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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
ginnenden Streite auf seine Seite zu ziehen. Aber schon zeigten
sich die Folgen der von Friedrich in Angriff genommenen natio-
nalen Umwandlung des Episkopats; seine klugen Maßnahmen, die
eine finanzielle Ausbeutung der deutschen Kirche durch die Legaten
hinderten und Appellationen nach Rom an die bischöfliche Zu-
lassung knüpften, verstärkten diese Stimmung. Meisterhafte, in
Schliff und Wucht Reinalds Geist und Feuerseele verratende Mani-
feste Friedrichs wiesen die päpstlichen Anmaßungen schroff zurück.

"An der Spitze des Erdkreises", so heißt es in dem einen1), "hat Gott
durch das Reich die Kirche erhöht; an der Spitze des Erdkreises sucht jetzt
die Kirche, nicht aus Gott, wie wir glauben, das Reich zu zerstören. Mit
einem Gemälde begann es, Schriftzüge traten zum Gemälde, jetzt erstrebt man
gar urkundliche Festsetzung. Das ertragen, das leiden wir nicht; eher legen
wir die Krone nieder, als daß wir die Krone des Reiches zugleich mit unsrer
Person so in den Staub ziehen lassen. Was gemalt ist, möge ausgelöscht,
was geschrieben, getilgt werden, auf daß nicht zwischen Königtum und Priester-
tum ewige Denkmale der Feindschaft bestehen bleiben."

Die volle Zustimmung der deutschen Bischöfe zu solchen
Sätzen zeigte der Kurie, daß der Ausgangspunkt des Kampfes un-
glücklich gewählt war. Hadrian sah sich gezwungen, Öl auf die
Wogen zu gießen, indem er jetzt endlich den Worten seines ersten
Schreibens eine harmlose Ausdeutung gab. Mit dieser diplomati-
schen Niederlage der Kurie ward der offne Bruch noch einmal
hinausgezögert. Aber der Vorgang hatte nur die Gegensätze im
Kardinalskollegium verschärft, die Zuversicht am kaiserlichen Hofe
gehoben. Und zu den vorhandenen Zwistigkeiten traten jetzt neue,
als der Kaiser entscheidend in die Verhältnisse der Lombardei
eingriff.

Dies Eingreifen ist für den weiteren Verlauf der gesamten
Reichsgeschichte unter den Staufern von höchster Bedeutung ge-
worden. Ist hier auch nicht der Ort, die verfassungsrechtlichen
Fragen im einzelnen zu erörtern, so gilt es doch die großen
Probleme scharf ins Auge zu fassen, welche die seit einem Jahr-
hundert vollzogene Entwicklung der oberitalischen Städte dem
deutschen Herrscher darbot. Friedrich hatte sie auf seinem ersten
Romzuge nur eben streifen können, aber die Notwendigkeit einer
umfassenden Ordnung eingesehen.

Den nächsten Anlaß zu der neuen Unternehmung bot der
ungebrochene Trotz des mächtigen Mailand, das, aller kaiserlichen

schreiben. Man wird vielmehr mit Prutz, Ribbeck und Simonsfeld einen ver-
deckten Vorstoß des Papstes und eine beabsichtigte Zweideutigkeit anzu-
nehmen haben, die, wenn man sie hätte durchgehen lassen, für später einen
wertvollen Präzedenzfall geschaffen hätte.
1) Rahewin, Gesta Frid. III, 17.

II. Die Zeit der Staufer.
ginnenden Streite auf seine Seite zu ziehen. Aber schon zeigten
sich die Folgen der von Friedrich in Angriff genommenen natio-
nalen Umwandlung des Episkopats; seine klugen Maßnahmen, die
eine finanzielle Ausbeutung der deutschen Kirche durch die Legaten
hinderten und Appellationen nach Rom an die bischöfliche Zu-
lassung knüpften, verstärkten diese Stimmung. Meisterhafte, in
Schliff und Wucht Reinalds Geist und Feuerseele verratende Mani-
feste Friedrichs wiesen die päpstlichen Anmaßungen schroff zurück.

„An der Spitze des Erdkreises“, so heißt es in dem einen1), „hat Gott
durch das Reich die Kirche erhöht; an der Spitze des Erdkreises sucht jetzt
die Kirche, nicht aus Gott, wie wir glauben, das Reich zu zerstören. Mit
einem Gemälde begann es, Schriftzüge traten zum Gemälde, jetzt erstrebt man
gar urkundliche Festsetzung. Das ertragen, das leiden wir nicht; eher legen
wir die Krone nieder, als daß wir die Krone des Reiches zugleich mit unsrer
Person so in den Staub ziehen lassen. Was gemalt ist, möge ausgelöscht,
was geschrieben, getilgt werden, auf daß nicht zwischen Königtum und Priester-
tum ewige Denkmale der Feindschaft bestehen bleiben.“

Die volle Zustimmung der deutschen Bischöfe zu solchen
Sätzen zeigte der Kurie, daß der Ausgangspunkt des Kampfes un-
glücklich gewählt war. Hadrian sah sich gezwungen, Öl auf die
Wogen zu gießen, indem er jetzt endlich den Worten seines ersten
Schreibens eine harmlose Ausdeutung gab. Mit dieser diplomati-
schen Niederlage der Kurie ward der offne Bruch noch einmal
hinausgezögert. Aber der Vorgang hatte nur die Gegensätze im
Kardinalskollegium verschärft, die Zuversicht am kaiserlichen Hofe
gehoben. Und zu den vorhandenen Zwistigkeiten traten jetzt neue,
als der Kaiser entscheidend in die Verhältnisse der Lombardei
eingriff.

Dies Eingreifen ist für den weiteren Verlauf der gesamten
Reichsgeschichte unter den Staufern von höchster Bedeutung ge-
worden. Ist hier auch nicht der Ort, die verfassungsrechtlichen
Fragen im einzelnen zu erörtern, so gilt es doch die großen
Probleme scharf ins Auge zu fassen, welche die seit einem Jahr-
hundert vollzogene Entwicklung der oberitalischen Städte dem
deutschen Herrscher darbot. Friedrich hatte sie auf seinem ersten
Romzuge nur eben streifen können, aber die Notwendigkeit einer
umfassenden Ordnung eingesehen.

Den nächsten Anlaß zu der neuen Unternehmung bot der
ungebrochene Trotz des mächtigen Mailand, das, aller kaiserlichen

schreiben. Man wird vielmehr mit Prutz, Ribbeck und Simonsfeld einen ver-
deckten Vorstoß des Papstes und eine beabsichtigte Zweideutigkeit anzu-
nehmen haben, die, wenn man sie hätte durchgehen lassen, für später einen
wertvollen Präzedenzfall geschaffen hätte.
1) Rahewin, Gesta Frid. III, 17.
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[128/0136] II. Die Zeit der Staufer. ginnenden Streite auf seine Seite zu ziehen. Aber schon zeigten sich die Folgen der von Friedrich in Angriff genommenen natio- nalen Umwandlung des Episkopats; seine klugen Maßnahmen, die eine finanzielle Ausbeutung der deutschen Kirche durch die Legaten hinderten und Appellationen nach Rom an die bischöfliche Zu- lassung knüpften, verstärkten diese Stimmung. Meisterhafte, in Schliff und Wucht Reinalds Geist und Feuerseele verratende Mani- feste Friedrichs wiesen die päpstlichen Anmaßungen schroff zurück. „An der Spitze des Erdkreises“, so heißt es in dem einen 1), „hat Gott durch das Reich die Kirche erhöht; an der Spitze des Erdkreises sucht jetzt die Kirche, nicht aus Gott, wie wir glauben, das Reich zu zerstören. Mit einem Gemälde begann es, Schriftzüge traten zum Gemälde, jetzt erstrebt man gar urkundliche Festsetzung. Das ertragen, das leiden wir nicht; eher legen wir die Krone nieder, als daß wir die Krone des Reiches zugleich mit unsrer Person so in den Staub ziehen lassen. Was gemalt ist, möge ausgelöscht, was geschrieben, getilgt werden, auf daß nicht zwischen Königtum und Priester- tum ewige Denkmale der Feindschaft bestehen bleiben.“ Die volle Zustimmung der deutschen Bischöfe zu solchen Sätzen zeigte der Kurie, daß der Ausgangspunkt des Kampfes un- glücklich gewählt war. Hadrian sah sich gezwungen, Öl auf die Wogen zu gießen, indem er jetzt endlich den Worten seines ersten Schreibens eine harmlose Ausdeutung gab. Mit dieser diplomati- schen Niederlage der Kurie ward der offne Bruch noch einmal hinausgezögert. Aber der Vorgang hatte nur die Gegensätze im Kardinalskollegium verschärft, die Zuversicht am kaiserlichen Hofe gehoben. Und zu den vorhandenen Zwistigkeiten traten jetzt neue, als der Kaiser entscheidend in die Verhältnisse der Lombardei eingriff. Dies Eingreifen ist für den weiteren Verlauf der gesamten Reichsgeschichte unter den Staufern von höchster Bedeutung ge- worden. Ist hier auch nicht der Ort, die verfassungsrechtlichen Fragen im einzelnen zu erörtern, so gilt es doch die großen Probleme scharf ins Auge zu fassen, welche die seit einem Jahr- hundert vollzogene Entwicklung der oberitalischen Städte dem deutschen Herrscher darbot. Friedrich hatte sie auf seinem ersten Romzuge nur eben streifen können, aber die Notwendigkeit einer umfassenden Ordnung eingesehen. Den nächsten Anlaß zu der neuen Unternehmung bot der ungebrochene Trotz des mächtigen Mailand, das, aller kaiserlichen 2) 1) Rahewin, Gesta Frid. III, 17. 2) schreiben. Man wird vielmehr mit Prutz, Ribbeck und Simonsfeld einen ver- deckten Vorstoß des Papstes und eine beabsichtigte Zweideutigkeit anzu- nehmen haben, die, wenn man sie hätte durchgehen lassen, für später einen wertvollen Präzedenzfall geschaffen hätte.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/136>, abgerufen am 24.11.2024.