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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
hatte das Papsttum seinen Machtkreis rings erweitert, in allen übrigen
europäischen Ländern, ja darüber hinaus bis zu dem fernen Arme-
nien entweder die volle Lehenshoheit oder doch den bedeutend-
sten politischen Einfluß gewonnen.

Das Gefüge der kirchlichen Organisation war straffer gestaltet.
Nicht nur in Sizilien und dem Reiche, sondern fast allenthalben,
namentlich in England, war Bresche gelegt in die kirchlichen
Hoheitsrechte des Staates, zugleich aber auch die absolute Gewalt
des Papsttums innerhalb der Kirche auf Kosten der alten Selbstän-
digkeit des Episkopates und jeglicher Mittelgewalten kräftig erweitert.

Die Zentralisation der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Rom, die
dort mit ihrer Vielgeschäftigkeit allen echt religiösen Geist zu er-
sticken drohte, das unaufhaltsame Vordringen dieser jurisdiktionellen
Ansprüche gegen das weltliche Gebiet, wodurch zahllose Konflikte
mit den staatlichen Gewalten bis in die kleinsten Kreise hinein
entstanden, die wachsenden Geldforderungen der Kurie, die für
ihre weltumspannende Politik und den Unterhalt ihrer riesenhaften
Organisation entsprechender Mittel bedurfte; die übermäßige An-
wendung der geistlichen Disziplinarmittel, die leicht eine Abstumpfung
des religiösen Gefühls erzeugte, -- das alles waren freilich bedenk-
liche Züge in der neuerlichen Entwicklung der Papstkirche, die
nicht zum wenigsten den Nährboden für die immer reichere Ent-
faltung ketzerischer Sekten abgaben.

Aber schon war unter Innozenz gegen diese inneren Feinde
der Kirche, gegen Katharer und Waldenser, mit aller Wucht der
Vernichtungskampf aufgenommen, in Südfrankreich ein erster greuel-
voller Triumph errungen, und in der Inquisition zur weiteren Ver-
nichtung der Ketzer eine schneidige Waffe geschliffen.

Und auch zur Wiedererweckung echter Religiosität waren im
Schoße der Kirche neue Kräfte erwacht und vom Papsttum nach
kurzem Schwanken anerkannt. Schon mehrere Jahre lehrte und
lebte Franz von Assisi, der Religionsheld und gottbegnadete Künstler,
das opfervolle Evangelium der Armut und Liebe. Er und sein
wesensverschiedener Schicksalsgenosse, der willensstarke und ver-
standesklare Spanier Dominikus traten noch an Innozenz III. mit
der Bitte um Bestätigung ihrer neuen, freilich noch in der ersten
keimartigen Entwicklung begriffenen Ordensschöpfungen heran, und
tiefdringende Beurteiler, wie der Kardinal Ugolino von Ostia, er-
kannten in ihnen schon damals die Säulen, die bestimmt waren,
bei einer allgemeinen Erschütterung der Dinge den Bau der Kirche
zu tragen, wie es die Legende vom h. Franz den Papst in der
Nacht vor der Bestätigung der ersten Genossenschaft träumen läßt.
Denn in den beiden Bettelorden der Minoriten und Dominikaner,

II. Die Zeit der Staufer.
hatte das Papsttum seinen Machtkreis rings erweitert, in allen übrigen
europäischen Ländern, ja darüber hinaus bis zu dem fernen Arme-
nien entweder die volle Lehenshoheit oder doch den bedeutend-
sten politischen Einfluß gewonnen.

Das Gefüge der kirchlichen Organisation war straffer gestaltet.
Nicht nur in Sizilien und dem Reiche, sondern fast allenthalben,
namentlich in England, war Bresche gelegt in die kirchlichen
Hoheitsrechte des Staates, zugleich aber auch die absolute Gewalt
des Papsttums innerhalb der Kirche auf Kosten der alten Selbstän-
digkeit des Episkopates und jeglicher Mittelgewalten kräftig erweitert.

Die Zentralisation der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Rom, die
dort mit ihrer Vielgeschäftigkeit allen echt religiösen Geist zu er-
sticken drohte, das unaufhaltsame Vordringen dieser jurisdiktionellen
Ansprüche gegen das weltliche Gebiet, wodurch zahllose Konflikte
mit den staatlichen Gewalten bis in die kleinsten Kreise hinein
entstanden, die wachsenden Geldforderungen der Kurie, die für
ihre weltumspannende Politik und den Unterhalt ihrer riesenhaften
Organisation entsprechender Mittel bedurfte; die übermäßige An-
wendung der geistlichen Disziplinarmittel, die leicht eine Abstumpfung
des religiösen Gefühls erzeugte, — das alles waren freilich bedenk-
liche Züge in der neuerlichen Entwicklung der Papstkirche, die
nicht zum wenigsten den Nährboden für die immer reichere Ent-
faltung ketzerischer Sekten abgaben.

Aber schon war unter Innozenz gegen diese inneren Feinde
der Kirche, gegen Katharer und Waldenser, mit aller Wucht der
Vernichtungskampf aufgenommen, in Südfrankreich ein erster greuel-
voller Triumph errungen, und in der Inquisition zur weiteren Ver-
nichtung der Ketzer eine schneidige Waffe geschliffen.

Und auch zur Wiedererweckung echter Religiosität waren im
Schoße der Kirche neue Kräfte erwacht und vom Papsttum nach
kurzem Schwanken anerkannt. Schon mehrere Jahre lehrte und
lebte Franz von Assisi, der Religionsheld und gottbegnadete Künstler,
das opfervolle Evangelium der Armut und Liebe. Er und sein
wesensverschiedener Schicksalsgenosse, der willensstarke und ver-
standesklare Spanier Dominikus traten noch an Innozenz III. mit
der Bitte um Bestätigung ihrer neuen, freilich noch in der ersten
keimartigen Entwicklung begriffenen Ordensschöpfungen heran, und
tiefdringende Beurteiler, wie der Kardinal Ugolino von Ostia, er-
kannten in ihnen schon damals die Säulen, die bestimmt waren,
bei einer allgemeinen Erschütterung der Dinge den Bau der Kirche
zu tragen, wie es die Legende vom h. Franz den Papst in der
Nacht vor der Bestätigung der ersten Genossenschaft träumen läßt.
Denn in den beiden Bettelorden der Minoriten und Dominikaner,

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[200/0208] II. Die Zeit der Staufer. hatte das Papsttum seinen Machtkreis rings erweitert, in allen übrigen europäischen Ländern, ja darüber hinaus bis zu dem fernen Arme- nien entweder die volle Lehenshoheit oder doch den bedeutend- sten politischen Einfluß gewonnen. Das Gefüge der kirchlichen Organisation war straffer gestaltet. Nicht nur in Sizilien und dem Reiche, sondern fast allenthalben, namentlich in England, war Bresche gelegt in die kirchlichen Hoheitsrechte des Staates, zugleich aber auch die absolute Gewalt des Papsttums innerhalb der Kirche auf Kosten der alten Selbstän- digkeit des Episkopates und jeglicher Mittelgewalten kräftig erweitert. Die Zentralisation der kirchlichen Gerichtsbarkeit in Rom, die dort mit ihrer Vielgeschäftigkeit allen echt religiösen Geist zu er- sticken drohte, das unaufhaltsame Vordringen dieser jurisdiktionellen Ansprüche gegen das weltliche Gebiet, wodurch zahllose Konflikte mit den staatlichen Gewalten bis in die kleinsten Kreise hinein entstanden, die wachsenden Geldforderungen der Kurie, die für ihre weltumspannende Politik und den Unterhalt ihrer riesenhaften Organisation entsprechender Mittel bedurfte; die übermäßige An- wendung der geistlichen Disziplinarmittel, die leicht eine Abstumpfung des religiösen Gefühls erzeugte, — das alles waren freilich bedenk- liche Züge in der neuerlichen Entwicklung der Papstkirche, die nicht zum wenigsten den Nährboden für die immer reichere Ent- faltung ketzerischer Sekten abgaben. Aber schon war unter Innozenz gegen diese inneren Feinde der Kirche, gegen Katharer und Waldenser, mit aller Wucht der Vernichtungskampf aufgenommen, in Südfrankreich ein erster greuel- voller Triumph errungen, und in der Inquisition zur weiteren Ver- nichtung der Ketzer eine schneidige Waffe geschliffen. Und auch zur Wiedererweckung echter Religiosität waren im Schoße der Kirche neue Kräfte erwacht und vom Papsttum nach kurzem Schwanken anerkannt. Schon mehrere Jahre lehrte und lebte Franz von Assisi, der Religionsheld und gottbegnadete Künstler, das opfervolle Evangelium der Armut und Liebe. Er und sein wesensverschiedener Schicksalsgenosse, der willensstarke und ver- standesklare Spanier Dominikus traten noch an Innozenz III. mit der Bitte um Bestätigung ihrer neuen, freilich noch in der ersten keimartigen Entwicklung begriffenen Ordensschöpfungen heran, und tiefdringende Beurteiler, wie der Kardinal Ugolino von Ostia, er- kannten in ihnen schon damals die Säulen, die bestimmt waren, bei einer allgemeinen Erschütterung der Dinge den Bau der Kirche zu tragen, wie es die Legende vom h. Franz den Papst in der Nacht vor der Bestätigung der ersten Genossenschaft träumen läßt. Denn in den beiden Bettelorden der Minoriten und Dominikaner,

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/208>, abgerufen am 30.04.2024.