Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.handelung mitzutheilen. Der menschliche Glück- stand/ wenn wir solchen dem Genuß nach betrach- ten/ ist nichts anders als eine beständige Folge angenehmer Empfindungen unsers Geistes/ aus welchen niemahls Unangenehme den Ursprung nehmen und entstehen können. Also störet eine jede schmertzliche Empfindung unsern Glück- stand/ und wird mit Recht ein Ubel des Leidens genannt. Dieß Ubel ist um desto grösser/ je we- niger es dazu dienen kan/ daß wir wiederum zu dem Genuß angenehmer und sel. Empfindungen gelangen mögen/ und wenn es dem Menschen da- zu gar nicht dienlich/ so ist es ein Ubel in dem äus- sersten Grad/ und macht den Menschen völlig e- lend und unselig. Hieraus läst sich nun beur- theilen/ was man eigentlich eine Straffe nennen könne. Sie ist ein Stand schmertzlicher Empfin- dungen/ darin Gott die Ubertreter seiner Gebo- te gerahten läst/ um sein Mißgefallen an dem Bösen zu offenbaren. Weil aber die schmertzliche Empfindungen oder das Ubel des Leydens von zweyerley Gattung/ da man zu der einen diejeni- ge rechnen kan/ welche dazu dienen/ daß wir wie- derum zu den Stand des Vergnügens gelangen: zu der andern aber diejenige/ welche darzu nicht beforderlich seyn können; so lässet sich daher be- urtheilen/ wie fest der Unterscheid inter justitiam punitivam correctivam & vindicativam gegründet sey. Dasich nun in beeden Gattungen das göttl. Mißgefallen über dem moralischen Bösen äussern muß.
handelung mitzutheilen. Der menſchliche Gluͤck- ſtand/ wenn wir ſolchen dem Genuß nach betrach- ten/ iſt nichts anders als eine beſtaͤndige Folge angenehmer Empfindungen unſers Geiſtes/ aus welchen niemahls Unangenehme den Urſprung nehmen und entſtehen koͤnnen. Alſo ſtoͤret eine jede ſchmertzliche Empfindung unſern Gluͤck- ſtand/ und wird mit Recht ein Ubel des Leidens genannt. Dieß Ubel iſt um deſto groͤſſer/ je we- niger es dazu dienen kan/ daß wir wiederum zu dem Genuß angenehmer und ſel. Empfindungen gelangen moͤgen/ und wenn es dem Menſchen da- zu gar nicht dienlich/ ſo iſt es ein Ubel in dem aͤuſ- ſerſten Grad/ und macht den Menſchen voͤllig e- lend und unſelig. Hieraus laͤſt ſich nun beur- theilen/ was man eigentlich eine Straffe nennen koͤnne. Sie iſt ein Stand ſchmertzlicher Empfin- dungen/ darin Gott die Ubertreter ſeiner Gebo- te gerahten laͤſt/ um ſein Mißgefallen an dem Boͤſen zu offenbaren. Weil aber die ſchmertzliche Empfindungen oder das Ubel des Leydens von zweyerley Gattung/ da man zu der einen diejeni- ge rechnen kan/ welche dazu dienen/ daß wir wie- derum zu den Stand des Vergnuͤgens gelangen: zu der andern aber diejenige/ welche darzu nicht beforderlich ſeyn koͤnnen; ſo laͤſſet ſich daher be- urtheilen/ wie feſt der Unterſcheid inter juſtitiam punitivam correctivam & vindicativam gegruͤndet ſey. Daſich nun in beeden Gattungen das goͤttl. Mißgefallen uͤber dem moraliſchen Boͤſen aͤuſſern muß.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0100" n="48"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> handelung mitzutheilen. Der menſchliche Gluͤck-<lb/> ſtand/ wenn wir ſolchen dem Genuß nach betrach-<lb/> ten/ iſt nichts anders als eine beſtaͤndige Folge<lb/> angenehmer Empfindungen unſers Geiſtes/ aus<lb/> welchen niemahls Unangenehme den Urſprung<lb/> nehmen und entſtehen koͤnnen. Alſo ſtoͤret eine<lb/> jede <hi rendition="#fr">ſchmertzliche Empfindung</hi> unſern Gluͤck-<lb/> ſtand/ und wird mit Recht <hi rendition="#fr">ein Ubel des Leidens</hi><lb/> genannt. Dieß Ubel iſt um deſto groͤſſer/ je we-<lb/> niger es dazu dienen kan/ daß wir wiederum zu<lb/> dem Genuß angenehmer und ſel. Empfindungen<lb/> gelangen moͤgen/ und wenn es dem Menſchen da-<lb/> zu gar nicht dienlich/ ſo iſt es ein Ubel in dem aͤuſ-<lb/> ſerſten Grad/ und macht den Menſchen voͤllig e-<lb/> lend und unſelig. Hieraus laͤſt ſich nun beur-<lb/> theilen/ was man eigentlich eine <hi rendition="#fr">Straffe</hi> nennen<lb/> koͤnne. Sie <hi rendition="#fr">iſt ein Stand ſchmertzlicher Empfin-<lb/> dungen/ darin Gott die Ubertreter ſeiner Gebo-<lb/> te gerahten laͤſt/ um ſein Mißgefallen an dem<lb/> Boͤſen zu offenbaren.</hi> Weil aber die ſchmertzliche<lb/> Empfindungen oder das Ubel des Leydens von<lb/> zweyerley Gattung/ da man zu der einen diejeni-<lb/> ge rechnen kan/ welche dazu dienen/ daß wir wie-<lb/> derum zu den Stand des Vergnuͤgens gelangen:<lb/> zu der andern aber diejenige/ welche darzu nicht<lb/> beforderlich ſeyn koͤnnen; ſo laͤſſet ſich daher be-<lb/> urtheilen/ wie feſt der Unterſcheid <hi rendition="#aq">inter juſtitiam<lb/> punitivam correctivam & vindicativam</hi> gegruͤndet<lb/> ſey. Daſich nun in beeden Gattungen das goͤttl.<lb/> Mißgefallen uͤber dem <hi rendition="#aq">morali</hi>ſchen Boͤſen aͤuſſern<lb/> <fw place="bottom" type="catch">muß.</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [48/0100]
handelung mitzutheilen. Der menſchliche Gluͤck-
ſtand/ wenn wir ſolchen dem Genuß nach betrach-
ten/ iſt nichts anders als eine beſtaͤndige Folge
angenehmer Empfindungen unſers Geiſtes/ aus
welchen niemahls Unangenehme den Urſprung
nehmen und entſtehen koͤnnen. Alſo ſtoͤret eine
jede ſchmertzliche Empfindung unſern Gluͤck-
ſtand/ und wird mit Recht ein Ubel des Leidens
genannt. Dieß Ubel iſt um deſto groͤſſer/ je we-
niger es dazu dienen kan/ daß wir wiederum zu
dem Genuß angenehmer und ſel. Empfindungen
gelangen moͤgen/ und wenn es dem Menſchen da-
zu gar nicht dienlich/ ſo iſt es ein Ubel in dem aͤuſ-
ſerſten Grad/ und macht den Menſchen voͤllig e-
lend und unſelig. Hieraus laͤſt ſich nun beur-
theilen/ was man eigentlich eine Straffe nennen
koͤnne. Sie iſt ein Stand ſchmertzlicher Empfin-
dungen/ darin Gott die Ubertreter ſeiner Gebo-
te gerahten laͤſt/ um ſein Mißgefallen an dem
Boͤſen zu offenbaren. Weil aber die ſchmertzliche
Empfindungen oder das Ubel des Leydens von
zweyerley Gattung/ da man zu der einen diejeni-
ge rechnen kan/ welche dazu dienen/ daß wir wie-
derum zu den Stand des Vergnuͤgens gelangen:
zu der andern aber diejenige/ welche darzu nicht
beforderlich ſeyn koͤnnen; ſo laͤſſet ſich daher be-
urtheilen/ wie feſt der Unterſcheid inter juſtitiam
punitivam correctivam & vindicativam gegruͤndet
ſey. Daſich nun in beeden Gattungen das goͤttl.
Mißgefallen uͤber dem moraliſchen Boͤſen aͤuſſern
muß.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |