Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075-1085).
Herzog Rudolf von Rheinfelden, einen Schwager Heinrichs, zum
Gegenkönig. Es war ein erster Sieg des freien Wahlrechtes über
Erblichkeit und Legitimität. Wenn auch Gregor sich im Augenblick
zurückhielt und seinen Legaten in Forchheim eine neutrale Haltung
gebot, so war dieser Sieg doch nur möglich geworden durch das
Zusammenwirken von Partikularismus und Papsttum, und diesen
beiden Mächten hatte das neue Königtum die Kosten zu zahlen:
den Fürsten durch Verzicht auf jede Erblichkeit der Krone, der
Kurie durch das Zugeständnis der freien Bischofswahlen.1) Und
auch darüber hinaus erklärte sich Rudolf dem Papste gegenüber zu
jeglichem Gehorsam bereit. So drohte dem Reiche bereits damals
ein Schattenkönigtum ähnlich dem eines Adolf von Nassau. Aber
noch besaß das legitime Herrscherhaus überlegene Kräfte. Mit der
Rückkehr Heinrichs nach Deutschland und der dort von ihm aus-
gesprochenen Absetzung der süddeutschen Herzöge begann der
offene Bürgerkrieg.

Es gilt hier nicht, allen kriegerischen und diplomatischen
Schwankungen desselben zu folgen, sondern nur das Wesentlichste
herauszuheben. Der eigentliche Herd des Widerstandes blieb Sachsen,
wohin sich auch der Gegenkönig wandte. Überaus hart umstritten
und furchtbar verwüstet ward Schwaben. Es war das Herzogtum
Rudolfs, der diese Würde bald seinem Sohne Berthold überließ;
dort lagen die Hauptbesitzungen der beiden andern abgesetzten
Herzöge, des bayerischen Welf und des Zähringers Berthold von
Kärnthen, dort war das Wirkungsgebiet der Hirschauer Mönche.
Aber auch Gut und Anhang des Königs waren da beträchtlich,
und Heinrich schuf sich nun einen getreuen Anwalt in dem Grafen
Friedrich von Büren, dem er das Herzogtum Schwaben übertrug
und sein Töchterchen Agnes verlobte (1079). Es war gleichsam
ein Symbol für das Emporstreben des neuen Geschlechtes, daß es
seinen Sitz von dem engen, kleinen "Wäscherschlößchen" Büren,
das heute die umliegenden Gehöfte kaum überragt, hinaufverlegte
auf den stolzen Gipfel des Hohenstaufen; im Kampf für das legitime
Königshaus gegen Partikularismus und Papsttum betraten die Staufer
zuerst den Schauplatz der Geschichte. -- Das natürliche Streben
der Aufständischen in Sachsen und Schwaben ging dahin, sich die
Hand zu reichen. Indem Heinrich zwischen sie trat, fielen die
Hauptschläge bald in der Main- und Neckargegend, bald weiter
nördlich in Thüringen; aber sie brachten niemals Entscheidung, und
wichtiger, als einige Schlappen, die er im offenen Felde erlitt, war,

1) Der Zweifel Neuerer, zuletzt Haucks, an dieser Nachricht Brunos
ist kaum berechtigt.

§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075‒1085).
Herzog Rudolf von Rheinfelden, einen Schwager Heinrichs, zum
Gegenkönig. Es war ein erster Sieg des freien Wahlrechtes über
Erblichkeit und Legitimität. Wenn auch Gregor sich im Augenblick
zurückhielt und seinen Legaten in Forchheim eine neutrale Haltung
gebot, so war dieser Sieg doch nur möglich geworden durch das
Zusammenwirken von Partikularismus und Papsttum, und diesen
beiden Mächten hatte das neue Königtum die Kosten zu zahlen:
den Fürsten durch Verzicht auf jede Erblichkeit der Krone, der
Kurie durch das Zugeständnis der freien Bischofswahlen.1) Und
auch darüber hinaus erklärte sich Rudolf dem Papste gegenüber zu
jeglichem Gehorsam bereit. So drohte dem Reiche bereits damals
ein Schattenkönigtum ähnlich dem eines Adolf von Nassau. Aber
noch besaß das legitime Herrscherhaus überlegene Kräfte. Mit der
Rückkehr Heinrichs nach Deutschland und der dort von ihm aus-
gesprochenen Absetzung der süddeutschen Herzöge begann der
offene Bürgerkrieg.

Es gilt hier nicht, allen kriegerischen und diplomatischen
Schwankungen desselben zu folgen, sondern nur das Wesentlichste
herauszuheben. Der eigentliche Herd des Widerstandes blieb Sachsen,
wohin sich auch der Gegenkönig wandte. Überaus hart umstritten
und furchtbar verwüstet ward Schwaben. Es war das Herzogtum
Rudolfs, der diese Würde bald seinem Sohne Berthold überließ;
dort lagen die Hauptbesitzungen der beiden andern abgesetzten
Herzöge, des bayerischen Welf und des Zähringers Berthold von
Kärnthen, dort war das Wirkungsgebiet der Hirschauer Mönche.
Aber auch Gut und Anhang des Königs waren da beträchtlich,
und Heinrich schuf sich nun einen getreuen Anwalt in dem Grafen
Friedrich von Büren, dem er das Herzogtum Schwaben übertrug
und sein Töchterchen Agnes verlobte (1079). Es war gleichsam
ein Symbol für das Emporstreben des neuen Geschlechtes, daß es
seinen Sitz von dem engen, kleinen „Wäscherschlößchen“ Büren,
das heute die umliegenden Gehöfte kaum überragt, hinaufverlegte
auf den stolzen Gipfel des Hohenstaufen; im Kampf für das legitime
Königshaus gegen Partikularismus und Papsttum betraten die Staufer
zuerst den Schauplatz der Geschichte. — Das natürliche Streben
der Aufständischen in Sachsen und Schwaben ging dahin, sich die
Hand zu reichen. Indem Heinrich zwischen sie trat, fielen die
Hauptschläge bald in der Main- und Neckargegend, bald weiter
nördlich in Thüringen; aber sie brachten niemals Entscheidung, und
wichtiger, als einige Schlappen, die er im offenen Felde erlitt, war,

1) Der Zweifel Neuerer, zuletzt Haucks, an dieser Nachricht Brunos
ist kaum berechtigt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="55"/><fw place="top" type="header">§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075&#x2012;1085).</fw><lb/>
Herzog Rudolf von Rheinfelden, einen Schwager Heinrichs, zum<lb/>
Gegenkönig. Es war ein erster Sieg des freien Wahlrechtes über<lb/>
Erblichkeit und Legitimität. Wenn auch Gregor sich im Augenblick<lb/>
zurückhielt und seinen Legaten in Forchheim eine neutrale Haltung<lb/>
gebot, so war dieser Sieg doch nur möglich geworden durch das<lb/>
Zusammenwirken von Partikularismus und Papsttum, und diesen<lb/>
beiden Mächten hatte das neue Königtum die Kosten zu zahlen:<lb/>
den Fürsten durch Verzicht auf jede Erblichkeit der Krone, der<lb/>
Kurie durch das Zugeständnis der freien Bischofswahlen.<note place="foot" n="1)">Der Zweifel Neuerer, zuletzt Haucks, an dieser Nachricht Brunos<lb/>
ist kaum berechtigt.</note> Und<lb/>
auch darüber hinaus erklärte sich Rudolf dem Papste gegenüber zu<lb/>
jeglichem Gehorsam bereit. So drohte dem Reiche bereits damals<lb/>
ein Schattenkönigtum ähnlich dem eines Adolf von Nassau. Aber<lb/>
noch besaß das legitime Herrscherhaus überlegene Kräfte. Mit der<lb/>
Rückkehr Heinrichs nach Deutschland und der dort von ihm aus-<lb/>
gesprochenen Absetzung der süddeutschen Herzöge begann der<lb/>
offene Bürgerkrieg.</p><lb/>
          <p>Es gilt hier nicht, allen kriegerischen und diplomatischen<lb/>
Schwankungen desselben zu folgen, sondern nur das Wesentlichste<lb/>
herauszuheben. Der eigentliche Herd des Widerstandes blieb Sachsen,<lb/>
wohin sich auch der Gegenkönig wandte. Überaus hart umstritten<lb/>
und furchtbar verwüstet ward Schwaben. Es war das Herzogtum<lb/>
Rudolfs, der diese Würde bald seinem Sohne Berthold überließ;<lb/>
dort lagen die Hauptbesitzungen der beiden andern abgesetzten<lb/>
Herzöge, des bayerischen Welf und des Zähringers Berthold von<lb/>
Kärnthen, dort war das Wirkungsgebiet der Hirschauer Mönche.<lb/>
Aber auch Gut und Anhang des Königs waren da beträchtlich,<lb/>
und Heinrich schuf sich nun einen getreuen Anwalt in dem Grafen<lb/>
Friedrich von Büren, dem er das Herzogtum Schwaben übertrug<lb/>
und sein Töchterchen Agnes verlobte (1079). Es war gleichsam<lb/>
ein Symbol für das Emporstreben des neuen Geschlechtes, daß es<lb/>
seinen Sitz von dem engen, kleinen &#x201E;Wäscherschlößchen&#x201C; Büren,<lb/>
das heute die umliegenden Gehöfte kaum überragt, hinaufverlegte<lb/>
auf den stolzen Gipfel des Hohenstaufen; im Kampf für das legitime<lb/>
Königshaus gegen Partikularismus und Papsttum betraten die Staufer<lb/>
zuerst den Schauplatz der Geschichte. &#x2014; Das natürliche Streben<lb/>
der Aufständischen in Sachsen und Schwaben ging dahin, sich die<lb/>
Hand zu reichen. Indem Heinrich zwischen sie trat, fielen die<lb/>
Hauptschläge bald in der Main- und Neckargegend, bald weiter<lb/>
nördlich in Thüringen; aber sie brachten niemals Entscheidung, und<lb/>
wichtiger, als einige Schlappen, die er im offenen Felde erlitt, war,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0063] § 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075‒1085). Herzog Rudolf von Rheinfelden, einen Schwager Heinrichs, zum Gegenkönig. Es war ein erster Sieg des freien Wahlrechtes über Erblichkeit und Legitimität. Wenn auch Gregor sich im Augenblick zurückhielt und seinen Legaten in Forchheim eine neutrale Haltung gebot, so war dieser Sieg doch nur möglich geworden durch das Zusammenwirken von Partikularismus und Papsttum, und diesen beiden Mächten hatte das neue Königtum die Kosten zu zahlen: den Fürsten durch Verzicht auf jede Erblichkeit der Krone, der Kurie durch das Zugeständnis der freien Bischofswahlen. 1) Und auch darüber hinaus erklärte sich Rudolf dem Papste gegenüber zu jeglichem Gehorsam bereit. So drohte dem Reiche bereits damals ein Schattenkönigtum ähnlich dem eines Adolf von Nassau. Aber noch besaß das legitime Herrscherhaus überlegene Kräfte. Mit der Rückkehr Heinrichs nach Deutschland und der dort von ihm aus- gesprochenen Absetzung der süddeutschen Herzöge begann der offene Bürgerkrieg. Es gilt hier nicht, allen kriegerischen und diplomatischen Schwankungen desselben zu folgen, sondern nur das Wesentlichste herauszuheben. Der eigentliche Herd des Widerstandes blieb Sachsen, wohin sich auch der Gegenkönig wandte. Überaus hart umstritten und furchtbar verwüstet ward Schwaben. Es war das Herzogtum Rudolfs, der diese Würde bald seinem Sohne Berthold überließ; dort lagen die Hauptbesitzungen der beiden andern abgesetzten Herzöge, des bayerischen Welf und des Zähringers Berthold von Kärnthen, dort war das Wirkungsgebiet der Hirschauer Mönche. Aber auch Gut und Anhang des Königs waren da beträchtlich, und Heinrich schuf sich nun einen getreuen Anwalt in dem Grafen Friedrich von Büren, dem er das Herzogtum Schwaben übertrug und sein Töchterchen Agnes verlobte (1079). Es war gleichsam ein Symbol für das Emporstreben des neuen Geschlechtes, daß es seinen Sitz von dem engen, kleinen „Wäscherschlößchen“ Büren, das heute die umliegenden Gehöfte kaum überragt, hinaufverlegte auf den stolzen Gipfel des Hohenstaufen; im Kampf für das legitime Königshaus gegen Partikularismus und Papsttum betraten die Staufer zuerst den Schauplatz der Geschichte. — Das natürliche Streben der Aufständischen in Sachsen und Schwaben ging dahin, sich die Hand zu reichen. Indem Heinrich zwischen sie trat, fielen die Hauptschläge bald in der Main- und Neckargegend, bald weiter nördlich in Thüringen; aber sie brachten niemals Entscheidung, und wichtiger, als einige Schlappen, die er im offenen Felde erlitt, war, 1) Der Zweifel Neuerer, zuletzt Haucks, an dieser Nachricht Brunos ist kaum berechtigt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/63
Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/63>, abgerufen am 01.05.2024.