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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.

Auch sonst war dieser letzte Aufenthalt Friedrichs in Deutsch-
land (1235-37, unterbrochen durch die italienische Heerfahrt von
August bis Dezember 1236) reich an bedeutungsvollen Ansätzen
zu einer Stärkung der Kronmacht. Das königliche Gut war wieder
im Wachsen; so suchte etwa der Kaiser die nördlichen Vorlande
des neueröffneten Gotthardpasses dem Reiche zu sichern, so kaufte
er mit sizilischem Gelde dem Böhmenkönige als dem Schwieger-
sohne seines Oheims Philipp, seine Ansprüche auf umfangreiche
staufische Hausgüter in Schwaben ab. Nichts zeigt besser die ein-
getretene Machtsteigerung, als daß es jetzt ohne erheblichere
Schwierigkeiten gelang, die Fürsten für die Nachfolge seines erst
neunjährigen Sohnes Konrad IV. im Kaisertum zu verpflichten
(1237). Denn das bedeutete seine Wahl "zum römischen König
und künftigen Kaiser"; indem er so unmittelbar als der Erbe des
Imperiums erschien, ohne daß eine Königskrönung in Deutschland
je an ihm vollzogen worden wäre, wurden in gewissem Sinne die
großen Gedanken Heinrichs VI. wieder aufgenommen, zugleich aber
einem deutschen Regimente Konrads jede Eigenständigkeit neben
dem kaiserlichen von vornherein entzogen, einer Wiederholung der
Schicksale Heinrichs (VII.) klug vorgebeugt.1) Und schon machte
Friedrich im deutschen Südosten den kühnen, an Bedeutung weit
über die Meißener Bestrebungen Heinrichs VI. hinausgehenden
Versuch, dem Reiche in Österreich und Steiermark ein unmittel-
bares Herrschaftsgebiet zu gewinnen. Der letzte Babenberger,
Herzog Friedrich II. der Streitbare, ein jugendlich ungestümer und
ausschweifender Fürst, war dort durch den auf Grund des Barba-
rossaprivilegs hastig betriebenen Ausbau seiner Landeshoheit und
durch eine Fülle persönlicher Motive in einen Konflikt mit Kaiser
und Reich geraten, der mit der Erhebung Heinrichs kaum äußer-
liche Berührungspunkte hatte (1236/37).2) Das Vorgehen des
Kaisers gegen ihn in steter Fühlung mit der übrigen Fürstenschaft,
die wiederholten, mit Trotz beantworteten Ladungen, die Acht-
erklärung, die Übertragung der Exekution zunächst an die fürst-
lichen Gegner Österreichs, endlich das persönliche Eingreifen Fried-
richs, der allgemeine Abfall vom Herzog, die Erhebung von Wien
zur reichsunmittelbaren Stadt, das alles gemahnt lebhaft an die Er-
eignisse, die zum Sturze Heinrichs des Löwen führten. Friedrich
wollte jetzt mehr, als damals sein Ahnherr; er gedachte, dem be-
stehenden Gewohnheitsrecht zuwider, die beiden Herzogtümer

1) Vgl. Krammer (s. S. 131).
2) Vgl. die Biographie von A. Ficker (1884), Juritsch, Gesch. der Baben-
berger (1894), für Einzelheiten auch die Untersuchungen von Thiel (1905).
Eine Verbindung des Herzogs mit König Heinrich ist nicht anzunehmen.
II. Die Zeit der Staufer.

Auch sonst war dieser letzte Aufenthalt Friedrichs in Deutsch-
land (1235‒37, unterbrochen durch die italienische Heerfahrt von
August bis Dezember 1236) reich an bedeutungsvollen Ansätzen
zu einer Stärkung der Kronmacht. Das königliche Gut war wieder
im Wachsen; so suchte etwa der Kaiser die nördlichen Vorlande
des neueröffneten Gotthardpasses dem Reiche zu sichern, so kaufte
er mit sizilischem Gelde dem Böhmenkönige als dem Schwieger-
sohne seines Oheims Philipp, seine Ansprüche auf umfangreiche
staufische Hausgüter in Schwaben ab. Nichts zeigt besser die ein-
getretene Machtsteigerung, als daß es jetzt ohne erheblichere
Schwierigkeiten gelang, die Fürsten für die Nachfolge seines erst
neunjährigen Sohnes Konrad IV. im Kaisertum zu verpflichten
(1237). Denn das bedeutete seine Wahl „zum römischen König
und künftigen Kaiser“; indem er so unmittelbar als der Erbe des
Imperiums erschien, ohne daß eine Königskrönung in Deutschland
je an ihm vollzogen worden wäre, wurden in gewissem Sinne die
großen Gedanken Heinrichs VI. wieder aufgenommen, zugleich aber
einem deutschen Regimente Konrads jede Eigenständigkeit neben
dem kaiserlichen von vornherein entzogen, einer Wiederholung der
Schicksale Heinrichs (VII.) klug vorgebeugt.1) Und schon machte
Friedrich im deutschen Südosten den kühnen, an Bedeutung weit
über die Meißener Bestrebungen Heinrichs VI. hinausgehenden
Versuch, dem Reiche in Österreich und Steiermark ein unmittel-
bares Herrschaftsgebiet zu gewinnen. Der letzte Babenberger,
Herzog Friedrich II. der Streitbare, ein jugendlich ungestümer und
ausschweifender Fürst, war dort durch den auf Grund des Barba-
rossaprivilegs hastig betriebenen Ausbau seiner Landeshoheit und
durch eine Fülle persönlicher Motive in einen Konflikt mit Kaiser
und Reich geraten, der mit der Erhebung Heinrichs kaum äußer-
liche Berührungspunkte hatte (1236/37).2) Das Vorgehen des
Kaisers gegen ihn in steter Fühlung mit der übrigen Fürstenschaft,
die wiederholten, mit Trotz beantworteten Ladungen, die Acht-
erklärung, die Übertragung der Exekution zunächst an die fürst-
lichen Gegner Österreichs, endlich das persönliche Eingreifen Fried-
richs, der allgemeine Abfall vom Herzog, die Erhebung von Wien
zur reichsunmittelbaren Stadt, das alles gemahnt lebhaft an die Er-
eignisse, die zum Sturze Heinrichs des Löwen führten. Friedrich
wollte jetzt mehr, als damals sein Ahnherr; er gedachte, dem be-
stehenden Gewohnheitsrecht zuwider, die beiden Herzogtümer

1) Vgl. Krammer (s. S. 131).
2) Vgl. die Biographie von A. Ficker (1884), Juritsch, Gesch. der Baben-
berger (1894), für Einzelheiten auch die Untersuchungen von Thiel (1905).
Eine Verbindung des Herzogs mit König Heinrich ist nicht anzunehmen.
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[234/0242] II. Die Zeit der Staufer. Auch sonst war dieser letzte Aufenthalt Friedrichs in Deutsch- land (1235‒37, unterbrochen durch die italienische Heerfahrt von August bis Dezember 1236) reich an bedeutungsvollen Ansätzen zu einer Stärkung der Kronmacht. Das königliche Gut war wieder im Wachsen; so suchte etwa der Kaiser die nördlichen Vorlande des neueröffneten Gotthardpasses dem Reiche zu sichern, so kaufte er mit sizilischem Gelde dem Böhmenkönige als dem Schwieger- sohne seines Oheims Philipp, seine Ansprüche auf umfangreiche staufische Hausgüter in Schwaben ab. Nichts zeigt besser die ein- getretene Machtsteigerung, als daß es jetzt ohne erheblichere Schwierigkeiten gelang, die Fürsten für die Nachfolge seines erst neunjährigen Sohnes Konrad IV. im Kaisertum zu verpflichten (1237). Denn das bedeutete seine Wahl „zum römischen König und künftigen Kaiser“; indem er so unmittelbar als der Erbe des Imperiums erschien, ohne daß eine Königskrönung in Deutschland je an ihm vollzogen worden wäre, wurden in gewissem Sinne die großen Gedanken Heinrichs VI. wieder aufgenommen, zugleich aber einem deutschen Regimente Konrads jede Eigenständigkeit neben dem kaiserlichen von vornherein entzogen, einer Wiederholung der Schicksale Heinrichs (VII.) klug vorgebeugt. 1) Und schon machte Friedrich im deutschen Südosten den kühnen, an Bedeutung weit über die Meißener Bestrebungen Heinrichs VI. hinausgehenden Versuch, dem Reiche in Österreich und Steiermark ein unmittel- bares Herrschaftsgebiet zu gewinnen. Der letzte Babenberger, Herzog Friedrich II. der Streitbare, ein jugendlich ungestümer und ausschweifender Fürst, war dort durch den auf Grund des Barba- rossaprivilegs hastig betriebenen Ausbau seiner Landeshoheit und durch eine Fülle persönlicher Motive in einen Konflikt mit Kaiser und Reich geraten, der mit der Erhebung Heinrichs kaum äußer- liche Berührungspunkte hatte (1236/37). 2) Das Vorgehen des Kaisers gegen ihn in steter Fühlung mit der übrigen Fürstenschaft, die wiederholten, mit Trotz beantworteten Ladungen, die Acht- erklärung, die Übertragung der Exekution zunächst an die fürst- lichen Gegner Österreichs, endlich das persönliche Eingreifen Fried- richs, der allgemeine Abfall vom Herzog, die Erhebung von Wien zur reichsunmittelbaren Stadt, das alles gemahnt lebhaft an die Er- eignisse, die zum Sturze Heinrichs des Löwen führten. Friedrich wollte jetzt mehr, als damals sein Ahnherr; er gedachte, dem be- stehenden Gewohnheitsrecht zuwider, die beiden Herzogtümer 1) Vgl. Krammer (s. S. 131). 2) Vgl. die Biographie von A. Ficker (1884), Juritsch, Gesch. der Baben- berger (1894), für Einzelheiten auch die Untersuchungen von Thiel (1905). Eine Verbindung des Herzogs mit König Heinrich ist nicht anzunehmen.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/242>, abgerufen am 30.04.2024.