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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
den Stallmeisterdienst des Steigbügelhaltens und Roßführens1) dem
Papste weigerte und erst nachgab, als die älteren Reichsfürsten das
als Herkommen bezeugten. Gleichwohl wurde die Kaiserkrönung
in der Leostadt glücklich vollzogen (1155); das eigentliche Rom
aber behaupteten die von Friedrich schroff abgewiesenen Römer in
umso heftiger entbrennender Feindseligkeit. Nun geschah das Un-
erwartete: ohne auch nur einen ernstlichen Versuch zur Durch-
führung des Konstanzer Vertrages zu machen, obschon die inneren
Wirren Siziliens wohl zu einem Angriff hätten locken können, führte
Friedrich gegen seinen eigenen Wunsch auf das dringende Ver-
langen der Fürsten und drohende Mahnungen der italischen Sommer-
hitze sein Heer nach Deutschland zurück. Damals rettete ihn beim
Durchzug durch die Veroneser Klause die Tapferkeit des Pfalzgrafen
Otto von Wittelsbach aus gefährlicher Lage.

Rein sachlich waren für Friedrich die Ergebnisse der Rom-
fahrt: der Gewinn der Kaiserkrone und eine gründliche Kenntnis-
nahme der ober- und mittelitalischen Verhältnisse, mit dem be-
scheidenen Einsatz verglichen, noch immer zufriedenstellend; weniger
unter dem Gesichtspunkte seines Ansehns, am wenigsten, soweit
sein Verhältnis zur Kurie in Betracht kam. Konnte man es ihr
verdenken, wenn sie in tiefer Verstimmung nun ihrerseits den Kon-
stanzer Vertrag mehr und mehr fallen ließ? Zunächst versuchte
sie noch, die durch eine schwere Erkrankung des Herrschers über-
aus mißlichen Zustände Siziliens im Zusammenwirken mit den
Griechen zu eigner Eroberung auszunutzen. Dann aber, als Wil-
helm I. gesundete und erstarkte, vollzog Hadrian, nur von einer
Minorität der Kardinäle unterstützt, mit dem Vertrage von Benevent
(1156) entschlossen die große Schwenkung der päpstlichen Politik.
Er erkannte Wilhelm als seinen zinszahlenden Lehensmann im vollen
Besitz seiner Königswürde und seines Reiches an, das er gegen
jedermann zu verteidigen versprach, und gestand ihm im wesent-
lichen auch die schon von Roger beanspruchten Rechte über die
sizilische Kirche, namentlich den maßgebenden Einfluß auf die Ein-
setzung der Bischöfe zu. Dies einseitige, unter Nichtachtung aller
Reichsansprüche auf Unteritalien geschlossene Abkommen stand zu
dem Konstanzer Vertrag, auch wenn er es nicht ausdrücklich ver-
bot, unzweifelhaft im schroffsten Widerspruch. Gleichwohl war es
müßig, über Treubruch zu klagen. Staatsverträge werden nicht auf
Ewigkeit geschlossen! Die Voraussetzung, in dem neuen deutschen
König, wie in seinen Vorgängern, ein gefügiges Werkzeug der kurialen

1) In Übereinstimmung mit der "konstantinischen Schenkung" wurde
der Dienst zuerst von Pippin, dann Ludwig II., später von Heinrichs IV. Sohn
Konrad und Lothar III. den Päpsten geleistet.

II. Die Zeit der Staufer.
den Stallmeisterdienst des Steigbügelhaltens und Roßführens1) dem
Papste weigerte und erst nachgab, als die älteren Reichsfürsten das
als Herkommen bezeugten. Gleichwohl wurde die Kaiserkrönung
in der Leostadt glücklich vollzogen (1155); das eigentliche Rom
aber behaupteten die von Friedrich schroff abgewiesenen Römer in
umso heftiger entbrennender Feindseligkeit. Nun geschah das Un-
erwartete: ohne auch nur einen ernstlichen Versuch zur Durch-
führung des Konstanzer Vertrages zu machen, obschon die inneren
Wirren Siziliens wohl zu einem Angriff hätten locken können, führte
Friedrich gegen seinen eigenen Wunsch auf das dringende Ver-
langen der Fürsten und drohende Mahnungen der italischen Sommer-
hitze sein Heer nach Deutschland zurück. Damals rettete ihn beim
Durchzug durch die Veroneser Klause die Tapferkeit des Pfalzgrafen
Otto von Wittelsbach aus gefährlicher Lage.

Rein sachlich waren für Friedrich die Ergebnisse der Rom-
fahrt: der Gewinn der Kaiserkrone und eine gründliche Kenntnis-
nahme der ober- und mittelitalischen Verhältnisse, mit dem be-
scheidenen Einsatz verglichen, noch immer zufriedenstellend; weniger
unter dem Gesichtspunkte seines Ansehns, am wenigsten, soweit
sein Verhältnis zur Kurie in Betracht kam. Konnte man es ihr
verdenken, wenn sie in tiefer Verstimmung nun ihrerseits den Kon-
stanzer Vertrag mehr und mehr fallen ließ? Zunächst versuchte
sie noch, die durch eine schwere Erkrankung des Herrschers über-
aus mißlichen Zustände Siziliens im Zusammenwirken mit den
Griechen zu eigner Eroberung auszunutzen. Dann aber, als Wil-
helm I. gesundete und erstarkte, vollzog Hadrian, nur von einer
Minorität der Kardinäle unterstützt, mit dem Vertrage von Benevent
(1156) entschlossen die große Schwenkung der päpstlichen Politik.
Er erkannte Wilhelm als seinen zinszahlenden Lehensmann im vollen
Besitz seiner Königswürde und seines Reiches an, das er gegen
jedermann zu verteidigen versprach, und gestand ihm im wesent-
lichen auch die schon von Roger beanspruchten Rechte über die
sizilische Kirche, namentlich den maßgebenden Einfluß auf die Ein-
setzung der Bischöfe zu. Dies einseitige, unter Nichtachtung aller
Reichsansprüche auf Unteritalien geschlossene Abkommen stand zu
dem Konstanzer Vertrag, auch wenn er es nicht ausdrücklich ver-
bot, unzweifelhaft im schroffsten Widerspruch. Gleichwohl war es
müßig, über Treubruch zu klagen. Staatsverträge werden nicht auf
Ewigkeit geschlossen! Die Voraussetzung, in dem neuen deutschen
König, wie in seinen Vorgängern, ein gefügiges Werkzeug der kurialen

1) In Übereinstimmung mit der „konstantinischen Schenkung“ wurde
der Dienst zuerst von Pippin, dann Ludwig II., später von Heinrichs IV. Sohn
Konrad und Lothar III. den Päpsten geleistet.
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[124/0132] II. Die Zeit der Staufer. den Stallmeisterdienst des Steigbügelhaltens und Roßführens 1) dem Papste weigerte und erst nachgab, als die älteren Reichsfürsten das als Herkommen bezeugten. Gleichwohl wurde die Kaiserkrönung in der Leostadt glücklich vollzogen (1155); das eigentliche Rom aber behaupteten die von Friedrich schroff abgewiesenen Römer in umso heftiger entbrennender Feindseligkeit. Nun geschah das Un- erwartete: ohne auch nur einen ernstlichen Versuch zur Durch- führung des Konstanzer Vertrages zu machen, obschon die inneren Wirren Siziliens wohl zu einem Angriff hätten locken können, führte Friedrich gegen seinen eigenen Wunsch auf das dringende Ver- langen der Fürsten und drohende Mahnungen der italischen Sommer- hitze sein Heer nach Deutschland zurück. Damals rettete ihn beim Durchzug durch die Veroneser Klause die Tapferkeit des Pfalzgrafen Otto von Wittelsbach aus gefährlicher Lage. Rein sachlich waren für Friedrich die Ergebnisse der Rom- fahrt: der Gewinn der Kaiserkrone und eine gründliche Kenntnis- nahme der ober- und mittelitalischen Verhältnisse, mit dem be- scheidenen Einsatz verglichen, noch immer zufriedenstellend; weniger unter dem Gesichtspunkte seines Ansehns, am wenigsten, soweit sein Verhältnis zur Kurie in Betracht kam. Konnte man es ihr verdenken, wenn sie in tiefer Verstimmung nun ihrerseits den Kon- stanzer Vertrag mehr und mehr fallen ließ? Zunächst versuchte sie noch, die durch eine schwere Erkrankung des Herrschers über- aus mißlichen Zustände Siziliens im Zusammenwirken mit den Griechen zu eigner Eroberung auszunutzen. Dann aber, als Wil- helm I. gesundete und erstarkte, vollzog Hadrian, nur von einer Minorität der Kardinäle unterstützt, mit dem Vertrage von Benevent (1156) entschlossen die große Schwenkung der päpstlichen Politik. Er erkannte Wilhelm als seinen zinszahlenden Lehensmann im vollen Besitz seiner Königswürde und seines Reiches an, das er gegen jedermann zu verteidigen versprach, und gestand ihm im wesent- lichen auch die schon von Roger beanspruchten Rechte über die sizilische Kirche, namentlich den maßgebenden Einfluß auf die Ein- setzung der Bischöfe zu. Dies einseitige, unter Nichtachtung aller Reichsansprüche auf Unteritalien geschlossene Abkommen stand zu dem Konstanzer Vertrag, auch wenn er es nicht ausdrücklich ver- bot, unzweifelhaft im schroffsten Widerspruch. Gleichwohl war es müßig, über Treubruch zu klagen. Staatsverträge werden nicht auf Ewigkeit geschlossen! Die Voraussetzung, in dem neuen deutschen König, wie in seinen Vorgängern, ein gefügiges Werkzeug der kurialen 1) In Übereinstimmung mit der „konstantinischen Schenkung“ wurde der Dienst zuerst von Pippin, dann Ludwig II., später von Heinrichs IV. Sohn Konrad und Lothar III. den Päpsten geleistet.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/132>, abgerufen am 24.11.2024.