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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178-1190).
Luden nicht die Verhältnisse dazu ein, auf den Trümmern des
morschen Griechenreiches eine deutsche Herrschaft oder Zweig-
herrschaft zu errichten, zur Herstellung der einst gespaltenen Ein-
heit des römischen Imperiums und als ein künftiges Bollwerk
Europas gegen den andringenden Orient? Ob freilich das Ver-
waltungsvermögen der damaligen Deutschen einer so unermeßlich
schwierigen Aufgabe auch nur annähernd gewachsen war, ob es
irgend stärkere und dauerndere Gebilde hätte schaffen können, als
die Franzosen in der Staatenwelt des lateinischen Kaisertums, bleibt
mehr als zweifelhaft. Wie immer, Friedrich war kein Alexander;
wir dürfen ihn nicht tadeln, wenn er der Lockung widerstand. Er
blieb sich selbst und der Kreuzzugsidee treu!

Die Überfahrt über den Hellespont ward nun mühelos bewerk-
stelligt, aber beim Marsch durch das unwirtliche Innere Kleinasiens
erlitten die Kreuzfahrer durch die Angriffe der unbotmäßigen Turko-
manen und die Wortbrüchigkeit des Sultans von Ikonium noch
weit größere Entbehrungen und Verluste. Trotzdem blieb die
Spannkraft des geschwächten und erschöpften Heeres und seines
Führers stark genug, um die Truppen des Sultans aufs Haupt zu
schlagen, Ikonium zu nehmen und den Frieden zu diktieren. Schon
waren unter neuen Mühen die Gebirge Ciliciens überschritten, schon
dehnte sich das christliche Armenien, dessen Fürst Leo II. eben-
damals von Friedrich die Königskrone erbat, vor den lechzenden
Blicken der Kreuzfahrer und versprach ihre Not zu stillen, -- da
traf sie der härteste von allen Schlägen: ihr kaiserlicher Anführer
wurde bei einem Bade in den kühlen Fluten des Saleph vom Tode
ereilt (10. Juni 1190). "Bei dieser Stelle und bei diesem traurigen
Bericht," so heißt es in der Kölner Königschronik, "versagt unser
Griffel und verstummt unsre Rede."

Das Schicksal des deutschen Kreuzzuges war damit entschieden.
Wohl bewährte sich der tapfere Schwabenherzog Friedrich auf dem
weiteren Marsche als umsichtiger Heerführer, aber die Siegeszuver-
sicht war dahin, und bald sank auch er ins Grab. Neben den
frischen Heeren der Engländer und Franzosen, die nun zur See
eintrafen, traten die Deutschen ganz in den Hintergrund. Eben-
deshalb berühren uns hier die ferneren Ereignisse des Kreuzzuges
nicht weiter. Die Ergebnisse waren ja auch diesmal im Verhältnis
zu den Aufwendungen kläglich genug: nur ein schmaler Küsten-
saum auf dreijährige Frist gesichert, das Hauptziel, die Befreiung
des heil. Grabes nicht erreicht! Trotzdem erfolgte kein starker
Rückschlag der Völkerstimmung, wie nach dem zweiten Kreuzzuge.
Insbesondere das Ansehen des Imperiums blieb unerschüttert; denn
aus der Bahn seiner Erfolge hatte den kaiserlichen Helden wie

§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190).
Luden nicht die Verhältnisse dazu ein, auf den Trümmern des
morschen Griechenreiches eine deutsche Herrschaft oder Zweig-
herrschaft zu errichten, zur Herstellung der einst gespaltenen Ein-
heit des römischen Imperiums und als ein künftiges Bollwerk
Europas gegen den andringenden Orient? Ob freilich das Ver-
waltungsvermögen der damaligen Deutschen einer so unermeßlich
schwierigen Aufgabe auch nur annähernd gewachsen war, ob es
irgend stärkere und dauerndere Gebilde hätte schaffen können, als
die Franzosen in der Staatenwelt des lateinischen Kaisertums, bleibt
mehr als zweifelhaft. Wie immer, Friedrich war kein Alexander;
wir dürfen ihn nicht tadeln, wenn er der Lockung widerstand. Er
blieb sich selbst und der Kreuzzugsidee treu!

Die Überfahrt über den Hellespont ward nun mühelos bewerk-
stelligt, aber beim Marsch durch das unwirtliche Innere Kleinasiens
erlitten die Kreuzfahrer durch die Angriffe der unbotmäßigen Turko-
manen und die Wortbrüchigkeit des Sultans von Ikonium noch
weit größere Entbehrungen und Verluste. Trotzdem blieb die
Spannkraft des geschwächten und erschöpften Heeres und seines
Führers stark genug, um die Truppen des Sultans aufs Haupt zu
schlagen, Ikonium zu nehmen und den Frieden zu diktieren. Schon
waren unter neuen Mühen die Gebirge Ciliciens überschritten, schon
dehnte sich das christliche Armenien, dessen Fürst Leo II. eben-
damals von Friedrich die Königskrone erbat, vor den lechzenden
Blicken der Kreuzfahrer und versprach ihre Not zu stillen, — da
traf sie der härteste von allen Schlägen: ihr kaiserlicher Anführer
wurde bei einem Bade in den kühlen Fluten des Saleph vom Tode
ereilt (10. Juni 1190). „Bei dieser Stelle und bei diesem traurigen
Bericht,“ so heißt es in der Kölner Königschronik, „versagt unser
Griffel und verstummt unsre Rede.“

Das Schicksal des deutschen Kreuzzuges war damit entschieden.
Wohl bewährte sich der tapfere Schwabenherzog Friedrich auf dem
weiteren Marsche als umsichtiger Heerführer, aber die Siegeszuver-
sicht war dahin, und bald sank auch er ins Grab. Neben den
frischen Heeren der Engländer und Franzosen, die nun zur See
eintrafen, traten die Deutschen ganz in den Hintergrund. Eben-
deshalb berühren uns hier die ferneren Ereignisse des Kreuzzuges
nicht weiter. Die Ergebnisse waren ja auch diesmal im Verhältnis
zu den Aufwendungen kläglich genug: nur ein schmaler Küsten-
saum auf dreijährige Frist gesichert, das Hauptziel, die Befreiung
des heil. Grabes nicht erreicht! Trotzdem erfolgte kein starker
Rückschlag der Völkerstimmung, wie nach dem zweiten Kreuzzuge.
Insbesondere das Ansehen des Imperiums blieb unerschüttert; denn
aus der Bahn seiner Erfolge hatte den kaiserlichen Helden wie

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[171/0179] § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190). Luden nicht die Verhältnisse dazu ein, auf den Trümmern des morschen Griechenreiches eine deutsche Herrschaft oder Zweig- herrschaft zu errichten, zur Herstellung der einst gespaltenen Ein- heit des römischen Imperiums und als ein künftiges Bollwerk Europas gegen den andringenden Orient? Ob freilich das Ver- waltungsvermögen der damaligen Deutschen einer so unermeßlich schwierigen Aufgabe auch nur annähernd gewachsen war, ob es irgend stärkere und dauerndere Gebilde hätte schaffen können, als die Franzosen in der Staatenwelt des lateinischen Kaisertums, bleibt mehr als zweifelhaft. Wie immer, Friedrich war kein Alexander; wir dürfen ihn nicht tadeln, wenn er der Lockung widerstand. Er blieb sich selbst und der Kreuzzugsidee treu! Die Überfahrt über den Hellespont ward nun mühelos bewerk- stelligt, aber beim Marsch durch das unwirtliche Innere Kleinasiens erlitten die Kreuzfahrer durch die Angriffe der unbotmäßigen Turko- manen und die Wortbrüchigkeit des Sultans von Ikonium noch weit größere Entbehrungen und Verluste. Trotzdem blieb die Spannkraft des geschwächten und erschöpften Heeres und seines Führers stark genug, um die Truppen des Sultans aufs Haupt zu schlagen, Ikonium zu nehmen und den Frieden zu diktieren. Schon waren unter neuen Mühen die Gebirge Ciliciens überschritten, schon dehnte sich das christliche Armenien, dessen Fürst Leo II. eben- damals von Friedrich die Königskrone erbat, vor den lechzenden Blicken der Kreuzfahrer und versprach ihre Not zu stillen, — da traf sie der härteste von allen Schlägen: ihr kaiserlicher Anführer wurde bei einem Bade in den kühlen Fluten des Saleph vom Tode ereilt (10. Juni 1190). „Bei dieser Stelle und bei diesem traurigen Bericht,“ so heißt es in der Kölner Königschronik, „versagt unser Griffel und verstummt unsre Rede.“ Das Schicksal des deutschen Kreuzzuges war damit entschieden. Wohl bewährte sich der tapfere Schwabenherzog Friedrich auf dem weiteren Marsche als umsichtiger Heerführer, aber die Siegeszuver- sicht war dahin, und bald sank auch er ins Grab. Neben den frischen Heeren der Engländer und Franzosen, die nun zur See eintrafen, traten die Deutschen ganz in den Hintergrund. Eben- deshalb berühren uns hier die ferneren Ereignisse des Kreuzzuges nicht weiter. Die Ergebnisse waren ja auch diesmal im Verhältnis zu den Aufwendungen kläglich genug: nur ein schmaler Küsten- saum auf dreijährige Frist gesichert, das Hauptziel, die Befreiung des heil. Grabes nicht erreicht! Trotzdem erfolgte kein starker Rückschlag der Völkerstimmung, wie nach dem zweiten Kreuzzuge. Insbesondere das Ansehen des Imperiums blieb unerschüttert; denn aus der Bahn seiner Erfolge hatte den kaiserlichen Helden wie

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/179>, abgerufen am 26.11.2024.