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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
engsten Zusammengehen mit dem Papsttum gelegen. Er erfüllte
seine Versprechungen in Deutschland1) und Italien in vollem Um-
fange; erst die Macht des Reiches vermochte damals in dem er-
weiterten Kirchenstaate die Anarchie zu beseitigen und den Papst nach
Rom zurückzuführen. In seinem bei der Krönung erlassenen großen
Gesetze verhieß der Kaiser der italienischen Geistlichkeit -- zumeist
auf Kosten der Städte -- wertvolle Befreiung von weltlichen Ab-
gaben und Gerichten. Dem Kirchenbanne sollte auch hier die
kaiserliche Acht folgen, und zur Vernichtung der Ketzer ward nach
dem Vorbilde Friedrichs I. der Kirche von Seiten des Kaisers der
weitestreichende Vorschub geleistet, und das weltliche Schwert zur
Verfügung gestellt. Als Gegendienst war dabei an eine Bekämpfung
der Reichsrebellen mit den Waffen der Kirche gedacht, -- flossen
doch in der Tat die Begriffe Ketzerei und Abkehr von der bestehen-
den Staatsordnung damals vielfach in eins zusammen. Endlich er-
neuerte Friedrich bei der Kaiserkrönung sein Kreuzzugsgelübde und
verhieß für das nächste Jahr die Erfüllung. Diese Frage trat nun
in den Mittelpunkt der Politik des folgenden Jahrzehnts.

Nachdem der vierte Kreuzzug sein ursprüngliches Ziel ver-
fehlt hatte, war die Bewegung im Abendlande nicht mehr ins Stocken
gekommen. Sie führte zu so krankhaften Auswüchsen wie dem
Kinderkreuzzug des Jahres 1212. Da war es gut, daß der Beschluß
des großen Laterankonzils sie wieder in geordnete Bahnen zu
lenken suchte. Innozenz III. hätte sich vielleicht persönlich an die
Spitze der Heerscharen gestellt; sein Nachfolger, einer so gewaltigen
Aufgabe nicht gewachsen, bemühte sich zwar mit aller Kraft um
das Unternehmen, vermochte aber die verschiedenen Einzelströme
nicht in eine große Flutwelle zusammenzufassen. Insbesondere
mußte man der Lage Friedrichs II. notgedrungen Rechnung tragen,
der den ungeordneten deutschen Verhältnissen unmöglich seine
Gegenwart entziehen konnte. Der Ruf an ihn wurde dringlicher,
als ein vorwiegend aus Deutschen bestehendes Kreuzheer, dessen
Leitung der päpstliche Legat Pelagius an sich gebracht hatte, mit
der Eroberung der ägyptischen Hafenstadt Damiette (1219) zwar
einen verheißungsvollen Erfolg davontrug, ihn aber ohne erheblichen
Truppennachschub nicht fruchtbar machen konnte. Nach der Ord-
nung Deutschlands und der Erneuerung seines Gelübdes wurde nun
Friedrichs Eingreifen für das Jahr 1221 mit Bestimmtheit ange-
kündigt, und der Legat angewiesen, bis dahin sich aller kriegerischen
Unternehmungen zu enthalten.

1) Nur ein beschränktes Regalienrecht wurde, offenbar im Einverständnis
mit dem Episkopat, bald wieder geübt.

II. Die Zeit der Staufer.
engsten Zusammengehen mit dem Papsttum gelegen. Er erfüllte
seine Versprechungen in Deutschland1) und Italien in vollem Um-
fange; erst die Macht des Reiches vermochte damals in dem er-
weiterten Kirchenstaate die Anarchie zu beseitigen und den Papst nach
Rom zurückzuführen. In seinem bei der Krönung erlassenen großen
Gesetze verhieß der Kaiser der italienischen Geistlichkeit — zumeist
auf Kosten der Städte — wertvolle Befreiung von weltlichen Ab-
gaben und Gerichten. Dem Kirchenbanne sollte auch hier die
kaiserliche Acht folgen, und zur Vernichtung der Ketzer ward nach
dem Vorbilde Friedrichs I. der Kirche von Seiten des Kaisers der
weitestreichende Vorschub geleistet, und das weltliche Schwert zur
Verfügung gestellt. Als Gegendienst war dabei an eine Bekämpfung
der Reichsrebellen mit den Waffen der Kirche gedacht, — flossen
doch in der Tat die Begriffe Ketzerei und Abkehr von der bestehen-
den Staatsordnung damals vielfach in eins zusammen. Endlich er-
neuerte Friedrich bei der Kaiserkrönung sein Kreuzzugsgelübde und
verhieß für das nächste Jahr die Erfüllung. Diese Frage trat nun
in den Mittelpunkt der Politik des folgenden Jahrzehnts.

Nachdem der vierte Kreuzzug sein ursprüngliches Ziel ver-
fehlt hatte, war die Bewegung im Abendlande nicht mehr ins Stocken
gekommen. Sie führte zu so krankhaften Auswüchsen wie dem
Kinderkreuzzug des Jahres 1212. Da war es gut, daß der Beschluß
des großen Laterankonzils sie wieder in geordnete Bahnen zu
lenken suchte. Innozenz III. hätte sich vielleicht persönlich an die
Spitze der Heerscharen gestellt; sein Nachfolger, einer so gewaltigen
Aufgabe nicht gewachsen, bemühte sich zwar mit aller Kraft um
das Unternehmen, vermochte aber die verschiedenen Einzelströme
nicht in eine große Flutwelle zusammenzufassen. Insbesondere
mußte man der Lage Friedrichs II. notgedrungen Rechnung tragen,
der den ungeordneten deutschen Verhältnissen unmöglich seine
Gegenwart entziehen konnte. Der Ruf an ihn wurde dringlicher,
als ein vorwiegend aus Deutschen bestehendes Kreuzheer, dessen
Leitung der päpstliche Legat Pelagius an sich gebracht hatte, mit
der Eroberung der ägyptischen Hafenstadt Damiette (1219) zwar
einen verheißungsvollen Erfolg davontrug, ihn aber ohne erheblichen
Truppennachschub nicht fruchtbar machen konnte. Nach der Ord-
nung Deutschlands und der Erneuerung seines Gelübdes wurde nun
Friedrichs Eingreifen für das Jahr 1221 mit Bestimmtheit ange-
kündigt, und der Legat angewiesen, bis dahin sich aller kriegerischen
Unternehmungen zu enthalten.

1) Nur ein beschränktes Regalienrecht wurde, offenbar im Einverständnis
mit dem Episkopat, bald wieder geübt.
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[208/0216] II. Die Zeit der Staufer. engsten Zusammengehen mit dem Papsttum gelegen. Er erfüllte seine Versprechungen in Deutschland 1) und Italien in vollem Um- fange; erst die Macht des Reiches vermochte damals in dem er- weiterten Kirchenstaate die Anarchie zu beseitigen und den Papst nach Rom zurückzuführen. In seinem bei der Krönung erlassenen großen Gesetze verhieß der Kaiser der italienischen Geistlichkeit — zumeist auf Kosten der Städte — wertvolle Befreiung von weltlichen Ab- gaben und Gerichten. Dem Kirchenbanne sollte auch hier die kaiserliche Acht folgen, und zur Vernichtung der Ketzer ward nach dem Vorbilde Friedrichs I. der Kirche von Seiten des Kaisers der weitestreichende Vorschub geleistet, und das weltliche Schwert zur Verfügung gestellt. Als Gegendienst war dabei an eine Bekämpfung der Reichsrebellen mit den Waffen der Kirche gedacht, — flossen doch in der Tat die Begriffe Ketzerei und Abkehr von der bestehen- den Staatsordnung damals vielfach in eins zusammen. Endlich er- neuerte Friedrich bei der Kaiserkrönung sein Kreuzzugsgelübde und verhieß für das nächste Jahr die Erfüllung. Diese Frage trat nun in den Mittelpunkt der Politik des folgenden Jahrzehnts. Nachdem der vierte Kreuzzug sein ursprüngliches Ziel ver- fehlt hatte, war die Bewegung im Abendlande nicht mehr ins Stocken gekommen. Sie führte zu so krankhaften Auswüchsen wie dem Kinderkreuzzug des Jahres 1212. Da war es gut, daß der Beschluß des großen Laterankonzils sie wieder in geordnete Bahnen zu lenken suchte. Innozenz III. hätte sich vielleicht persönlich an die Spitze der Heerscharen gestellt; sein Nachfolger, einer so gewaltigen Aufgabe nicht gewachsen, bemühte sich zwar mit aller Kraft um das Unternehmen, vermochte aber die verschiedenen Einzelströme nicht in eine große Flutwelle zusammenzufassen. Insbesondere mußte man der Lage Friedrichs II. notgedrungen Rechnung tragen, der den ungeordneten deutschen Verhältnissen unmöglich seine Gegenwart entziehen konnte. Der Ruf an ihn wurde dringlicher, als ein vorwiegend aus Deutschen bestehendes Kreuzheer, dessen Leitung der päpstliche Legat Pelagius an sich gebracht hatte, mit der Eroberung der ägyptischen Hafenstadt Damiette (1219) zwar einen verheißungsvollen Erfolg davontrug, ihn aber ohne erheblichen Truppennachschub nicht fruchtbar machen konnte. Nach der Ord- nung Deutschlands und der Erneuerung seines Gelübdes wurde nun Friedrichs Eingreifen für das Jahr 1221 mit Bestimmtheit ange- kündigt, und der Legat angewiesen, bis dahin sich aller kriegerischen Unternehmungen zu enthalten. 1) Nur ein beschränktes Regalienrecht wurde, offenbar im Einverständnis mit dem Episkopat, bald wieder geübt.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/216>, abgerufen am 30.04.2024.