
Lehren der Seligkeit will zuverlaͤßige Begrif-
fe machen. Man wuͤrde ſich in Ewigkeit der-
gleichen nicht machen koͤnnen, wenn menſch-
licher Verſtand erſt daran kuͤnſteln und wie
die Woͤrter zu verſtehen, ausfuͤndig machen
ſolte. Ein jeglicher wuͤrde ſeine Auslegung
fuͤr die Beſte halten; wie es leyder! alſo in der
Welt
a 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |