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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.

Mit dieser allgemeinen politischen Tendenz Friedrichs kreuzte
sich nun das Bestreben der Kurie, die Personalunion Siziliens mit
dem Reiche, die bei längerer Dauer dem Papsttum ebenso gefähr-
lich werden mußte, wie eine staatsrechtliche Verbindung, so bald
als möglich durch Abspaltung Siziliens zu lösen. Dafür hatte Inno-
zenz III., der in der Kaiserkrone noch immer einen Trumpf be-
saß, kurz vor seinem Tode Vorsorge getroffen.1) Friedrich hatte
sich (1216) verpflichten müssen, vom Augenblicke der Kaiserkrönung
ab zugunsten seines minderjährigen Sohnes Heinrich und einer mit
dem Papst zu vereinbarenden Regentschaft auf Sizilien Verzicht zu
leisten. Ob es ihm damit jemals Ernst gewesen ist, steht dahin.
Wahrscheinlich hoffte er von vornherein, die Zusage später umgehen
zu können, und dem Nachfolger Innozenz' III. gegenüber gewann
er in der Tat diplomatisch das Oberwasser.

Honorius III. (1216-27)2), der uns schon unter dem Namen
des Kardinals und Kämmerers Cencius als ausgezeichneter Finanz-
mann und Verwaltungsbeamter der Kurie entgegengetreten ist, glaubte
auch als Papst nach der gewaltigen Machtausdehnung der Kirche
unter seinem Vorgänger vor allem den begonnenen inneren Aus-
bau fortführen und für eine sichere wirtschaftliche Grundlage Sorge
tragen zu sollen. Überdies hatte er die große Aufgabe des neuen
Kreuzzugunternehmens überkommen, die ihm ganz besonders am
Herzen lag. Auch machte seine ehrliche, milde und versöhnliche
Natur den hochbejahrten, kränklichen Mann dem Ränkespiel der
hohen Politik abhold, während Friedrich sich da alsbald als der
gelehrige Schüler seines päpstlichen Vormundes erwies. Er erkannte
mit Scharfblick den schwachen Punkt des Vertrages: für sich selbst
hatte er zwar auf die Personalunion in Zukunft verzichtet; daß sie
sich aber unter seinem Sohne erneuerte, widersprach zum mindesten
nicht dem Wortlaut der Abmachung. Auf dies Ziel nun strebte
Friedrich alsbald ganz offen hin; war die Verbindung der Reiche
erst einmal in der Person Heinrichs gesichert, konnte die Kurie
dann gegen die gleiche Vereinigung unter dem Vater, mit dem sie
ja fortdauernd die besten Beziehungen unterhielt, noch begründete
Einwendungen machen?

Die Einholung des Sohnes nach Deutschland (1216), seine
Belehnung mit dem Herzogtum Schwaben (1217) und dem Rektorat
über Burgund (1219) waren vorbereitende Schritte, um den jungen
sizilischen König diesseits der Alpen Fuß fassen zu lassen. Die
Hauptfrage war dann, ob die deutschen Fürsten sich zu seiner

1) Über die Unionsfrage vergl. v. Kap-herr, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. 1.
2) Seine Register sind herausgegeben v. Pressutti, 2 Bde. 1888, 1895;
über die sonstigen Quellen zur Geschichte des Papstes vergl. Reg. Imp. V,
S. 1120.
II. Die Zeit der Staufer.

Mit dieser allgemeinen politischen Tendenz Friedrichs kreuzte
sich nun das Bestreben der Kurie, die Personalunion Siziliens mit
dem Reiche, die bei längerer Dauer dem Papsttum ebenso gefähr-
lich werden mußte, wie eine staatsrechtliche Verbindung, so bald
als möglich durch Abspaltung Siziliens zu lösen. Dafür hatte Inno-
zenz III., der in der Kaiserkrone noch immer einen Trumpf be-
saß, kurz vor seinem Tode Vorsorge getroffen.1) Friedrich hatte
sich (1216) verpflichten müssen, vom Augenblicke der Kaiserkrönung
ab zugunsten seines minderjährigen Sohnes Heinrich und einer mit
dem Papst zu vereinbarenden Regentschaft auf Sizilien Verzicht zu
leisten. Ob es ihm damit jemals Ernst gewesen ist, steht dahin.
Wahrscheinlich hoffte er von vornherein, die Zusage später umgehen
zu können, und dem Nachfolger Innozenz' III. gegenüber gewann
er in der Tat diplomatisch das Oberwasser.

Honorius III. (1216‒27)2), der uns schon unter dem Namen
des Kardinals und Kämmerers Cencius als ausgezeichneter Finanz-
mann und Verwaltungsbeamter der Kurie entgegengetreten ist, glaubte
auch als Papst nach der gewaltigen Machtausdehnung der Kirche
unter seinem Vorgänger vor allem den begonnenen inneren Aus-
bau fortführen und für eine sichere wirtschaftliche Grundlage Sorge
tragen zu sollen. Überdies hatte er die große Aufgabe des neuen
Kreuzzugunternehmens überkommen, die ihm ganz besonders am
Herzen lag. Auch machte seine ehrliche, milde und versöhnliche
Natur den hochbejahrten, kränklichen Mann dem Ränkespiel der
hohen Politik abhold, während Friedrich sich da alsbald als der
gelehrige Schüler seines päpstlichen Vormundes erwies. Er erkannte
mit Scharfblick den schwachen Punkt des Vertrages: für sich selbst
hatte er zwar auf die Personalunion in Zukunft verzichtet; daß sie
sich aber unter seinem Sohne erneuerte, widersprach zum mindesten
nicht dem Wortlaut der Abmachung. Auf dies Ziel nun strebte
Friedrich alsbald ganz offen hin; war die Verbindung der Reiche
erst einmal in der Person Heinrichs gesichert, konnte die Kurie
dann gegen die gleiche Vereinigung unter dem Vater, mit dem sie
ja fortdauernd die besten Beziehungen unterhielt, noch begründete
Einwendungen machen?

Die Einholung des Sohnes nach Deutschland (1216), seine
Belehnung mit dem Herzogtum Schwaben (1217) und dem Rektorat
über Burgund (1219) waren vorbereitende Schritte, um den jungen
sizilischen König diesseits der Alpen Fuß fassen zu lassen. Die
Hauptfrage war dann, ob die deutschen Fürsten sich zu seiner

1) Über die Unionsfrage vergl. v. Kap-herr, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. 1.
2) Seine Register sind herausgegeben v. Pressutti, 2 Bde. 1888, 1895;
über die sonstigen Quellen zur Geschichte des Papstes vergl. Reg. Imp. V,
S. 1120.
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[206/0214] II. Die Zeit der Staufer. Mit dieser allgemeinen politischen Tendenz Friedrichs kreuzte sich nun das Bestreben der Kurie, die Personalunion Siziliens mit dem Reiche, die bei längerer Dauer dem Papsttum ebenso gefähr- lich werden mußte, wie eine staatsrechtliche Verbindung, so bald als möglich durch Abspaltung Siziliens zu lösen. Dafür hatte Inno- zenz III., der in der Kaiserkrone noch immer einen Trumpf be- saß, kurz vor seinem Tode Vorsorge getroffen. 1) Friedrich hatte sich (1216) verpflichten müssen, vom Augenblicke der Kaiserkrönung ab zugunsten seines minderjährigen Sohnes Heinrich und einer mit dem Papst zu vereinbarenden Regentschaft auf Sizilien Verzicht zu leisten. Ob es ihm damit jemals Ernst gewesen ist, steht dahin. Wahrscheinlich hoffte er von vornherein, die Zusage später umgehen zu können, und dem Nachfolger Innozenz' III. gegenüber gewann er in der Tat diplomatisch das Oberwasser. Honorius III. (1216‒27) 2), der uns schon unter dem Namen des Kardinals und Kämmerers Cencius als ausgezeichneter Finanz- mann und Verwaltungsbeamter der Kurie entgegengetreten ist, glaubte auch als Papst nach der gewaltigen Machtausdehnung der Kirche unter seinem Vorgänger vor allem den begonnenen inneren Aus- bau fortführen und für eine sichere wirtschaftliche Grundlage Sorge tragen zu sollen. Überdies hatte er die große Aufgabe des neuen Kreuzzugunternehmens überkommen, die ihm ganz besonders am Herzen lag. Auch machte seine ehrliche, milde und versöhnliche Natur den hochbejahrten, kränklichen Mann dem Ränkespiel der hohen Politik abhold, während Friedrich sich da alsbald als der gelehrige Schüler seines päpstlichen Vormundes erwies. Er erkannte mit Scharfblick den schwachen Punkt des Vertrages: für sich selbst hatte er zwar auf die Personalunion in Zukunft verzichtet; daß sie sich aber unter seinem Sohne erneuerte, widersprach zum mindesten nicht dem Wortlaut der Abmachung. Auf dies Ziel nun strebte Friedrich alsbald ganz offen hin; war die Verbindung der Reiche erst einmal in der Person Heinrichs gesichert, konnte die Kurie dann gegen die gleiche Vereinigung unter dem Vater, mit dem sie ja fortdauernd die besten Beziehungen unterhielt, noch begründete Einwendungen machen? Die Einholung des Sohnes nach Deutschland (1216), seine Belehnung mit dem Herzogtum Schwaben (1217) und dem Rektorat über Burgund (1219) waren vorbereitende Schritte, um den jungen sizilischen König diesseits der Alpen Fuß fassen zu lassen. Die Hauptfrage war dann, ob die deutschen Fürsten sich zu seiner 1) Über die Unionsfrage vergl. v. Kap-herr, Deutsche Zeitschr. f. Gesch. 1. 2) Seine Register sind herausgegeben v. Pressutti, 2 Bde. 1888, 1895; über die sonstigen Quellen zur Geschichte des Papstes vergl. Reg. Imp. V, S. 1120.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/214>, abgerufen am 30.04.2024.