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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178-1190).

Zuerst im Vertrage von Anagni verriet eine für den Herzog
ungünstige Bestimmung über die Beseitigung des schismatischen
Bischofs von Halberstadt das Nachlassen der früheren Rücksicht-
nahme. In Sachsen erwuchsen daraus neue Kämpfe. Wenn der
rückkehrende Kaiser jetzt noch einmal den Waffen der Gegner
Heinrichs Einhalt gebot, so bedeutete das nicht eine erneute Partei-
nahme für den Vetter, sondern den Entschluß Friedrichs, ihn statt
durch Landfriedensbruch durch ein geordnetes Gerichtsverfahren1) in
die Schranken des Rechts zu zwingen. Der Trotz, den der Welfe
demselben, als es nun seinen Gang nahm, durch beharrliches Fern-
bleiben entgegensetzte, wird uns in der Tat verständlich nur dadurch,
daß er bei einer Begegnung mit dem Kaiser den veränderten Wind
von oben sogleich spürte und von jenem Rechtsgang nichts Gutes
für sich erwartete. Eben damals (Ende 1178) erweiterte sich noch
die Reibungsfläche zwischen den Interessenkreisen der beiden
Vettern. Der alte Herzog Welf VI., bei seiner Verschwendungsucht
in ewigen Geldnöten, hatte seine reichen schwäbischen Eigengüter
ursprünglich dem Löwen für eine Summe vermacht, die dieser in-
des nicht auszahlte. Jetzt schloß er das Geschäft mit seinem
anderen Neffen, dem Kaiser, ab. Ein ruhig urteilender Politiker
hätte sich mit der Notwendigkeit verhältnismäßig geringer Einbußen
abgefunden; Heinrichs reizbarer Welfenstolz ertrug das nicht, und
indem er die Festigkeit seiner Machtstellung überschätzte, glaubte er
sich in offener Auflehnung gegen die Gerichtsgewalt des Kaisers
behaupten zu können. Das erst führte seinen Sturz herbei.

Es kommt hier nicht auf die Einzelheiten des Rechtsganges
an, die unsre Quellen zum Teil im Unklaren lassen.2) Die Hilfs-
verweigerung von Chiavenna konnte keinesfalls als rechtliches Moment
in Betracht kommen, höchstens als politische Ursache mitwirken.3)
Zu der Klage der Fürsten auf Landfriedensbruch gesellte sich die
weitere auf Hochverrat, der, wie es scheint, in einer angeblichen
Verbindung mit den Lombarden gesehen wurde und durch Zwei-
kampf erwiesen werden sollte. Als sich Heinrich, wie einstmals
Otto von Nordheim, den Ladungen entzog, erfolgte seine Verurteilung
aus dem rein formalen Grunde der Kontumaz. Er ward geächtet
und all' seiner Lehen und Eigengüter für verlustig erklärt (1180).

Die alsbald vorgenommene Neuverfügung führte den großen

1) Neben der angeführten Arbeit von D. Schäfer kommen zur Verurteilung
Heinrichs neuere Abhandlungen, wie die von Klein und Lucas wenig in Betracht.
Dagegen steht eine eingehende Darlegung v. Güterbock in Aussicht.
2) Näheres bei Schäfer, der mit Waitz zwei nebeneinanderlaufende Prozesse
unterscheidet (Lucas im Anschluß an Ficker kaum mit Recht gar drei).
3) Vgl. etwa die Gesta Henrici II. (M. G. SS. XXVII).
§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190).

Zuerst im Vertrage von Anagni verriet eine für den Herzog
ungünstige Bestimmung über die Beseitigung des schismatischen
Bischofs von Halberstadt das Nachlassen der früheren Rücksicht-
nahme. In Sachsen erwuchsen daraus neue Kämpfe. Wenn der
rückkehrende Kaiser jetzt noch einmal den Waffen der Gegner
Heinrichs Einhalt gebot, so bedeutete das nicht eine erneute Partei-
nahme für den Vetter, sondern den Entschluß Friedrichs, ihn statt
durch Landfriedensbruch durch ein geordnetes Gerichtsverfahren1) in
die Schranken des Rechts zu zwingen. Der Trotz, den der Welfe
demselben, als es nun seinen Gang nahm, durch beharrliches Fern-
bleiben entgegensetzte, wird uns in der Tat verständlich nur dadurch,
daß er bei einer Begegnung mit dem Kaiser den veränderten Wind
von oben sogleich spürte und von jenem Rechtsgang nichts Gutes
für sich erwartete. Eben damals (Ende 1178) erweiterte sich noch
die Reibungsfläche zwischen den Interessenkreisen der beiden
Vettern. Der alte Herzog Welf VI., bei seiner Verschwendungsucht
in ewigen Geldnöten, hatte seine reichen schwäbischen Eigengüter
ursprünglich dem Löwen für eine Summe vermacht, die dieser in-
des nicht auszahlte. Jetzt schloß er das Geschäft mit seinem
anderen Neffen, dem Kaiser, ab. Ein ruhig urteilender Politiker
hätte sich mit der Notwendigkeit verhältnismäßig geringer Einbußen
abgefunden; Heinrichs reizbarer Welfenstolz ertrug das nicht, und
indem er die Festigkeit seiner Machtstellung überschätzte, glaubte er
sich in offener Auflehnung gegen die Gerichtsgewalt des Kaisers
behaupten zu können. Das erst führte seinen Sturz herbei.

Es kommt hier nicht auf die Einzelheiten des Rechtsganges
an, die unsre Quellen zum Teil im Unklaren lassen.2) Die Hilfs-
verweigerung von Chiavenna konnte keinesfalls als rechtliches Moment
in Betracht kommen, höchstens als politische Ursache mitwirken.3)
Zu der Klage der Fürsten auf Landfriedensbruch gesellte sich die
weitere auf Hochverrat, der, wie es scheint, in einer angeblichen
Verbindung mit den Lombarden gesehen wurde und durch Zwei-
kampf erwiesen werden sollte. Als sich Heinrich, wie einstmals
Otto von Nordheim, den Ladungen entzog, erfolgte seine Verurteilung
aus dem rein formalen Grunde der Kontumaz. Er ward geächtet
und all' seiner Lehen und Eigengüter für verlustig erklärt (1180).

Die alsbald vorgenommene Neuverfügung führte den großen

1) Neben der angeführten Arbeit von D. Schäfer kommen zur Verurteilung
Heinrichs neuere Abhandlungen, wie die von Klein und Lucas wenig in Betracht.
Dagegen steht eine eingehende Darlegung v. Güterbock in Aussicht.
2) Näheres bei Schäfer, der mit Waitz zwei nebeneinanderlaufende Prozesse
unterscheidet (Lucas im Anschluß an Ficker kaum mit Recht gar drei).
3) Vgl. etwa die Gesta Henrici II. (M. G. SS. XXVII).
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[159/0167] § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190). Zuerst im Vertrage von Anagni verriet eine für den Herzog ungünstige Bestimmung über die Beseitigung des schismatischen Bischofs von Halberstadt das Nachlassen der früheren Rücksicht- nahme. In Sachsen erwuchsen daraus neue Kämpfe. Wenn der rückkehrende Kaiser jetzt noch einmal den Waffen der Gegner Heinrichs Einhalt gebot, so bedeutete das nicht eine erneute Partei- nahme für den Vetter, sondern den Entschluß Friedrichs, ihn statt durch Landfriedensbruch durch ein geordnetes Gerichtsverfahren 1) in die Schranken des Rechts zu zwingen. Der Trotz, den der Welfe demselben, als es nun seinen Gang nahm, durch beharrliches Fern- bleiben entgegensetzte, wird uns in der Tat verständlich nur dadurch, daß er bei einer Begegnung mit dem Kaiser den veränderten Wind von oben sogleich spürte und von jenem Rechtsgang nichts Gutes für sich erwartete. Eben damals (Ende 1178) erweiterte sich noch die Reibungsfläche zwischen den Interessenkreisen der beiden Vettern. Der alte Herzog Welf VI., bei seiner Verschwendungsucht in ewigen Geldnöten, hatte seine reichen schwäbischen Eigengüter ursprünglich dem Löwen für eine Summe vermacht, die dieser in- des nicht auszahlte. Jetzt schloß er das Geschäft mit seinem anderen Neffen, dem Kaiser, ab. Ein ruhig urteilender Politiker hätte sich mit der Notwendigkeit verhältnismäßig geringer Einbußen abgefunden; Heinrichs reizbarer Welfenstolz ertrug das nicht, und indem er die Festigkeit seiner Machtstellung überschätzte, glaubte er sich in offener Auflehnung gegen die Gerichtsgewalt des Kaisers behaupten zu können. Das erst führte seinen Sturz herbei. Es kommt hier nicht auf die Einzelheiten des Rechtsganges an, die unsre Quellen zum Teil im Unklaren lassen. 2) Die Hilfs- verweigerung von Chiavenna konnte keinesfalls als rechtliches Moment in Betracht kommen, höchstens als politische Ursache mitwirken. 3) Zu der Klage der Fürsten auf Landfriedensbruch gesellte sich die weitere auf Hochverrat, der, wie es scheint, in einer angeblichen Verbindung mit den Lombarden gesehen wurde und durch Zwei- kampf erwiesen werden sollte. Als sich Heinrich, wie einstmals Otto von Nordheim, den Ladungen entzog, erfolgte seine Verurteilung aus dem rein formalen Grunde der Kontumaz. Er ward geächtet und all' seiner Lehen und Eigengüter für verlustig erklärt (1180). Die alsbald vorgenommene Neuverfügung führte den großen 1) Neben der angeführten Arbeit von D. Schäfer kommen zur Verurteilung Heinrichs neuere Abhandlungen, wie die von Klein und Lucas wenig in Betracht. Dagegen steht eine eingehende Darlegung v. Güterbock in Aussicht. 2) Näheres bei Schäfer, der mit Waitz zwei nebeneinanderlaufende Prozesse unterscheidet (Lucas im Anschluß an Ficker kaum mit Recht gar drei). 3) Vgl. etwa die Gesta Henrici II. (M. G. SS. XXVII).

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/167>, abgerufen am 26.11.2024.