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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
völlig überrascht worden zu sein. Bekannt ist jene Erzählung1),
er habe sich auf die Kunde von Lyon seinen Reiseschatz bringen
lassen, eine Krone auf die Stirne gedrückt und die Nächststehenden
gefragt, ob sie ihm denn schon verloren sei. Jetzt endlich wußte
er, daß ihm keine andre Wahl bleibe, als der wildeste Kampf auf
Leben und Tod, und er selbst kündigte ihn mit den Worten an:
"lange genug sei er Ambos gewesen, nun wolle er Hammer sein".

Die nächste Folge der Lyoner Absetzung war, daß nun auch
Deutschland ganz anders als bisher in den Streit hineingezogen
wurde. Lange hatte die Agitation der Kurie hier nur spärliche Er-
folge im Südosten zu verzeichnen gehabt, die sich überdies bald
genug in nichts auflösten. Endlich (bis 1242) war es ihr gelungen,
sich wenigstens der drei rheinischen Erzbischöfe zu versichern, die
nun dauernd den Kern der staufischen Opposition bildeten. Der
Kaiser hatte sofort die Folgerung daraus gezogen, indem er das
Reichsregiment, das für Konrad IV. die Geschäfte führte, statt der
geistlichen an weltliche Fürsten, Landgraf Heinrich Raspe von
Thüringen und König Wenzel von Böhmen übertrug, die indes in
ihrem unmittelbaren Einfluß auf den jungen König neben einer
Anzahl von Reichsministerialen zurücktraten (1242). Innozenz IV.
hat dann auch auf diesem Gebiete, namentlich seit dem Konzil
von Lyon, mit noch ungleich wirksameren Mitteln gearbeitet, als sein
Vorgänger. Er sandte einen besonderen Legaten und ließ es an
Gold nicht fehlen; er sorgte allenthalben für die Verkündigung der
kirchlichen Sentenzen gegen Friedrich und der Strafandrohungen
gegen seine Anhänger, verhängte das Interdikt über die Besitzungen
seiner Hauptgegner und gebot die Kreuzpredigt gegen den Kaiser statt
des heiligen Landes. Insbesondere aber hat er die Treue, die der
Kaiser seit seinen großen territorialen Zugeständnissen trotz aller
Kämpfe mit dem Papsttum immer noch bei der Mehrheit des
Episkopats gefunden hatte, bis auf wenige Ausnahmen allmählich
völlig zu erschüttern vermocht durch eine Fülle von Versprechungen,
Drohungen und Gewaltmaßnahmen, die sich schließlich gar zu der
Aufhebung des Wahlrechtes aller Kapitel und Besetzung aller Präla-
turen durch den Papst selbst steigerten.2)

Auf seinen Befehl haben denn auch die rheinischen Erz-
bischöfe, nachdem man die Krone lange vergeblich in Deutschland,
Dänemark und Frankreich ausgeboten, die Erhebung eines Gegen-
königs vollzogen (Mai 1246). Der Landgraf Heinrich Raspe3) war

1) Matth. Paris. ed. Luard IV, 474.
2) Vgl. außer Hauck namentlich Aldinger, D. Neubesetzung der deutschen
Bistümer unter Papst Inn. IV. (1900).
3) Vgl. C. Wenck in "Die Wartburg" (1907) S. 215 ff.

II. Die Zeit der Staufer.
völlig überrascht worden zu sein. Bekannt ist jene Erzählung1),
er habe sich auf die Kunde von Lyon seinen Reiseschatz bringen
lassen, eine Krone auf die Stirne gedrückt und die Nächststehenden
gefragt, ob sie ihm denn schon verloren sei. Jetzt endlich wußte
er, daß ihm keine andre Wahl bleibe, als der wildeste Kampf auf
Leben und Tod, und er selbst kündigte ihn mit den Worten an:
„lange genug sei er Ambos gewesen, nun wolle er Hammer sein“.

Die nächste Folge der Lyoner Absetzung war, daß nun auch
Deutschland ganz anders als bisher in den Streit hineingezogen
wurde. Lange hatte die Agitation der Kurie hier nur spärliche Er-
folge im Südosten zu verzeichnen gehabt, die sich überdies bald
genug in nichts auflösten. Endlich (bis 1242) war es ihr gelungen,
sich wenigstens der drei rheinischen Erzbischöfe zu versichern, die
nun dauernd den Kern der staufischen Opposition bildeten. Der
Kaiser hatte sofort die Folgerung daraus gezogen, indem er das
Reichsregiment, das für Konrad IV. die Geschäfte führte, statt der
geistlichen an weltliche Fürsten, Landgraf Heinrich Raspe von
Thüringen und König Wenzel von Böhmen übertrug, die indes in
ihrem unmittelbaren Einfluß auf den jungen König neben einer
Anzahl von Reichsministerialen zurücktraten (1242). Innozenz IV.
hat dann auch auf diesem Gebiete, namentlich seit dem Konzil
von Lyon, mit noch ungleich wirksameren Mitteln gearbeitet, als sein
Vorgänger. Er sandte einen besonderen Legaten und ließ es an
Gold nicht fehlen; er sorgte allenthalben für die Verkündigung der
kirchlichen Sentenzen gegen Friedrich und der Strafandrohungen
gegen seine Anhänger, verhängte das Interdikt über die Besitzungen
seiner Hauptgegner und gebot die Kreuzpredigt gegen den Kaiser statt
des heiligen Landes. Insbesondere aber hat er die Treue, die der
Kaiser seit seinen großen territorialen Zugeständnissen trotz aller
Kämpfe mit dem Papsttum immer noch bei der Mehrheit des
Episkopats gefunden hatte, bis auf wenige Ausnahmen allmählich
völlig zu erschüttern vermocht durch eine Fülle von Versprechungen,
Drohungen und Gewaltmaßnahmen, die sich schließlich gar zu der
Aufhebung des Wahlrechtes aller Kapitel und Besetzung aller Präla-
turen durch den Papst selbst steigerten.2)

Auf seinen Befehl haben denn auch die rheinischen Erz-
bischöfe, nachdem man die Krone lange vergeblich in Deutschland,
Dänemark und Frankreich ausgeboten, die Erhebung eines Gegen-
königs vollzogen (Mai 1246). Der Landgraf Heinrich Raspe3) war

1) Matth. Paris. ed. Luard IV, 474.
2) Vgl. außer Hauck namentlich Aldinger, D. Neubesetzung der deutschen
Bistümer unter Papst Inn. IV. (1900).
3) Vgl. C. Wenck in „Die Wartburg“ (1907) S. 215 ff.
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[248/0256] II. Die Zeit der Staufer. völlig überrascht worden zu sein. Bekannt ist jene Erzählung 1), er habe sich auf die Kunde von Lyon seinen Reiseschatz bringen lassen, eine Krone auf die Stirne gedrückt und die Nächststehenden gefragt, ob sie ihm denn schon verloren sei. Jetzt endlich wußte er, daß ihm keine andre Wahl bleibe, als der wildeste Kampf auf Leben und Tod, und er selbst kündigte ihn mit den Worten an: „lange genug sei er Ambos gewesen, nun wolle er Hammer sein“. Die nächste Folge der Lyoner Absetzung war, daß nun auch Deutschland ganz anders als bisher in den Streit hineingezogen wurde. Lange hatte die Agitation der Kurie hier nur spärliche Er- folge im Südosten zu verzeichnen gehabt, die sich überdies bald genug in nichts auflösten. Endlich (bis 1242) war es ihr gelungen, sich wenigstens der drei rheinischen Erzbischöfe zu versichern, die nun dauernd den Kern der staufischen Opposition bildeten. Der Kaiser hatte sofort die Folgerung daraus gezogen, indem er das Reichsregiment, das für Konrad IV. die Geschäfte führte, statt der geistlichen an weltliche Fürsten, Landgraf Heinrich Raspe von Thüringen und König Wenzel von Böhmen übertrug, die indes in ihrem unmittelbaren Einfluß auf den jungen König neben einer Anzahl von Reichsministerialen zurücktraten (1242). Innozenz IV. hat dann auch auf diesem Gebiete, namentlich seit dem Konzil von Lyon, mit noch ungleich wirksameren Mitteln gearbeitet, als sein Vorgänger. Er sandte einen besonderen Legaten und ließ es an Gold nicht fehlen; er sorgte allenthalben für die Verkündigung der kirchlichen Sentenzen gegen Friedrich und der Strafandrohungen gegen seine Anhänger, verhängte das Interdikt über die Besitzungen seiner Hauptgegner und gebot die Kreuzpredigt gegen den Kaiser statt des heiligen Landes. Insbesondere aber hat er die Treue, die der Kaiser seit seinen großen territorialen Zugeständnissen trotz aller Kämpfe mit dem Papsttum immer noch bei der Mehrheit des Episkopats gefunden hatte, bis auf wenige Ausnahmen allmählich völlig zu erschüttern vermocht durch eine Fülle von Versprechungen, Drohungen und Gewaltmaßnahmen, die sich schließlich gar zu der Aufhebung des Wahlrechtes aller Kapitel und Besetzung aller Präla- turen durch den Papst selbst steigerten. 2) Auf seinen Befehl haben denn auch die rheinischen Erz- bischöfe, nachdem man die Krone lange vergeblich in Deutschland, Dänemark und Frankreich ausgeboten, die Erhebung eines Gegen- königs vollzogen (Mai 1246). Der Landgraf Heinrich Raspe 3) war 1) Matth. Paris. ed. Luard IV, 474. 2) Vgl. außer Hauck namentlich Aldinger, D. Neubesetzung der deutschen Bistümer unter Papst Inn. IV. (1900). 3) Vgl. C. Wenck in „Die Wartburg“ (1907) S. 215 ff.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/256>, abgerufen am 25.11.2024.