§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106-1125).
Fürsten zu befürchten, nur das Eigentum des Königs am Reichs- kirchengute sollte in der unzweideutigsten Weise zur Anerkennung gebracht werden.
Trotzdem erhob sich freilich am 12. Februar in der Peters- kirche ein Sturm des Unwillens, als nach dem kaiserlichen Bericht auf die Investitur die päpstliche Preisgabe der Regalien verkündet wurde. Nur zu bald zeigte es sich, wie wenig der schwache Paschalis Herr der Lage war. Da hat der durch äußere Angriffe der Römer auf die Peterskirche mißtrauisch gewordene König, der schon dereinst seinem Vater gegenüber genugsam bewiesen hatte, daß er für Regungen der Pietät unzugänglich war, den Papst, als er sich weigerte, ihm das preisgegebene Investiturrecht zurückzu- geben und die Kaiserkrönung zu vollziehen, samt dreizehn Kardi- nälen gefangen genommen und durch das tobende Rom nach dem sicheren Alba geführt.
Die weiteren Verhandlungen mit dem Gefangenen verglich Heinrich selbst zynisch dem Ringen des Patriarchen Jakob mit dem Engel des Herrn: "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn". Schon im April erfüllte der Papst, um seine Freiheit wiederzuerlangen, im Vertrage von Ponte Mammolo alle Forderungen des Königs: die unbeschränkte Investitur als kaiserliches Vorrecht, die Kaiserkrönung und die Zusage völliger Amnestie wegen der letzten Vorgänge, insbesondere das eidliche Versprechen, niemals den Bann über Heinrich zu verhängen. Wer mit Hauck den Ab- schluß dieses Vertrages als einen der größten politischen Fehler Heinrichs betrachtet, da Paschalis angesichts des kirchlichen Wider- standes gar nicht in der Lage gewesen sei, ihn durchzuführen, dem dürfte es doch schwer fallen, anzugeben, wie er denn anders hätte handeln sollen. Etwa dem Papste durch dauernde Haft die pro- pagandistische Kraft des Märtyrertums verleihen und der allge- meinen Empörung darüber Zeit lassen zur Organisation? Man übersieht nur zu leicht, daß das Papsttum mindestens seit der Kirchenreform kein gewöhnlicher politischer Gegner und durch Ge- walt allein niemals zu bezwingen war. Heinrich hat vielmehr auch hier gezeigt, daß er seinen Vorteil in vollem Umfange wahrzu- nehmen verstand. Was er erreichte, war das Höchste, das seit der Mitte des elften Jahrhunderts jemals ein deutscher Herrscher dem Papsttum gegenüber durchgesetzt hat. Er erlangte den Voll- zug der Kaiserkrönung; er hat die Form der Zusicherungen so klug auf die ängstliche Natur des Papstes berechnet, daß dieser erst allmählich dahin gebracht werden konnte, den Vertrag unum- wunden als erzwungen zu kassieren (1116) und sich stets gescheut hat, gegen seinen Eid den Kaiser zu bannen. Er hat endlich
§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106‒1125).
Fürsten zu befürchten, nur das Eigentum des Königs am Reichs- kirchengute sollte in der unzweideutigsten Weise zur Anerkennung gebracht werden.
Trotzdem erhob sich freilich am 12. Februar in der Peters- kirche ein Sturm des Unwillens, als nach dem kaiserlichen Bericht auf die Investitur die päpstliche Preisgabe der Regalien verkündet wurde. Nur zu bald zeigte es sich, wie wenig der schwache Paschalis Herr der Lage war. Da hat der durch äußere Angriffe der Römer auf die Peterskirche mißtrauisch gewordene König, der schon dereinst seinem Vater gegenüber genugsam bewiesen hatte, daß er für Regungen der Pietät unzugänglich war, den Papst, als er sich weigerte, ihm das preisgegebene Investiturrecht zurückzu- geben und die Kaiserkrönung zu vollziehen, samt dreizehn Kardi- nälen gefangen genommen und durch das tobende Rom nach dem sicheren Alba geführt.
Die weiteren Verhandlungen mit dem Gefangenen verglich Heinrich selbst zynisch dem Ringen des Patriarchen Jakob mit dem Engel des Herrn: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn“. Schon im April erfüllte der Papst, um seine Freiheit wiederzuerlangen, im Vertrage von Ponte Mammolo alle Forderungen des Königs: die unbeschränkte Investitur als kaiserliches Vorrecht, die Kaiserkrönung und die Zusage völliger Amnestie wegen der letzten Vorgänge, insbesondere das eidliche Versprechen, niemals den Bann über Heinrich zu verhängen. Wer mit Hauck den Ab- schluß dieses Vertrages als einen der größten politischen Fehler Heinrichs betrachtet, da Paschalis angesichts des kirchlichen Wider- standes gar nicht in der Lage gewesen sei, ihn durchzuführen, dem dürfte es doch schwer fallen, anzugeben, wie er denn anders hätte handeln sollen. Etwa dem Papste durch dauernde Haft die pro- pagandistische Kraft des Märtyrertums verleihen und der allge- meinen Empörung darüber Zeit lassen zur Organisation? Man übersieht nur zu leicht, daß das Papsttum mindestens seit der Kirchenreform kein gewöhnlicher politischer Gegner und durch Ge- walt allein niemals zu bezwingen war. Heinrich hat vielmehr auch hier gezeigt, daß er seinen Vorteil in vollem Umfange wahrzu- nehmen verstand. Was er erreichte, war das Höchste, das seit der Mitte des elften Jahrhunderts jemals ein deutscher Herrscher dem Papsttum gegenüber durchgesetzt hat. Er erlangte den Voll- zug der Kaiserkrönung; er hat die Form der Zusicherungen so klug auf die ängstliche Natur des Papstes berechnet, daß dieser erst allmählich dahin gebracht werden konnte, den Vertrag unum- wunden als erzwungen zu kassieren (1116) und sich stets gescheut hat, gegen seinen Eid den Kaiser zu bannen. Er hat endlich
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§ 7. Heinrich V. und das Ende des Investiturstreits. (1106‒1125).
Fürsten zu befürchten, nur das Eigentum des Königs am Reichs-
kirchengute sollte in der unzweideutigsten Weise zur Anerkennung
gebracht werden.
Trotzdem erhob sich freilich am 12. Februar in der Peters-
kirche ein Sturm des Unwillens, als nach dem kaiserlichen Bericht
auf die Investitur die päpstliche Preisgabe der Regalien verkündet
wurde. Nur zu bald zeigte es sich, wie wenig der schwache
Paschalis Herr der Lage war. Da hat der durch äußere Angriffe
der Römer auf die Peterskirche mißtrauisch gewordene König, der
schon dereinst seinem Vater gegenüber genugsam bewiesen hatte,
daß er für Regungen der Pietät unzugänglich war, den Papst, als
er sich weigerte, ihm das preisgegebene Investiturrecht zurückzu-
geben und die Kaiserkrönung zu vollziehen, samt dreizehn Kardi-
nälen gefangen genommen und durch das tobende Rom nach dem
sicheren Alba geführt.
Die weiteren Verhandlungen mit dem Gefangenen verglich
Heinrich selbst zynisch dem Ringen des Patriarchen Jakob mit
dem Engel des Herrn: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich
denn“. Schon im April erfüllte der Papst, um seine Freiheit
wiederzuerlangen, im Vertrage von Ponte Mammolo alle Forderungen
des Königs: die unbeschränkte Investitur als kaiserliches Vorrecht,
die Kaiserkrönung und die Zusage völliger Amnestie wegen der
letzten Vorgänge, insbesondere das eidliche Versprechen, niemals
den Bann über Heinrich zu verhängen. Wer mit Hauck den Ab-
schluß dieses Vertrages als einen der größten politischen Fehler
Heinrichs betrachtet, da Paschalis angesichts des kirchlichen Wider-
standes gar nicht in der Lage gewesen sei, ihn durchzuführen, dem
dürfte es doch schwer fallen, anzugeben, wie er denn anders hätte
handeln sollen. Etwa dem Papste durch dauernde Haft die pro-
pagandistische Kraft des Märtyrertums verleihen und der allge-
meinen Empörung darüber Zeit lassen zur Organisation? Man
übersieht nur zu leicht, daß das Papsttum mindestens seit der
Kirchenreform kein gewöhnlicher politischer Gegner und durch Ge-
walt allein niemals zu bezwingen war. Heinrich hat vielmehr auch
hier gezeigt, daß er seinen Vorteil in vollem Umfange wahrzu-
nehmen verstand. Was er erreichte, war das Höchste, das seit
der Mitte des elften Jahrhunderts jemals ein deutscher Herrscher
dem Papsttum gegenüber durchgesetzt hat. Er erlangte den Voll-
zug der Kaiserkrönung; er hat die Form der Zusicherungen so
klug auf die ängstliche Natur des Papstes berechnet, daß dieser
erst allmählich dahin gebracht werden konnte, den Vertrag unum-
wunden als erzwungen zu kassieren (1116) und sich stets gescheut
hat, gegen seinen Eid den Kaiser zu bannen. Er hat endlich
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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/83>, abgerufen am 16.07.2024.
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