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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 14. Heinrich VI. (1190-1197).
Wenn so die höchste kirchliche Autorität dem Kölner Erzbischof
zum Trotz die imperialistischen Bestrebungen gefördert und ein
Erbrecht für das Kaisertum ohne vorhergehende Fürstenwahl aner-
kannt hätte, wer hätte dann in Deutschland noch ferner in der
Gegnerschaft zu verharren gewagt? Aber durch diese Rechnung
machte die Kurie einen Strich; in dem klaren Bewußtsein der Ein-
buße, die auch sie durch eine solche Neuordnung erleiden würde,
setzte sie der Forderung eine zähe Weigerung entgegen. Dadurch
erstarkte dann auch die Opposition in Deutschland, und Heinrich
begnügte sich nun in klugem Einschwenken zunächst mit einem
geringeren Erfolge, mit dem er immerhin zufrieden sein konnte.
Durch die Wahl Friedrichs II. zum deutschen Könige schien das,
was er für die Dauer festgesetzt wissen wollte, Vereinigung beider
Reiche unter dem staufischen Herrscherhause, wenigstens für die
nächste Generation gesichert zu sein, und der weitergehende Plan,
der jetzt fallen gelassen wurde, konnte zu gelegenerer Zeit wieder
aufgenommen werden.

Aber auch von sizilischer Seite drohte der Vereinigung ernste
Gefahr. Heinrich war dort der Nationalpartei weit entgegenge-
kommen, indem er die Verwaltung unverändert ließ und die Regent-
schaft seiner Gemahlin, der Sizilianerin, der Tochter des großen
Roger, übertrug. Aber eben diese, eine stolze Frau von starkem,
selbständigem Geiste und leidenschaftlichem Temperament, ganz
erfüllt von den Überlieferungen des normannischen Königtums1),
scheint jener Partei sehr nahegestanden zu haben und ist selbst
über den Verdacht der Mitwisserschaft um die letzte große Ver-
schwörung gegen ihren Gemahl nicht ganz erhaben. Sicher ist der
geheime Anteil des Papstes daran. Die Umlage einer hohen Steuer
und der Versuch Heinrichs, nach dem Vorbilde Rogers alle früheren
königlichen Privilegien einer scharfen Revision zu unterziehen, hatten

legung als Krönung zum Mitkaiser suchte ich, im Anschluß an Winkelmann u.
Caro, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 27 darzutun. Ich freue mich, dadurch den
Anstoß zu der sehr beachtenswerten Studie v. Krammer (s. S. 131) gegeben
zu haben. Seinen mehr nach der Seite von Toeche u. Hauck (römische
Königskrönung) neigenden Darlegungen kann ich mich hier freilich nicht an-
schließen, vielmehr scheinen mir die sonstigen Ausführungen seines Buches
gerade zugunsten meiner Auffassung zu sprechen. Kr.s Meinung berührt sich
damit freilich viel näher, als er selbst zugibt; denn ist eine Krönung, durch
den Papst in den üblichen Formen einer Kaiserkrönung vollzogen, die den
Caesartitel gewährt, zur Nachfolge im römischen Imperium berechtigt, eine
künftige Kaiserkrönung überflüssig macht (vgl. Krammer S. 35), überhaupt noch
als eine "Krönung zum römischen König" von einer "Krönung zum Mitkaiser"
zu unterscheiden?
1) Vgl. über sie neuerdings auch P. Kehr, Quell. u. Forsch. aus it.
Arch. 13 ff., 50 ff.
12*

§ 14. Heinrich VI. (1190‒1197).
Wenn so die höchste kirchliche Autorität dem Kölner Erzbischof
zum Trotz die imperialistischen Bestrebungen gefördert und ein
Erbrecht für das Kaisertum ohne vorhergehende Fürstenwahl aner-
kannt hätte, wer hätte dann in Deutschland noch ferner in der
Gegnerschaft zu verharren gewagt? Aber durch diese Rechnung
machte die Kurie einen Strich; in dem klaren Bewußtsein der Ein-
buße, die auch sie durch eine solche Neuordnung erleiden würde,
setzte sie der Forderung eine zähe Weigerung entgegen. Dadurch
erstarkte dann auch die Opposition in Deutschland, und Heinrich
begnügte sich nun in klugem Einschwenken zunächst mit einem
geringeren Erfolge, mit dem er immerhin zufrieden sein konnte.
Durch die Wahl Friedrichs II. zum deutschen Könige schien das,
was er für die Dauer festgesetzt wissen wollte, Vereinigung beider
Reiche unter dem staufischen Herrscherhause, wenigstens für die
nächste Generation gesichert zu sein, und der weitergehende Plan,
der jetzt fallen gelassen wurde, konnte zu gelegenerer Zeit wieder
aufgenommen werden.

Aber auch von sizilischer Seite drohte der Vereinigung ernste
Gefahr. Heinrich war dort der Nationalpartei weit entgegenge-
kommen, indem er die Verwaltung unverändert ließ und die Regent-
schaft seiner Gemahlin, der Sizilianerin, der Tochter des großen
Roger, übertrug. Aber eben diese, eine stolze Frau von starkem,
selbständigem Geiste und leidenschaftlichem Temperament, ganz
erfüllt von den Überlieferungen des normannischen Königtums1),
scheint jener Partei sehr nahegestanden zu haben und ist selbst
über den Verdacht der Mitwisserschaft um die letzte große Ver-
schwörung gegen ihren Gemahl nicht ganz erhaben. Sicher ist der
geheime Anteil des Papstes daran. Die Umlage einer hohen Steuer
und der Versuch Heinrichs, nach dem Vorbilde Rogers alle früheren
königlichen Privilegien einer scharfen Revision zu unterziehen, hatten

legung als Krönung zum Mitkaiser suchte ich, im Anschluß an Winkelmann u.
Caro, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 27 darzutun. Ich freue mich, dadurch den
Anstoß zu der sehr beachtenswerten Studie v. Krammer (s. S. 131) gegeben
zu haben. Seinen mehr nach der Seite von Toeche u. Hauck (römische
Königskrönung) neigenden Darlegungen kann ich mich hier freilich nicht an-
schließen, vielmehr scheinen mir die sonstigen Ausführungen seines Buches
gerade zugunsten meiner Auffassung zu sprechen. Kr.s Meinung berührt sich
damit freilich viel näher, als er selbst zugibt; denn ist eine Krönung, durch
den Papst in den üblichen Formen einer Kaiserkrönung vollzogen, die den
Caesartitel gewährt, zur Nachfolge im römischen Imperium berechtigt, eine
künftige Kaiserkrönung überflüssig macht (vgl. Krammer S. 35), überhaupt noch
als eine „Krönung zum römischen König“ von einer „Krönung zum Mitkaiser“
zu unterscheiden?
1) Vgl. über sie neuerdings auch P. Kehr, Quell. u. Forsch. aus it.
Arch. 13 ff., 50 ff.
12*
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[179/0187] § 14. Heinrich VI. (1190‒1197). Wenn so die höchste kirchliche Autorität dem Kölner Erzbischof zum Trotz die imperialistischen Bestrebungen gefördert und ein Erbrecht für das Kaisertum ohne vorhergehende Fürstenwahl aner- kannt hätte, wer hätte dann in Deutschland noch ferner in der Gegnerschaft zu verharren gewagt? Aber durch diese Rechnung machte die Kurie einen Strich; in dem klaren Bewußtsein der Ein- buße, die auch sie durch eine solche Neuordnung erleiden würde, setzte sie der Forderung eine zähe Weigerung entgegen. Dadurch erstarkte dann auch die Opposition in Deutschland, und Heinrich begnügte sich nun in klugem Einschwenken zunächst mit einem geringeren Erfolge, mit dem er immerhin zufrieden sein konnte. Durch die Wahl Friedrichs II. zum deutschen Könige schien das, was er für die Dauer festgesetzt wissen wollte, Vereinigung beider Reiche unter dem staufischen Herrscherhause, wenigstens für die nächste Generation gesichert zu sein, und der weitergehende Plan, der jetzt fallen gelassen wurde, konnte zu gelegenerer Zeit wieder aufgenommen werden. Aber auch von sizilischer Seite drohte der Vereinigung ernste Gefahr. Heinrich war dort der Nationalpartei weit entgegenge- kommen, indem er die Verwaltung unverändert ließ und die Regent- schaft seiner Gemahlin, der Sizilianerin, der Tochter des großen Roger, übertrug. Aber eben diese, eine stolze Frau von starkem, selbständigem Geiste und leidenschaftlichem Temperament, ganz erfüllt von den Überlieferungen des normannischen Königtums 1), scheint jener Partei sehr nahegestanden zu haben und ist selbst über den Verdacht der Mitwisserschaft um die letzte große Ver- schwörung gegen ihren Gemahl nicht ganz erhaben. Sicher ist der geheime Anteil des Papstes daran. Die Umlage einer hohen Steuer und der Versuch Heinrichs, nach dem Vorbilde Rogers alle früheren königlichen Privilegien einer scharfen Revision zu unterziehen, hatten 1) 1) Vgl. über sie neuerdings auch P. Kehr, Quell. u. Forsch. aus it. Arch. 13 ff., 50 ff. 1) legung als Krönung zum Mitkaiser suchte ich, im Anschluß an Winkelmann u. Caro, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 27 darzutun. Ich freue mich, dadurch den Anstoß zu der sehr beachtenswerten Studie v. Krammer (s. S. 131) gegeben zu haben. Seinen mehr nach der Seite von Toeche u. Hauck (römische Königskrönung) neigenden Darlegungen kann ich mich hier freilich nicht an- schließen, vielmehr scheinen mir die sonstigen Ausführungen seines Buches gerade zugunsten meiner Auffassung zu sprechen. Kr.s Meinung berührt sich damit freilich viel näher, als er selbst zugibt; denn ist eine Krönung, durch den Papst in den üblichen Formen einer Kaiserkrönung vollzogen, die den Caesartitel gewährt, zur Nachfolge im römischen Imperium berechtigt, eine künftige Kaiserkrönung überflüssig macht (vgl. Krammer S. 35), überhaupt noch als eine „Krönung zum römischen König“ von einer „Krönung zum Mitkaiser“ zu unterscheiden? 12*

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/187>, abgerufen am 06.05.2024.