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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230-1239).

Füllte schon die Beschäftigung mit der Wissenschaft diesem
rastlosen Geiste nur die Mußestunden, so hat er gewiß seine Kunst-
liebhabereien noch mehr als Erholung und Luxus betrachtet. Aber
auch ihre Wirkung war höchst bedeutend. Die Kanzonen, die er
dichtete und in Musik setzte, machten mit ihrer frühen Anwendung
der Vulgärsprache ihren Verfasser nach Dantes Urteil zum Vater
der italienischen Poesie. Die bildenden Künste1), die unter seinem
Antriebe in Süditalien einen mächtigen, wenn auch ganz und gar
durch die persönlichen Bedürfnisse und Neigungen des Herrschers
bestimmten Aufschwung nahmen, weisen, wie das Wesen Friedrichs
selbst deutlich hin auf die kommende italienische Renaissance. Die
in den Resten zahlreicher Schloßbauten, insbesondere in dem wohl
von dem Kaiser selbst entworfenen, reizvollen Castel del Monte
(w. v. Barletta) noch heute zu uns redende Baukunst weist dorthin
nicht nur durch einzelne verblüffende Renaissancemotive, sondern
fast noch mehr durch Zweckmäßigkeit und Monumentalität, die
Skulptur in den Werken der Capuaner Bildhauerschule und der
Prägung der goldenen Augustalen durch direkten Anschluß an die
griechisch-römischen Vorbilder, deren Verehrung der Kaiser, auch
darin seiner Zeit weit voraneilend, durch die Anlage einer ersten
Antikensammlung bezeugte.

Schon die stark persönliche Note in allen diesen Betätigungen
zeigt, daß er sein Selbst nicht nach Art geistreicher Dilettanten in
dieser Vielseitigkeit verlor. Dafür sorgte schon der hochgespannte
Herrscherstolz, der unbeugsame Eigenwille und das reizbare Selbst-
gefühl. Wo sie geschont wurden, konnte Friedrich leutselig, frei-
gebig, großmütig sein; wurden sie jedoch durchkreuzt, so erwachten
wilde, dämonische Triebe und suchten Selbstdurchsetzung um jeden
Preis zu erzwingen: rücksichtslose Willkür, unbarmherzige Grau-
samkeit, hinterlistige Treulosigkeit, die gegen Rebellen und Verräter
erlaubt erschien, und leidenschaftlicher Rachedurst, der in jenen
Worten vor dem abtrünnigen Viterbo grandiosen Ausdruck gefunden
hat: "auch nach seinem Tode würden seine Gebeine nicht Ruhe
finden, ehe er nicht die Stadt zerstört habe; schon den Fuß im
Paradiese, würde er ihn zurückziehen, wenn er an Viterbo Rache
nehmen könne".

Man begreift, daß gerade diese jähen Wandlungen seines
Wesens, das der gleichmäßigen Wärme ermangelte, die unberechenbar

1) Das Hauptwerk ist jetzt Bertaux, L'art dans l'Italie meridionale I
(1904); vgl. Dehio Hist. Ztschr. 95. Populäre Darstellungen mit Illustrationen
von Schubring, D. Baukunst II. Serie, 5. Heft (1903) u. Haseloff, Wester-
manns Monatsh. 100 (1906). Weitere Aufklärung werden die im Auftrag des
Preuß. hist. Instituts vorgenommenen Forschungen v. Haseloff bringen.
§ 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239).

Füllte schon die Beschäftigung mit der Wissenschaft diesem
rastlosen Geiste nur die Mußestunden, so hat er gewiß seine Kunst-
liebhabereien noch mehr als Erholung und Luxus betrachtet. Aber
auch ihre Wirkung war höchst bedeutend. Die Kanzonen, die er
dichtete und in Musik setzte, machten mit ihrer frühen Anwendung
der Vulgärsprache ihren Verfasser nach Dantes Urteil zum Vater
der italienischen Poesie. Die bildenden Künste1), die unter seinem
Antriebe in Süditalien einen mächtigen, wenn auch ganz und gar
durch die persönlichen Bedürfnisse und Neigungen des Herrschers
bestimmten Aufschwung nahmen, weisen, wie das Wesen Friedrichs
selbst deutlich hin auf die kommende italienische Renaissance. Die
in den Resten zahlreicher Schloßbauten, insbesondere in dem wohl
von dem Kaiser selbst entworfenen, reizvollen Castel del Monte
(w. v. Barletta) noch heute zu uns redende Baukunst weist dorthin
nicht nur durch einzelne verblüffende Renaissancemotive, sondern
fast noch mehr durch Zweckmäßigkeit und Monumentalität, die
Skulptur in den Werken der Capuaner Bildhauerschule und der
Prägung der goldenen Augustalen durch direkten Anschluß an die
griechisch-römischen Vorbilder, deren Verehrung der Kaiser, auch
darin seiner Zeit weit voraneilend, durch die Anlage einer ersten
Antikensammlung bezeugte.

Schon die stark persönliche Note in allen diesen Betätigungen
zeigt, daß er sein Selbst nicht nach Art geistreicher Dilettanten in
dieser Vielseitigkeit verlor. Dafür sorgte schon der hochgespannte
Herrscherstolz, der unbeugsame Eigenwille und das reizbare Selbst-
gefühl. Wo sie geschont wurden, konnte Friedrich leutselig, frei-
gebig, großmütig sein; wurden sie jedoch durchkreuzt, so erwachten
wilde, dämonische Triebe und suchten Selbstdurchsetzung um jeden
Preis zu erzwingen: rücksichtslose Willkür, unbarmherzige Grau-
samkeit, hinterlistige Treulosigkeit, die gegen Rebellen und Verräter
erlaubt erschien, und leidenschaftlicher Rachedurst, der in jenen
Worten vor dem abtrünnigen Viterbo grandiosen Ausdruck gefunden
hat: „auch nach seinem Tode würden seine Gebeine nicht Ruhe
finden, ehe er nicht die Stadt zerstört habe; schon den Fuß im
Paradiese, würde er ihn zurückziehen, wenn er an Viterbo Rache
nehmen könne“.

Man begreift, daß gerade diese jähen Wandlungen seines
Wesens, das der gleichmäßigen Wärme ermangelte, die unberechenbar

1) Das Hauptwerk ist jetzt Bertaux, L'art dans l'Italie méridionale I
(1904); vgl. Dehio Hist. Ztschr. 95. Populäre Darstellungen mit Illustrationen
von Schubring, D. Baukunst II. Serie, 5. Heft (1903) u. Haseloff, Wester-
manns Monatsh. 100 (1906). Weitere Aufklärung werden die im Auftrag des
Preuß. hist. Instituts vorgenommenen Forschungen v. Haseloff bringen.
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[223/0231] § 17. Friedrich II. auf der Höhe seiner Macht (1230‒1239). Füllte schon die Beschäftigung mit der Wissenschaft diesem rastlosen Geiste nur die Mußestunden, so hat er gewiß seine Kunst- liebhabereien noch mehr als Erholung und Luxus betrachtet. Aber auch ihre Wirkung war höchst bedeutend. Die Kanzonen, die er dichtete und in Musik setzte, machten mit ihrer frühen Anwendung der Vulgärsprache ihren Verfasser nach Dantes Urteil zum Vater der italienischen Poesie. Die bildenden Künste 1), die unter seinem Antriebe in Süditalien einen mächtigen, wenn auch ganz und gar durch die persönlichen Bedürfnisse und Neigungen des Herrschers bestimmten Aufschwung nahmen, weisen, wie das Wesen Friedrichs selbst deutlich hin auf die kommende italienische Renaissance. Die in den Resten zahlreicher Schloßbauten, insbesondere in dem wohl von dem Kaiser selbst entworfenen, reizvollen Castel del Monte (w. v. Barletta) noch heute zu uns redende Baukunst weist dorthin nicht nur durch einzelne verblüffende Renaissancemotive, sondern fast noch mehr durch Zweckmäßigkeit und Monumentalität, die Skulptur in den Werken der Capuaner Bildhauerschule und der Prägung der goldenen Augustalen durch direkten Anschluß an die griechisch-römischen Vorbilder, deren Verehrung der Kaiser, auch darin seiner Zeit weit voraneilend, durch die Anlage einer ersten Antikensammlung bezeugte. Schon die stark persönliche Note in allen diesen Betätigungen zeigt, daß er sein Selbst nicht nach Art geistreicher Dilettanten in dieser Vielseitigkeit verlor. Dafür sorgte schon der hochgespannte Herrscherstolz, der unbeugsame Eigenwille und das reizbare Selbst- gefühl. Wo sie geschont wurden, konnte Friedrich leutselig, frei- gebig, großmütig sein; wurden sie jedoch durchkreuzt, so erwachten wilde, dämonische Triebe und suchten Selbstdurchsetzung um jeden Preis zu erzwingen: rücksichtslose Willkür, unbarmherzige Grau- samkeit, hinterlistige Treulosigkeit, die gegen Rebellen und Verräter erlaubt erschien, und leidenschaftlicher Rachedurst, der in jenen Worten vor dem abtrünnigen Viterbo grandiosen Ausdruck gefunden hat: „auch nach seinem Tode würden seine Gebeine nicht Ruhe finden, ehe er nicht die Stadt zerstört habe; schon den Fuß im Paradiese, würde er ihn zurückziehen, wenn er an Viterbo Rache nehmen könne“. Man begreift, daß gerade diese jähen Wandlungen seines Wesens, das der gleichmäßigen Wärme ermangelte, die unberechenbar 1) Das Hauptwerk ist jetzt Bertaux, L'art dans l'Italie méridionale I (1904); vgl. Dehio Hist. Ztschr. 95. Populäre Darstellungen mit Illustrationen von Schubring, D. Baukunst II. Serie, 5. Heft (1903) u. Haseloff, Wester- manns Monatsh. 100 (1906). Weitere Aufklärung werden die im Auftrag des Preuß. hist. Instituts vorgenommenen Forschungen v. Haseloff bringen.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/231>, abgerufen am 30.04.2024.