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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157-1167).
Mahnungen ungeachtet, fortfuhr, seine wirtschaftliche, politische und
militärische Überlegenheit zu einer unerhörten Vergewaltigung der
schwächeren Nachbarstädte zu mißbrauchen, ihren Handelswett-
bewerb zu vernichten, das eigne Gebiet vorzuschieben. In offner
Auflehnung gegen den Kaiser war das von ihm zerstörte Tortona
sofort nach seinem Abzuge wieder aufgebaut worden (1155). Diese
lastende Vormachtstellung Mailands zu brechen, war ein Gebot
ausgleichender Gerechtigkeit und eine Vorbedingung für jegliche
Neuordnung der lombardischen Rechtsverhältnisse. Seitdem der
Vertrag von Benevent ein Unternehmen gegen Sizilien völlig un-
tunlich gemacht hatte, wurde Mailand das Hauptziel der neuen
Romfahrt (1158-62). Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und der
Reichskanzler selbst, der dadurch von vornherein als das treibende
Element in Friedrichs Italienpolitik erschien, eilten nach Art der
alten Königsboten dem Zuge voraus und bereiteten ihm durch
kluge und kühne Maßnahmen allenthalben den Boden.

Diesmal rückte der Kaiser mit einem starken Aufgebot von
mehr als zehntausend Rittern, das sich durch lombardischen Zuzug
noch erheblich verstärkte, geradeswegs auf Mailand los. Schon
nach wenig Wochen hatte er den stolzen Triumph, die Konsuln
der Stadt barfuß und die Schwerter um den Hals gebunden vor
sich erscheinen zu sehen. Die starken Mauern hätten noch lange
Widerstand geleistet, aber Hunger und Krankheit mahnten zur
Übergabe, solange sie noch unter leidlichen Bedingungen zu er-
reichen war. In der Tat schien der Vertrag einen befriedigenden
Ausgleich zu bedeuten, da er dem Kaiser die wesentlichsten Hoheits-
rechte, der Stadt ein gewisses Maß von Selbstverwaltung, selbst die
freie Konsulnwahl zusicherte. Später freilich ergab sich, daß Friedrich
diese Bedingungen nur als vorläufig betrachtete. Mailand war so
auf den Stand der andern lombardischen Städte herabgedrückt, und
das Haupthemmnis für eine allgemeine, durchgreifende Regelung
der Verhältnisse beseitigt. An sie ging Friedrich nun mit seiner
ganzen Gründlichkeit und seinem strengen Rechtssinn heran.1)

Es galt zunächst, die Summe dieser Reichsrechte, der Re-
galien, festzustellen. Da kamen etwa in Betracht die Einsetzung
der höchsten Beamten und der Bau kaiserlicher Pfalzen, die oberste
Gerichtsbarkeit und ein Anteil an Strafgeldern und Gütereinziehungen,
außerordentliche Steuern und Leistungen für die Romfahrten, und
vor allem der ganze Umfang jener gerade für die hochentwickelten

1) Vgl. C. Hegel, Gesch. der Städteverf. v. Italien 1847, mannigfach
überholt durch Fickers Forsch. z. Reichs- u. Rechtsgesch. Italiens Bd. 1 u. 2.
Für die Einzelheiten außer Giesebrecht auch die Dissertationen von Arras
(1882) und Suhle (1893).
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 9

§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167).
Mahnungen ungeachtet, fortfuhr, seine wirtschaftliche, politische und
militärische Überlegenheit zu einer unerhörten Vergewaltigung der
schwächeren Nachbarstädte zu mißbrauchen, ihren Handelswett-
bewerb zu vernichten, das eigne Gebiet vorzuschieben. In offner
Auflehnung gegen den Kaiser war das von ihm zerstörte Tortona
sofort nach seinem Abzuge wieder aufgebaut worden (1155). Diese
lastende Vormachtstellung Mailands zu brechen, war ein Gebot
ausgleichender Gerechtigkeit und eine Vorbedingung für jegliche
Neuordnung der lombardischen Rechtsverhältnisse. Seitdem der
Vertrag von Benevent ein Unternehmen gegen Sizilien völlig un-
tunlich gemacht hatte, wurde Mailand das Hauptziel der neuen
Romfahrt (1158‒62). Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und der
Reichskanzler selbst, der dadurch von vornherein als das treibende
Element in Friedrichs Italienpolitik erschien, eilten nach Art der
alten Königsboten dem Zuge voraus und bereiteten ihm durch
kluge und kühne Maßnahmen allenthalben den Boden.

Diesmal rückte der Kaiser mit einem starken Aufgebot von
mehr als zehntausend Rittern, das sich durch lombardischen Zuzug
noch erheblich verstärkte, geradeswegs auf Mailand los. Schon
nach wenig Wochen hatte er den stolzen Triumph, die Konsuln
der Stadt barfuß und die Schwerter um den Hals gebunden vor
sich erscheinen zu sehen. Die starken Mauern hätten noch lange
Widerstand geleistet, aber Hunger und Krankheit mahnten zur
Übergabe, solange sie noch unter leidlichen Bedingungen zu er-
reichen war. In der Tat schien der Vertrag einen befriedigenden
Ausgleich zu bedeuten, da er dem Kaiser die wesentlichsten Hoheits-
rechte, der Stadt ein gewisses Maß von Selbstverwaltung, selbst die
freie Konsulnwahl zusicherte. Später freilich ergab sich, daß Friedrich
diese Bedingungen nur als vorläufig betrachtete. Mailand war so
auf den Stand der andern lombardischen Städte herabgedrückt, und
das Haupthemmnis für eine allgemeine, durchgreifende Regelung
der Verhältnisse beseitigt. An sie ging Friedrich nun mit seiner
ganzen Gründlichkeit und seinem strengen Rechtssinn heran.1)

Es galt zunächst, die Summe dieser Reichsrechte, der Re-
galien, festzustellen. Da kamen etwa in Betracht die Einsetzung
der höchsten Beamten und der Bau kaiserlicher Pfalzen, die oberste
Gerichtsbarkeit und ein Anteil an Strafgeldern und Gütereinziehungen,
außerordentliche Steuern und Leistungen für die Romfahrten, und
vor allem der ganze Umfang jener gerade für die hochentwickelten

1) Vgl. C. Hegel, Gesch. der Städteverf. v. Italien 1847, mannigfach
überholt durch Fickers Forsch. z. Reichs- u. Rechtsgesch. Italiens Bd. 1 u. 2.
Für die Einzelheiten außer Giesebrecht auch die Dissertationen von Arras
(1882) und Suhle (1893).
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 9
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[129/0137] § 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167). Mahnungen ungeachtet, fortfuhr, seine wirtschaftliche, politische und militärische Überlegenheit zu einer unerhörten Vergewaltigung der schwächeren Nachbarstädte zu mißbrauchen, ihren Handelswett- bewerb zu vernichten, das eigne Gebiet vorzuschieben. In offner Auflehnung gegen den Kaiser war das von ihm zerstörte Tortona sofort nach seinem Abzuge wieder aufgebaut worden (1155). Diese lastende Vormachtstellung Mailands zu brechen, war ein Gebot ausgleichender Gerechtigkeit und eine Vorbedingung für jegliche Neuordnung der lombardischen Rechtsverhältnisse. Seitdem der Vertrag von Benevent ein Unternehmen gegen Sizilien völlig un- tunlich gemacht hatte, wurde Mailand das Hauptziel der neuen Romfahrt (1158‒62). Pfalzgraf Otto von Wittelsbach und der Reichskanzler selbst, der dadurch von vornherein als das treibende Element in Friedrichs Italienpolitik erschien, eilten nach Art der alten Königsboten dem Zuge voraus und bereiteten ihm durch kluge und kühne Maßnahmen allenthalben den Boden. Diesmal rückte der Kaiser mit einem starken Aufgebot von mehr als zehntausend Rittern, das sich durch lombardischen Zuzug noch erheblich verstärkte, geradeswegs auf Mailand los. Schon nach wenig Wochen hatte er den stolzen Triumph, die Konsuln der Stadt barfuß und die Schwerter um den Hals gebunden vor sich erscheinen zu sehen. Die starken Mauern hätten noch lange Widerstand geleistet, aber Hunger und Krankheit mahnten zur Übergabe, solange sie noch unter leidlichen Bedingungen zu er- reichen war. In der Tat schien der Vertrag einen befriedigenden Ausgleich zu bedeuten, da er dem Kaiser die wesentlichsten Hoheits- rechte, der Stadt ein gewisses Maß von Selbstverwaltung, selbst die freie Konsulnwahl zusicherte. Später freilich ergab sich, daß Friedrich diese Bedingungen nur als vorläufig betrachtete. Mailand war so auf den Stand der andern lombardischen Städte herabgedrückt, und das Haupthemmnis für eine allgemeine, durchgreifende Regelung der Verhältnisse beseitigt. An sie ging Friedrich nun mit seiner ganzen Gründlichkeit und seinem strengen Rechtssinn heran. 1) Es galt zunächst, die Summe dieser Reichsrechte, der Re- galien, festzustellen. Da kamen etwa in Betracht die Einsetzung der höchsten Beamten und der Bau kaiserlicher Pfalzen, die oberste Gerichtsbarkeit und ein Anteil an Strafgeldern und Gütereinziehungen, außerordentliche Steuern und Leistungen für die Romfahrten, und vor allem der ganze Umfang jener gerade für die hochentwickelten 1) Vgl. C. Hegel, Gesch. der Städteverf. v. Italien 1847, mannigfach überholt durch Fickers Forsch. z. Reichs- u. Rechtsgesch. Italiens Bd. 1 u. 2. Für die Einzelheiten außer Giesebrecht auch die Dissertationen von Arras (1882) und Suhle (1893). Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 9

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/137>, abgerufen am 24.11.2024.