Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Die Zeit der Staufer.
rückläufig geworden. Ezzelin hatte im östlichen Oberitalien seinen Machtkreis
nur noch weiter ausgedehnt, in der Lombardei aber der Markgraf Hubert
Pallavicini, der hier König Enzio ersetzte, geradezu glänzende Erfolge errungen
und in einem bedeutsamen Siege über die Parmesen Rache für Vittoria ge-
nommen (Aug. 1250). Den Genuesen war zur See eine empfindliche Nieder-
lage beigebracht.1) Innere Spaltung bedrohte den Lombardenbund; in Rivalität
mit Mailand neigte Piacenza zur kaiserlichen Partei. Westlich aber erstreckte sich
seit dem Gewinn von Vercelli (Okt. 1248), der weitere Übertritte zur Folge
hatte, und durch die Treue des jetzt auch verwandtschaftlich dem staufischen
Hause verbundenen Grafen von Savoyen ein geschlossenes kaiserliches Macht-
gebiet über die Alpen bis vor die Tore von Lyon. Einem Zuge dorthin
stand nichts im Wege. Und auch Frankreich bot dem Papste keine Rücken-
deckung mehr. Ludwig IX., der auf seinem Kreuzzuge die mangelnde Unter-
stützung der Kirche bitter empfand und sich mit seinem Heere eben aus der
ägyptischen Gefangenschaft (April 1250) losgekauft hatte, forderte aus dem
Orient auf das bestimmteste den Friedenschluß mit dem Kaiser; Innozenz
richtete bereits eine Anfrage an den englischen Hof, ob man ihn in Bordeaux
dulden würde. Seine Finanzmittel waren der Erschöpfung nahe.

Friedrich selbst war damals trotz gelegentlicher Krankheitsan-
fälle so wenig lebensmüde, daß er vielmehr im Begriff stand, zur
Sicherung seiner Dynastie eine vierte Ehe mit einer Tochter Herzog
Albrechts von Sachsen zu schließen.2) Eben war er im Begriff,
zur endgültigen Niederwerfung aller italischen Rebellen gegen Norden
zu ziehen; seine letzten Briefe an den griechischen Kaiser Johannes
Vatazes atmen das gehobenste Siegesbewußtsein. In diesem Augen-
blick ist Friedrich völlig unerwartet an einer leichtsinnig behandelten
Dysenterie in dem kleinen apulischen Fiorentino3) im Alter von
fast 56 Jahren gestorben (13. Dez. 1250).4) Nach seinem Testa-
ment sollte Konrad IV. die gesamten Reiche erben, nur während
seiner Abwesenheit Manfred in Italien und Sizilien Statthalter sein.
Von einer Nachgiebigkeit gegen die römische Kirche findet sich
keine Spur; die entrissenen Besitzungen sollten ihr nur dann zurück-
gegeben werden, wenn sie dem Reiche gegenüber ebenso handle.
Des Kaisers Leiche wurde neben denen seiner Eltern im Dom von
Palermo beigesetzt.

Friedrich selbst schied unbesiegt aus dem großen Streite, aber
eben sein Tod hat doch der staufischen Sache den Untergang ge-
bracht; denn ein wahrer Nachfolger seines Geistes fehlte, und
furchtbar wüteten alsbald Tod und Zersplitterung in seinem Hause.5)

1) Reg. Imp. V, 3823.
2) Vgl. Simonsfeld, S. B. d. Münch. Ak. phil.-hist. Kl., II., 443 ff.
3) Die angebliche astrologische Weissagung, die ihn vor Florenz warnte
und dann so trügerisch in Erfüllung ging, schmeckt doch nach späterer Erfindung.
4) Gegen die Annahme einer anfänglichen Verheimlichung seines Todes
vgl. Davidsohn, Forsch z. Gesch. v. Florenz IV, 98 ff.
5) Wenn dieser Untergang des staufischen Hauses hier nicht mehr mit
behandelt wird, so geschieht das nicht nur aus Raummangel, sondern auch,
weil es sich nicht empfehlen würde, die Geschicke Manfreds und Konradins

II. Die Zeit der Staufer.
rückläufig geworden. Ezzelin hatte im östlichen Oberitalien seinen Machtkreis
nur noch weiter ausgedehnt, in der Lombardei aber der Markgraf Hubert
Pallavicini, der hier König Enzio ersetzte, geradezu glänzende Erfolge errungen
und in einem bedeutsamen Siege über die Parmesen Rache für Vittoria ge-
nommen (Aug. 1250). Den Genuesen war zur See eine empfindliche Nieder-
lage beigebracht.1) Innere Spaltung bedrohte den Lombardenbund; in Rivalität
mit Mailand neigte Piacenza zur kaiserlichen Partei. Westlich aber erstreckte sich
seit dem Gewinn von Vercelli (Okt. 1248), der weitere Übertritte zur Folge
hatte, und durch die Treue des jetzt auch verwandtschaftlich dem staufischen
Hause verbundenen Grafen von Savoyen ein geschlossenes kaiserliches Macht-
gebiet über die Alpen bis vor die Tore von Lyon. Einem Zuge dorthin
stand nichts im Wege. Und auch Frankreich bot dem Papste keine Rücken-
deckung mehr. Ludwig IX., der auf seinem Kreuzzuge die mangelnde Unter-
stützung der Kirche bitter empfand und sich mit seinem Heere eben aus der
ägyptischen Gefangenschaft (April 1250) losgekauft hatte, forderte aus dem
Orient auf das bestimmteste den Friedenschluß mit dem Kaiser; Innozenz
richtete bereits eine Anfrage an den englischen Hof, ob man ihn in Bordeaux
dulden würde. Seine Finanzmittel waren der Erschöpfung nahe.

Friedrich selbst war damals trotz gelegentlicher Krankheitsan-
fälle so wenig lebensmüde, daß er vielmehr im Begriff stand, zur
Sicherung seiner Dynastie eine vierte Ehe mit einer Tochter Herzog
Albrechts von Sachsen zu schließen.2) Eben war er im Begriff,
zur endgültigen Niederwerfung aller italischen Rebellen gegen Norden
zu ziehen; seine letzten Briefe an den griechischen Kaiser Johannes
Vatazes atmen das gehobenste Siegesbewußtsein. In diesem Augen-
blick ist Friedrich völlig unerwartet an einer leichtsinnig behandelten
Dysenterie in dem kleinen apulischen Fiorentino3) im Alter von
fast 56 Jahren gestorben (13. Dez. 1250).4) Nach seinem Testa-
ment sollte Konrad IV. die gesamten Reiche erben, nur während
seiner Abwesenheit Manfred in Italien und Sizilien Statthalter sein.
Von einer Nachgiebigkeit gegen die römische Kirche findet sich
keine Spur; die entrissenen Besitzungen sollten ihr nur dann zurück-
gegeben werden, wenn sie dem Reiche gegenüber ebenso handle.
Des Kaisers Leiche wurde neben denen seiner Eltern im Dom von
Palermo beigesetzt.

Friedrich selbst schied unbesiegt aus dem großen Streite, aber
eben sein Tod hat doch der staufischen Sache den Untergang ge-
bracht; denn ein wahrer Nachfolger seines Geistes fehlte, und
furchtbar wüteten alsbald Tod und Zersplitterung in seinem Hause.5)

1) Reg. Imp. V, 3823.
2) Vgl. Simonsfeld, S. B. d. Münch. Ak. phil.-hist. Kl., II., 443 ff.
3) Die angebliche astrologische Weissagung, die ihn vor Florenz warnte
und dann so trügerisch in Erfüllung ging, schmeckt doch nach späterer Erfindung.
4) Gegen die Annahme einer anfänglichen Verheimlichung seines Todes
vgl. Davidsohn, Forsch z. Gesch. v. Florenz IV, 98 ff.
5) Wenn dieser Untergang des staufischen Hauses hier nicht mehr mit
behandelt wird, so geschieht das nicht nur aus Raummangel, sondern auch,
weil es sich nicht empfehlen würde, die Geschicke Manfreds und Konradins
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0264" n="256"/><fw place="top" type="header">II. Die Zeit der Staufer.</fw><lb/>
rückläufig geworden. Ezzelin hatte im östlichen Oberitalien seinen Machtkreis<lb/>
nur noch weiter ausgedehnt, in der Lombardei aber der Markgraf Hubert<lb/>
Pallavicini, der hier König Enzio ersetzte, geradezu glänzende Erfolge errungen<lb/>
und in einem bedeutsamen Siege über die Parmesen Rache für Vittoria ge-<lb/>
nommen (Aug. 1250). Den Genuesen war zur See eine empfindliche Nieder-<lb/>
lage beigebracht.<note place="foot" n="1)">Reg. Imp. V, 3823.</note> Innere Spaltung bedrohte den Lombardenbund; in Rivalität<lb/>
mit Mailand neigte Piacenza zur kaiserlichen Partei. Westlich aber erstreckte sich<lb/>
seit dem Gewinn von Vercelli (Okt. 1248), der weitere Übertritte zur Folge<lb/>
hatte, und durch die Treue des jetzt auch verwandtschaftlich dem staufischen<lb/>
Hause verbundenen Grafen von Savoyen ein geschlossenes kaiserliches Macht-<lb/>
gebiet über die Alpen bis vor die Tore von Lyon. Einem Zuge dorthin<lb/>
stand nichts im Wege. Und auch Frankreich bot dem Papste keine Rücken-<lb/>
deckung mehr. Ludwig IX., der auf seinem Kreuzzuge die mangelnde Unter-<lb/>
stützung der Kirche bitter empfand und sich mit seinem Heere eben aus der<lb/>
ägyptischen Gefangenschaft (April 1250) losgekauft hatte, forderte aus dem<lb/>
Orient auf das bestimmteste den Friedenschluß mit dem Kaiser; Innozenz<lb/>
richtete bereits eine Anfrage an den englischen Hof, ob man ihn in Bordeaux<lb/>
dulden würde. Seine Finanzmittel waren der Erschöpfung nahe.</p><lb/>
          <p>Friedrich selbst war damals trotz gelegentlicher Krankheitsan-<lb/>
fälle so wenig lebensmüde, daß er vielmehr im Begriff stand, zur<lb/>
Sicherung seiner Dynastie eine vierte Ehe mit einer Tochter Herzog<lb/>
Albrechts von Sachsen zu schließen.<note place="foot" n="2)">Vgl. Simonsfeld, S. B. d. Münch. Ak. phil.-hist. Kl., II., 443 ff.</note> Eben war er im Begriff,<lb/>
zur endgültigen Niederwerfung aller italischen Rebellen gegen Norden<lb/>
zu ziehen; seine letzten Briefe an den griechischen Kaiser Johannes<lb/>
Vatazes atmen das gehobenste Siegesbewußtsein. In diesem Augen-<lb/>
blick ist Friedrich völlig unerwartet an einer leichtsinnig behandelten<lb/>
Dysenterie in dem kleinen apulischen Fiorentino<note place="foot" n="3)">Die angebliche astrologische Weissagung, die ihn vor Florenz warnte<lb/>
und dann so trügerisch in Erfüllung ging, schmeckt doch nach späterer Erfindung.</note> im Alter von<lb/>
fast 56 Jahren gestorben (13. Dez. 1250).<note place="foot" n="4)">Gegen die Annahme einer anfänglichen Verheimlichung seines Todes<lb/>
vgl. Davidsohn, Forsch z. Gesch. v. Florenz IV, 98 ff.</note> Nach seinem Testa-<lb/>
ment sollte Konrad IV. die gesamten Reiche erben, nur während<lb/>
seiner Abwesenheit Manfred in Italien und Sizilien Statthalter sein.<lb/>
Von einer Nachgiebigkeit gegen die römische Kirche findet sich<lb/>
keine Spur; die entrissenen Besitzungen sollten ihr nur dann zurück-<lb/>
gegeben werden, wenn sie dem Reiche gegenüber ebenso handle.<lb/>
Des Kaisers Leiche wurde neben denen seiner Eltern im Dom von<lb/>
Palermo beigesetzt.</p><lb/>
          <p>Friedrich selbst schied unbesiegt aus dem großen Streite, aber<lb/>
eben sein Tod hat doch der staufischen Sache den Untergang ge-<lb/>
bracht; denn ein wahrer Nachfolger seines Geistes fehlte, und<lb/>
furchtbar wüteten alsbald Tod und Zersplitterung in seinem Hause.<note xml:id="a264" next="#b264" place="foot" n="5)">Wenn dieser Untergang des staufischen Hauses hier nicht mehr mit<lb/>
behandelt wird, so geschieht das nicht nur aus Raummangel, sondern auch,<lb/>
weil es sich nicht empfehlen würde, die Geschicke Manfreds und Konradins</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0264] II. Die Zeit der Staufer. rückläufig geworden. Ezzelin hatte im östlichen Oberitalien seinen Machtkreis nur noch weiter ausgedehnt, in der Lombardei aber der Markgraf Hubert Pallavicini, der hier König Enzio ersetzte, geradezu glänzende Erfolge errungen und in einem bedeutsamen Siege über die Parmesen Rache für Vittoria ge- nommen (Aug. 1250). Den Genuesen war zur See eine empfindliche Nieder- lage beigebracht. 1) Innere Spaltung bedrohte den Lombardenbund; in Rivalität mit Mailand neigte Piacenza zur kaiserlichen Partei. Westlich aber erstreckte sich seit dem Gewinn von Vercelli (Okt. 1248), der weitere Übertritte zur Folge hatte, und durch die Treue des jetzt auch verwandtschaftlich dem staufischen Hause verbundenen Grafen von Savoyen ein geschlossenes kaiserliches Macht- gebiet über die Alpen bis vor die Tore von Lyon. Einem Zuge dorthin stand nichts im Wege. Und auch Frankreich bot dem Papste keine Rücken- deckung mehr. Ludwig IX., der auf seinem Kreuzzuge die mangelnde Unter- stützung der Kirche bitter empfand und sich mit seinem Heere eben aus der ägyptischen Gefangenschaft (April 1250) losgekauft hatte, forderte aus dem Orient auf das bestimmteste den Friedenschluß mit dem Kaiser; Innozenz richtete bereits eine Anfrage an den englischen Hof, ob man ihn in Bordeaux dulden würde. Seine Finanzmittel waren der Erschöpfung nahe. Friedrich selbst war damals trotz gelegentlicher Krankheitsan- fälle so wenig lebensmüde, daß er vielmehr im Begriff stand, zur Sicherung seiner Dynastie eine vierte Ehe mit einer Tochter Herzog Albrechts von Sachsen zu schließen. 2) Eben war er im Begriff, zur endgültigen Niederwerfung aller italischen Rebellen gegen Norden zu ziehen; seine letzten Briefe an den griechischen Kaiser Johannes Vatazes atmen das gehobenste Siegesbewußtsein. In diesem Augen- blick ist Friedrich völlig unerwartet an einer leichtsinnig behandelten Dysenterie in dem kleinen apulischen Fiorentino 3) im Alter von fast 56 Jahren gestorben (13. Dez. 1250). 4) Nach seinem Testa- ment sollte Konrad IV. die gesamten Reiche erben, nur während seiner Abwesenheit Manfred in Italien und Sizilien Statthalter sein. Von einer Nachgiebigkeit gegen die römische Kirche findet sich keine Spur; die entrissenen Besitzungen sollten ihr nur dann zurück- gegeben werden, wenn sie dem Reiche gegenüber ebenso handle. Des Kaisers Leiche wurde neben denen seiner Eltern im Dom von Palermo beigesetzt. Friedrich selbst schied unbesiegt aus dem großen Streite, aber eben sein Tod hat doch der staufischen Sache den Untergang ge- bracht; denn ein wahrer Nachfolger seines Geistes fehlte, und furchtbar wüteten alsbald Tod und Zersplitterung in seinem Hause. 5) 1) Reg. Imp. V, 3823. 2) Vgl. Simonsfeld, S. B. d. Münch. Ak. phil.-hist. Kl., II., 443 ff. 3) Die angebliche astrologische Weissagung, die ihn vor Florenz warnte und dann so trügerisch in Erfüllung ging, schmeckt doch nach späterer Erfindung. 4) Gegen die Annahme einer anfänglichen Verheimlichung seines Todes vgl. Davidsohn, Forsch z. Gesch. v. Florenz IV, 98 ff. 5) Wenn dieser Untergang des staufischen Hauses hier nicht mehr mit behandelt wird, so geschieht das nicht nur aus Raummangel, sondern auch, weil es sich nicht empfehlen würde, die Geschicke Manfreds und Konradins

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/264
Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/264>, abgerufen am 25.11.2024.