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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178-1190).
Stadt nicht vor demütigender Unterwerfung. Durch eine furchtbare
Verheerung des Kirchenstaates auf das tiefste verletzt, durch Ein-
schließung seines damaligen Aufenthaltsortes Verona in seinem Ein-
fluß auf Italien völlig lahmgelegt, richtete Urban seine Hoffnung
auf Deutschland. Gelang es, die Bande zwischen Friedrich und der
deutschen Kirche zu zerschneiden, so wankte das Fundament seiner
Machtstellung. Die Forderungen, die der Papst jetzt erhob, ent-
sprachen zwar durchaus den kanonischen Grundsätzen, aber daß er
eben in diesem Augenblicke mit ihnen hervortrat, verriet deutlich
ihren Kampfzweck. Er verlangte Beseitigung des königlichen Re-
galien- und Spolienrechtes1), die von dem deutschen Episkopate
zwar nicht als ganz ungesetzlich beanstandet, aber in ihrer scharfen
Handhabung durch Friedrich doch als eine lästige und nicht
recht anständige Bedrückung empfunden wurden. Er wollte ferner
die kirchlichen Besitzungen vor den so viel beklagten Übergriffen
der Laiengewalten besser sichern, indem er die Übertragung von
Kirchenvogteien und Kirchenzehnten an sie verbot, denn solche
Verleihungen hatten oft genug zu widerrechtlichen Entfremdungen
geführt. Diese Forderungen, die den kirchenpolitischen Kampf auf
andere Gebiete hinüberzuspielen und unter den deutschen Bischöfen
eine Oppositionspartei gegen den Kaiser zu schaffen suchten, blieben
vielleicht nicht ganz ohne Eindruck.

Eine wirkliche Gefahr aber brachte erst der Abfall des mäch-
tigsten geistlich-weltlichen Reichsfürsten, des Erzbischofs Philipp von
Köln, für den der kirchliche Streit freilich mehr den Vorwand ab-
gab2). Dieser einst so ergebene und einflußreiche Helfer und Rat-
geber des Kaisers war seit der bedeutenden Erweiterung seines
Machtkreises durch das westfälische Herzogtum mehr und mehr
aufgegangen in den Sonderinteressen seines Hochstifts: der Ab-
rundung des Gebietes, der Erweiterung des Lehnshofes, der Förde-
rung des emporstrebenden Kölner Handels. Diese Bestrebungen
kreuzten im Westen ähnliche staufische Pläne, stießen rings auf
die Konkurrenz königlicher Städte und Zollstellen und führten zu
persönlichen Reibungen mit König Heinrich. Der Erzbischof suchte
und fand Bundesgenossen. Er knüpfte mit Heinrich dem Löwen
an; von diesem aus leiteten die Fäden nach England und Däne-
mark; auch Frankreich nahm in den flandrischen Händeln eine feind-
selige Haltung ein.

Diese Gefahren riefen den Kaiser nach Deutschland zurück;
aber wenn er Besorgnisse wegen der deutschen Kirche hegen

1) Vgl. oben S. 121.
2) Über seine Territorial- und Reichspolitik sind die beiden brauchbaren
Arbeiten von H. Hecker (1883) und A. Peters (Marb. Diss. 1899) zu vergleichen.

§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190).
Stadt nicht vor demütigender Unterwerfung. Durch eine furchtbare
Verheerung des Kirchenstaates auf das tiefste verletzt, durch Ein-
schließung seines damaligen Aufenthaltsortes Verona in seinem Ein-
fluß auf Italien völlig lahmgelegt, richtete Urban seine Hoffnung
auf Deutschland. Gelang es, die Bande zwischen Friedrich und der
deutschen Kirche zu zerschneiden, so wankte das Fundament seiner
Machtstellung. Die Forderungen, die der Papst jetzt erhob, ent-
sprachen zwar durchaus den kanonischen Grundsätzen, aber daß er
eben in diesem Augenblicke mit ihnen hervortrat, verriet deutlich
ihren Kampfzweck. Er verlangte Beseitigung des königlichen Re-
galien- und Spolienrechtes1), die von dem deutschen Episkopate
zwar nicht als ganz ungesetzlich beanstandet, aber in ihrer scharfen
Handhabung durch Friedrich doch als eine lästige und nicht
recht anständige Bedrückung empfunden wurden. Er wollte ferner
die kirchlichen Besitzungen vor den so viel beklagten Übergriffen
der Laiengewalten besser sichern, indem er die Übertragung von
Kirchenvogteien und Kirchenzehnten an sie verbot, denn solche
Verleihungen hatten oft genug zu widerrechtlichen Entfremdungen
geführt. Diese Forderungen, die den kirchenpolitischen Kampf auf
andere Gebiete hinüberzuspielen und unter den deutschen Bischöfen
eine Oppositionspartei gegen den Kaiser zu schaffen suchten, blieben
vielleicht nicht ganz ohne Eindruck.

Eine wirkliche Gefahr aber brachte erst der Abfall des mäch-
tigsten geistlich-weltlichen Reichsfürsten, des Erzbischofs Philipp von
Köln, für den der kirchliche Streit freilich mehr den Vorwand ab-
gab2). Dieser einst so ergebene und einflußreiche Helfer und Rat-
geber des Kaisers war seit der bedeutenden Erweiterung seines
Machtkreises durch das westfälische Herzogtum mehr und mehr
aufgegangen in den Sonderinteressen seines Hochstifts: der Ab-
rundung des Gebietes, der Erweiterung des Lehnshofes, der Förde-
rung des emporstrebenden Kölner Handels. Diese Bestrebungen
kreuzten im Westen ähnliche staufische Pläne, stießen rings auf
die Konkurrenz königlicher Städte und Zollstellen und führten zu
persönlichen Reibungen mit König Heinrich. Der Erzbischof suchte
und fand Bundesgenossen. Er knüpfte mit Heinrich dem Löwen
an; von diesem aus leiteten die Fäden nach England und Däne-
mark; auch Frankreich nahm in den flandrischen Händeln eine feind-
selige Haltung ein.

Diese Gefahren riefen den Kaiser nach Deutschland zurück;
aber wenn er Besorgnisse wegen der deutschen Kirche hegen

1) Vgl. oben S. 121.
2) Über seine Territorial- und Reichspolitik sind die beiden brauchbaren
Arbeiten von H. Hecker (1883) und A. Peters (Marb. Diss. 1899) zu vergleichen.
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[167/0175] § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190). Stadt nicht vor demütigender Unterwerfung. Durch eine furchtbare Verheerung des Kirchenstaates auf das tiefste verletzt, durch Ein- schließung seines damaligen Aufenthaltsortes Verona in seinem Ein- fluß auf Italien völlig lahmgelegt, richtete Urban seine Hoffnung auf Deutschland. Gelang es, die Bande zwischen Friedrich und der deutschen Kirche zu zerschneiden, so wankte das Fundament seiner Machtstellung. Die Forderungen, die der Papst jetzt erhob, ent- sprachen zwar durchaus den kanonischen Grundsätzen, aber daß er eben in diesem Augenblicke mit ihnen hervortrat, verriet deutlich ihren Kampfzweck. Er verlangte Beseitigung des königlichen Re- galien- und Spolienrechtes 1), die von dem deutschen Episkopate zwar nicht als ganz ungesetzlich beanstandet, aber in ihrer scharfen Handhabung durch Friedrich doch als eine lästige und nicht recht anständige Bedrückung empfunden wurden. Er wollte ferner die kirchlichen Besitzungen vor den so viel beklagten Übergriffen der Laiengewalten besser sichern, indem er die Übertragung von Kirchenvogteien und Kirchenzehnten an sie verbot, denn solche Verleihungen hatten oft genug zu widerrechtlichen Entfremdungen geführt. Diese Forderungen, die den kirchenpolitischen Kampf auf andere Gebiete hinüberzuspielen und unter den deutschen Bischöfen eine Oppositionspartei gegen den Kaiser zu schaffen suchten, blieben vielleicht nicht ganz ohne Eindruck. Eine wirkliche Gefahr aber brachte erst der Abfall des mäch- tigsten geistlich-weltlichen Reichsfürsten, des Erzbischofs Philipp von Köln, für den der kirchliche Streit freilich mehr den Vorwand ab- gab 2). Dieser einst so ergebene und einflußreiche Helfer und Rat- geber des Kaisers war seit der bedeutenden Erweiterung seines Machtkreises durch das westfälische Herzogtum mehr und mehr aufgegangen in den Sonderinteressen seines Hochstifts: der Ab- rundung des Gebietes, der Erweiterung des Lehnshofes, der Förde- rung des emporstrebenden Kölner Handels. Diese Bestrebungen kreuzten im Westen ähnliche staufische Pläne, stießen rings auf die Konkurrenz königlicher Städte und Zollstellen und führten zu persönlichen Reibungen mit König Heinrich. Der Erzbischof suchte und fand Bundesgenossen. Er knüpfte mit Heinrich dem Löwen an; von diesem aus leiteten die Fäden nach England und Däne- mark; auch Frankreich nahm in den flandrischen Händeln eine feind- selige Haltung ein. Diese Gefahren riefen den Kaiser nach Deutschland zurück; aber wenn er Besorgnisse wegen der deutschen Kirche hegen 1) Vgl. oben S. 121. 2) Über seine Territorial- und Reichspolitik sind die beiden brauchbaren Arbeiten von H. Hecker (1883) und A. Peters (Marb. Diss. 1899) zu vergleichen.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/175>, abgerufen am 06.05.2024.