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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Geschichtschreibung.
Tode (1195) reicht die welfisch gefärbte Chronik des Propstes Gerhard v.
Steterburg (b. Wolfenbüttel). Für den neuen Kampf des Welfen Otto IV.
gegen die Staufer findet man wertvolle ältere Berichte in späteren thürin-
gischen Geschichtswerken, nämlich für die Zeit bis 1208 in der Erfurter
St. Peterschronik
, einer bedeutenden Kompilation, die um 1276 entstand
und bis weit in das 14. Jahrh. fortgeführt wurde, und für die Jahre 1209
bis 1215 in der ähnlich gearteten Chronik v. Reinhardsbrunn (b. Gotha),
die im ganzen bis 1338 reicht. Beide sind für die gesamte ausgehende Staufer-
zeit von hoher Bedeutung. Über ihre Struktur im einzelnen unterrichtet
Holder-Egger in M. G. SS. XXX u. SS. r. G. Mon. Erphesfurtensia. Mehr
lokalen Charakter trägt die Chronik des Klosters auf dem Lauterberg
(od. Petersberg) b. Halle bis 1225. Eine von einem norddeutschen Geist-
lichen verfaßte "sächsische Weltchronik", in verschiedenen Versionen,
deren letzte bis 1248 reicht, und mit mehreren, auch süddeutschen Fort-
setzungen ist namentlich durch den Gebrauch niederdeutscher Prosa beachtens-
wert; eine etwa hundert Jahre ältere sächsische Kaiserchronik ist ver-
loren, aber eine süddeutsche, ebenfalls auf welfischem Boden in Regensburg
entstandene Kaiserchronik in deutschen Versen bis 1146 erhalten, verfaßt
wahrscheinlich von dem "Pfaffen Konrad", dem Dichter des Rolandsliedes.
Als den letzten Ausläufer der sächsischen Annalistik kann man die kompi-
latorische Chronik des Magisters Albert v. Stade bis 1256 betrachten,
vielfach unzuverlässig und fabelnd, aber für die Zeit Friedrichs II. trotzdem
wertvoll.

Wendet man sich zu dem andern staufischen Zentrum der Historio-
graphie, nach Süd- und Westdeutschland, so wird man mit dem Bischof Otto
v. Freising
sogleich auf den Gipfel der mittelalterlichen deutschen Geschicht-
schreibung geführt. Nicht vor 1111 als Sohn des Markgrafen Leopold v.
Österreich und Agnes, der Tochter Heinrichs IV., geboren, 1133 Zisterzienser-
mönch, kurze Zeit auch Abt in Morimond, dann zu seinem Bistum berufen,
1158 gestorben, war Otto als philosophisch durchgebildeter Gelehrter, ruhiger
Beobachter, praktisch an der Zeitgeschichte beteiligter Reichsbischof und
nächster Verwandter der Staufer in seltenem Maße zur Geschichtschreibung
befähigt. In seiner "Buch von den zwei Reichen" (dem himmlischen und
irdischen) betitelten Chronik bis 1146 (2. Redaktion 1156) wußte er unter
dem Einfluß augustinischer Ideen von dem Wachstum des Gottesreiches auf
Erden den zuletzt von Frutolf-Ekkehard gesammelten Weltgeschichtstoff philo-
sophisch zu durchdringen, freilich durch das Mißverhältnis zwischen kirch-
licher und staatlicher Gewalt unter Konrad III. von dem düstersten Pessimis-
mus und dem Glauben an ein nahes Weltende erfüllt, dessen Hereinbrechen
im letzten Buche geschildert wird (neue Ausgabe für die SS. r. G. in Vor-
bereitung). Eine völlig andre, hoffnungsfreudige Stimmung beherrscht Ottos
zweites Werk, die Taten Kaiser Friedrichs, zu dem Kaiser und Reichs-
kanzlei Material beisteuerten (SS. r. G. ed. II). Von der Vorgeschichte des
staufischen Geschlechts ausgehend, hat er noch das zweite Buch bis 1156
vollendet und für ein drittes Vorarbeiten hinterlassen: bei aller selbstverständ-
lichen Parteinahme für Friedrich, gelegentlichen Versehen und ungeschickt
eingefügten philosophischen Exkursen eine erstklassige Leistung! Ihr ist die
von seinem Kaplan, dem Notar Rahewin verfaßte Fortsetzung bis 1160 (mit
kurzem Anhang bis 1170) nahezu ebenbürtig, in der Formgebung durch stärkere
Plünderung antiker Autoren unechter, aber durch schärfere juristische Kenntnis
und vermehrte Einreihung vollständiger Aktenstücke ausgezeichnet. Die Chronik
dagegen ist erst in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrh. bis 1209 fortgeführt
von dem Mönche Otto v. St. Blasien, lebhaft und warm, durchaus ver-
dienstvoll, aber an Kenntnis und Genauigkeit mit Rahewin nicht entfernt ver-

II. Geschichtschreibung.
Tode (1195) reicht die welfisch gefärbte Chronik des Propstes Gerhard v.
Steterburg (b. Wolfenbüttel). Für den neuen Kampf des Welfen Otto IV.
gegen die Staufer findet man wertvolle ältere Berichte in späteren thürin-
gischen Geschichtswerken, nämlich für die Zeit bis 1208 in der Erfurter
St. Peterschronik
, einer bedeutenden Kompilation, die um 1276 entstand
und bis weit in das 14. Jahrh. fortgeführt wurde, und für die Jahre 1209
bis 1215 in der ähnlich gearteten Chronik v. Reinhardsbrunn (b. Gotha),
die im ganzen bis 1338 reicht. Beide sind für die gesamte ausgehende Staufer-
zeit von hoher Bedeutung. Über ihre Struktur im einzelnen unterrichtet
Holder-Egger in M. G. SS. XXX u. SS. r. G. Mon. Erphesfurtensia. Mehr
lokalen Charakter trägt die Chronik des Klosters auf dem Lauterberg
(od. Petersberg) b. Halle bis 1225. Eine von einem norddeutschen Geist-
lichen verfaßte „sächsische Weltchronik“, in verschiedenen Versionen,
deren letzte bis 1248 reicht, und mit mehreren, auch süddeutschen Fort-
setzungen ist namentlich durch den Gebrauch niederdeutscher Prosa beachtens-
wert; eine etwa hundert Jahre ältere sächsische Kaiserchronik ist ver-
loren, aber eine süddeutsche, ebenfalls auf welfischem Boden in Regensburg
entstandene Kaiserchronik in deutschen Versen bis 1146 erhalten, verfaßt
wahrscheinlich von dem „Pfaffen Konrad“, dem Dichter des Rolandsliedes.
Als den letzten Ausläufer der sächsischen Annalistik kann man die kompi-
latorische Chronik des Magisters Albert v. Stade bis 1256 betrachten,
vielfach unzuverlässig und fabelnd, aber für die Zeit Friedrichs II. trotzdem
wertvoll.

Wendet man sich zu dem andern staufischen Zentrum der Historio-
graphie, nach Süd- und Westdeutschland, so wird man mit dem Bischof Otto
v. Freising
sogleich auf den Gipfel der mittelalterlichen deutschen Geschicht-
schreibung geführt. Nicht vor 1111 als Sohn des Markgrafen Leopold v.
Österreich und Agnes, der Tochter Heinrichs IV., geboren, 1133 Zisterzienser-
mönch, kurze Zeit auch Abt in Morimond, dann zu seinem Bistum berufen,
1158 gestorben, war Otto als philosophisch durchgebildeter Gelehrter, ruhiger
Beobachter, praktisch an der Zeitgeschichte beteiligter Reichsbischof und
nächster Verwandter der Staufer in seltenem Maße zur Geschichtschreibung
befähigt. In seiner „Buch von den zwei Reichen“ (dem himmlischen und
irdischen) betitelten Chronik bis 1146 (2. Redaktion 1156) wußte er unter
dem Einfluß augustinischer Ideen von dem Wachstum des Gottesreiches auf
Erden den zuletzt von Frutolf-Ekkehard gesammelten Weltgeschichtstoff philo-
sophisch zu durchdringen, freilich durch das Mißverhältnis zwischen kirch-
licher und staatlicher Gewalt unter Konrad III. von dem düstersten Pessimis-
mus und dem Glauben an ein nahes Weltende erfüllt, dessen Hereinbrechen
im letzten Buche geschildert wird (neue Ausgabe für die SS. r. G. in Vor-
bereitung). Eine völlig andre, hoffnungsfreudige Stimmung beherrscht Ottos
zweites Werk, die Taten Kaiser Friedrichs, zu dem Kaiser und Reichs-
kanzlei Material beisteuerten (SS. r. G. ed. II). Von der Vorgeschichte des
staufischen Geschlechts ausgehend, hat er noch das zweite Buch bis 1156
vollendet und für ein drittes Vorarbeiten hinterlassen: bei aller selbstverständ-
lichen Parteinahme für Friedrich, gelegentlichen Versehen und ungeschickt
eingefügten philosophischen Exkursen eine erstklassige Leistung! Ihr ist die
von seinem Kaplan, dem Notar Rahewin verfaßte Fortsetzung bis 1160 (mit
kurzem Anhang bis 1170) nahezu ebenbürtig, in der Formgebung durch stärkere
Plünderung antiker Autoren unechter, aber durch schärfere juristische Kenntnis
und vermehrte Einreihung vollständiger Aktenstücke ausgezeichnet. Die Chronik
dagegen ist erst in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrh. bis 1209 fortgeführt
von dem Mönche Otto v. St. Blasien, lebhaft und warm, durchaus ver-
dienstvoll, aber an Kenntnis und Genauigkeit mit Rahewin nicht entfernt ver-

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[85/0093] II. Geschichtschreibung. Tode (1195) reicht die welfisch gefärbte Chronik des Propstes Gerhard v. Steterburg (b. Wolfenbüttel). Für den neuen Kampf des Welfen Otto IV. gegen die Staufer findet man wertvolle ältere Berichte in späteren thürin- gischen Geschichtswerken, nämlich für die Zeit bis 1208 in der Erfurter St. Peterschronik, einer bedeutenden Kompilation, die um 1276 entstand und bis weit in das 14. Jahrh. fortgeführt wurde, und für die Jahre 1209 bis 1215 in der ähnlich gearteten Chronik v. Reinhardsbrunn (b. Gotha), die im ganzen bis 1338 reicht. Beide sind für die gesamte ausgehende Staufer- zeit von hoher Bedeutung. Über ihre Struktur im einzelnen unterrichtet Holder-Egger in M. G. SS. XXX u. SS. r. G. Mon. Erphesfurtensia. Mehr lokalen Charakter trägt die Chronik des Klosters auf dem Lauterberg (od. Petersberg) b. Halle bis 1225. Eine von einem norddeutschen Geist- lichen verfaßte „sächsische Weltchronik“, in verschiedenen Versionen, deren letzte bis 1248 reicht, und mit mehreren, auch süddeutschen Fort- setzungen ist namentlich durch den Gebrauch niederdeutscher Prosa beachtens- wert; eine etwa hundert Jahre ältere sächsische Kaiserchronik ist ver- loren, aber eine süddeutsche, ebenfalls auf welfischem Boden in Regensburg entstandene Kaiserchronik in deutschen Versen bis 1146 erhalten, verfaßt wahrscheinlich von dem „Pfaffen Konrad“, dem Dichter des Rolandsliedes. Als den letzten Ausläufer der sächsischen Annalistik kann man die kompi- latorische Chronik des Magisters Albert v. Stade bis 1256 betrachten, vielfach unzuverlässig und fabelnd, aber für die Zeit Friedrichs II. trotzdem wertvoll. Wendet man sich zu dem andern staufischen Zentrum der Historio- graphie, nach Süd- und Westdeutschland, so wird man mit dem Bischof Otto v. Freising sogleich auf den Gipfel der mittelalterlichen deutschen Geschicht- schreibung geführt. Nicht vor 1111 als Sohn des Markgrafen Leopold v. Österreich und Agnes, der Tochter Heinrichs IV., geboren, 1133 Zisterzienser- mönch, kurze Zeit auch Abt in Morimond, dann zu seinem Bistum berufen, 1158 gestorben, war Otto als philosophisch durchgebildeter Gelehrter, ruhiger Beobachter, praktisch an der Zeitgeschichte beteiligter Reichsbischof und nächster Verwandter der Staufer in seltenem Maße zur Geschichtschreibung befähigt. In seiner „Buch von den zwei Reichen“ (dem himmlischen und irdischen) betitelten Chronik bis 1146 (2. Redaktion 1156) wußte er unter dem Einfluß augustinischer Ideen von dem Wachstum des Gottesreiches auf Erden den zuletzt von Frutolf-Ekkehard gesammelten Weltgeschichtstoff philo- sophisch zu durchdringen, freilich durch das Mißverhältnis zwischen kirch- licher und staatlicher Gewalt unter Konrad III. von dem düstersten Pessimis- mus und dem Glauben an ein nahes Weltende erfüllt, dessen Hereinbrechen im letzten Buche geschildert wird (neue Ausgabe für die SS. r. G. in Vor- bereitung). Eine völlig andre, hoffnungsfreudige Stimmung beherrscht Ottos zweites Werk, die Taten Kaiser Friedrichs, zu dem Kaiser und Reichs- kanzlei Material beisteuerten (SS. r. G. ed. II). Von der Vorgeschichte des staufischen Geschlechts ausgehend, hat er noch das zweite Buch bis 1156 vollendet und für ein drittes Vorarbeiten hinterlassen: bei aller selbstverständ- lichen Parteinahme für Friedrich, gelegentlichen Versehen und ungeschickt eingefügten philosophischen Exkursen eine erstklassige Leistung! Ihr ist die von seinem Kaplan, dem Notar Rahewin verfaßte Fortsetzung bis 1160 (mit kurzem Anhang bis 1170) nahezu ebenbürtig, in der Formgebung durch stärkere Plünderung antiker Autoren unechter, aber durch schärfere juristische Kenntnis und vermehrte Einreihung vollständiger Aktenstücke ausgezeichnet. Die Chronik dagegen ist erst in den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrh. bis 1209 fortgeführt von dem Mönche Otto v. St. Blasien, lebhaft und warm, durchaus ver- dienstvoll, aber an Kenntnis und Genauigkeit mit Rahewin nicht entfernt ver-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/93>, abgerufen am 30.04.2024.