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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
händler, fielen die schwierigsten diplomatischen Missionen zu, dem
umsichtigen, durchgreifenden Organisator die bedeutendsten Ver-
waltungsaufgaben; auch als Feldherr hat er sich trotz seiner geist-
lichen Würden trefflich bewährt. Furcht und Zaudern waren ihm
fremd; die Gefahr reizte ihn zu oft verblüffender Kühnheit.
Mit nur zehn Rittern hat er einmal eine Schar von etwa drei-
hundert Ravennaten überrumpelt und gefangen genommen, im ent-
scheidenden Augenblicke griff er wohl persönlich in den Kampf
ein. Kein Rückschlag vermochte ihn zu beugen, "von Tag zu
Tage", sagt ein Chronist, "wuchs er über sich selbst hinaus", bis
er aus leuchtender Höhe durch den Tod entrafft ward.

Eben dies plötzliche Hinschwinden, das ihm die Enttäuschung
des Abstiegs ersparte, kann uns leicht zu einem allzu günstigen
Urteil über ihn verleiten.1) Daß sein Gesamteinfluß auf Friedrichs
Politik schlechthin günstig gewesen wäre, läßt sich doch nicht sagen.
Freilich wird sich wohl nie mit Sicherheit feststellen lassen, wie
stark dieser Einfluß gewesen ist, wie weit Reinald über die Stellung
eines ausführenden Organs zum tatsächlichen Leiter der Politik
emporwuchs. Schwerlich hat sich ein Herrscher wie Friedrich, wenn
er auch seinem Kanzler gern einen freimütigen Ton gestattete, von
ihm in der Weise vergewaltigen lassen, wie das kirchliche Gegner
wiederholt zu verkünden für gut hielten. Volle Übereinstimmung
in der politischen Gesamtrichtung wird unbedingt vorauszusetzen
sein. An radikale Utopien, wie die kirchliche Losreißung Deutsch-
lands von Rom hat Reinald sicher nicht gedacht.2) Wie Friedrich,
wollte er die noch verbliebenen Rechtstitel und Machtmittel des
deutschen Königtums so kräftig anspannen, daß ihm womöglich die
Stellung der Ottonen und ersten Salier zurückgewonnen würde,
insbesondere durch eine Neukräftigung der deutschen Reichskirche,
durch tatsächliche Beherrschung Italiens und politischen Druck auf
das Papsttum. Immerhin hat sein stürmisches Temperament den
Kaiser auf diesem Wege sicher weiter fortgerissen, als jener selbst
gegangen sein würde, weiter, als eine vorsichtige Abschätzung der
entgegenstehenden Hemmnisse erlaubt hätte. In seiner schrofferen
Art hat er dann die eingeschlagene Richtung mit gewaltsameren
Mitteln verfolgt und in seinem schrankenlosen Optimismus einen
hochmütig-rücksichtsloseren Ton angeschlagen, als taktisch nützlich
war und seinem Herrn im einzelnen lieb sein mochte. Und als

1) So etwa neuerdings Hauck.
2) Diese noch von Ficker geteilte Annahme stützte sich auf Briefe, die
den Plan erörtern, den Erzbischof Hillin von Trier als deutschen Papst auf-
zustellen, die aber von Jaffe, Arch. f. öst. Gesch. 14 seitdem als Stilübungen
erwiesen sind.

II. Die Zeit der Staufer.
händler, fielen die schwierigsten diplomatischen Missionen zu, dem
umsichtigen, durchgreifenden Organisator die bedeutendsten Ver-
waltungsaufgaben; auch als Feldherr hat er sich trotz seiner geist-
lichen Würden trefflich bewährt. Furcht und Zaudern waren ihm
fremd; die Gefahr reizte ihn zu oft verblüffender Kühnheit.
Mit nur zehn Rittern hat er einmal eine Schar von etwa drei-
hundert Ravennaten überrumpelt und gefangen genommen, im ent-
scheidenden Augenblicke griff er wohl persönlich in den Kampf
ein. Kein Rückschlag vermochte ihn zu beugen, „von Tag zu
Tage“, sagt ein Chronist, „wuchs er über sich selbst hinaus“, bis
er aus leuchtender Höhe durch den Tod entrafft ward.

Eben dies plötzliche Hinschwinden, das ihm die Enttäuschung
des Abstiegs ersparte, kann uns leicht zu einem allzu günstigen
Urteil über ihn verleiten.1) Daß sein Gesamteinfluß auf Friedrichs
Politik schlechthin günstig gewesen wäre, läßt sich doch nicht sagen.
Freilich wird sich wohl nie mit Sicherheit feststellen lassen, wie
stark dieser Einfluß gewesen ist, wie weit Reinald über die Stellung
eines ausführenden Organs zum tatsächlichen Leiter der Politik
emporwuchs. Schwerlich hat sich ein Herrscher wie Friedrich, wenn
er auch seinem Kanzler gern einen freimütigen Ton gestattete, von
ihm in der Weise vergewaltigen lassen, wie das kirchliche Gegner
wiederholt zu verkünden für gut hielten. Volle Übereinstimmung
in der politischen Gesamtrichtung wird unbedingt vorauszusetzen
sein. An radikale Utopien, wie die kirchliche Losreißung Deutsch-
lands von Rom hat Reinald sicher nicht gedacht.2) Wie Friedrich,
wollte er die noch verbliebenen Rechtstitel und Machtmittel des
deutschen Königtums so kräftig anspannen, daß ihm womöglich die
Stellung der Ottonen und ersten Salier zurückgewonnen würde,
insbesondere durch eine Neukräftigung der deutschen Reichskirche,
durch tatsächliche Beherrschung Italiens und politischen Druck auf
das Papsttum. Immerhin hat sein stürmisches Temperament den
Kaiser auf diesem Wege sicher weiter fortgerissen, als jener selbst
gegangen sein würde, weiter, als eine vorsichtige Abschätzung der
entgegenstehenden Hemmnisse erlaubt hätte. In seiner schrofferen
Art hat er dann die eingeschlagene Richtung mit gewaltsameren
Mitteln verfolgt und in seinem schrankenlosen Optimismus einen
hochmütig-rücksichtsloseren Ton angeschlagen, als taktisch nützlich
war und seinem Herrn im einzelnen lieb sein mochte. Und als

1) So etwa neuerdings Hauck.
2) Diese noch von Ficker geteilte Annahme stützte sich auf Briefe, die
den Plan erörtern, den Erzbischof Hillin von Trier als deutschen Papst auf-
zustellen, die aber von Jaffé, Arch. f. öst. Gesch. 14 seitdem als Stilübungen
erwiesen sind.
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[126/0134] II. Die Zeit der Staufer. händler, fielen die schwierigsten diplomatischen Missionen zu, dem umsichtigen, durchgreifenden Organisator die bedeutendsten Ver- waltungsaufgaben; auch als Feldherr hat er sich trotz seiner geist- lichen Würden trefflich bewährt. Furcht und Zaudern waren ihm fremd; die Gefahr reizte ihn zu oft verblüffender Kühnheit. Mit nur zehn Rittern hat er einmal eine Schar von etwa drei- hundert Ravennaten überrumpelt und gefangen genommen, im ent- scheidenden Augenblicke griff er wohl persönlich in den Kampf ein. Kein Rückschlag vermochte ihn zu beugen, „von Tag zu Tage“, sagt ein Chronist, „wuchs er über sich selbst hinaus“, bis er aus leuchtender Höhe durch den Tod entrafft ward. Eben dies plötzliche Hinschwinden, das ihm die Enttäuschung des Abstiegs ersparte, kann uns leicht zu einem allzu günstigen Urteil über ihn verleiten. 1) Daß sein Gesamteinfluß auf Friedrichs Politik schlechthin günstig gewesen wäre, läßt sich doch nicht sagen. Freilich wird sich wohl nie mit Sicherheit feststellen lassen, wie stark dieser Einfluß gewesen ist, wie weit Reinald über die Stellung eines ausführenden Organs zum tatsächlichen Leiter der Politik emporwuchs. Schwerlich hat sich ein Herrscher wie Friedrich, wenn er auch seinem Kanzler gern einen freimütigen Ton gestattete, von ihm in der Weise vergewaltigen lassen, wie das kirchliche Gegner wiederholt zu verkünden für gut hielten. Volle Übereinstimmung in der politischen Gesamtrichtung wird unbedingt vorauszusetzen sein. An radikale Utopien, wie die kirchliche Losreißung Deutsch- lands von Rom hat Reinald sicher nicht gedacht. 2) Wie Friedrich, wollte er die noch verbliebenen Rechtstitel und Machtmittel des deutschen Königtums so kräftig anspannen, daß ihm womöglich die Stellung der Ottonen und ersten Salier zurückgewonnen würde, insbesondere durch eine Neukräftigung der deutschen Reichskirche, durch tatsächliche Beherrschung Italiens und politischen Druck auf das Papsttum. Immerhin hat sein stürmisches Temperament den Kaiser auf diesem Wege sicher weiter fortgerissen, als jener selbst gegangen sein würde, weiter, als eine vorsichtige Abschätzung der entgegenstehenden Hemmnisse erlaubt hätte. In seiner schrofferen Art hat er dann die eingeschlagene Richtung mit gewaltsameren Mitteln verfolgt und in seinem schrankenlosen Optimismus einen hochmütig-rücksichtsloseren Ton angeschlagen, als taktisch nützlich war und seinem Herrn im einzelnen lieb sein mochte. Und als 1) So etwa neuerdings Hauck. 2) Diese noch von Ficker geteilte Annahme stützte sich auf Briefe, die den Plan erörtern, den Erzbischof Hillin von Trier als deutschen Papst auf- zustellen, die aber von Jaffé, Arch. f. öst. Gesch. 14 seitdem als Stilübungen erwiesen sind.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/134>, abgerufen am 02.05.2024.