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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
halte er mit Zähigkeit fest1), könnte er immerhin gesprochen haben.
Dieser Rechtsbestand war nach deutscher Art nirgends ausdrück-
lich aufgezeichnet; er war das Gewohnheitsrecht, das in einigen
wichtigen Streitpunkten durch die Abmachungen des Wormser Kon-
kordats2) abgewandelt worden war. Wie alles Gewohnheitsrecht
hatte es die Neigung, dem Drucke von Macht und Persönlichkeit
nachzugeben. War in den letzten Jahrzehnten das deutsche König-
tum der weichende Teil gewesen, so wurde nun diese Bewegung
unter Friedrich rückläufig.

Er nutzte jede der Krone noch verbliebene Handhabe, um
ihr tatsächlich den maßgebenden Einfluß auf die Besetzung der
Bischofsstühle zurückzugewinnen. Hatten die beiden letzten Herrscher
auf die kirchlichen Bedenken gegen die durch die königliche Gegen-
wart hervorgerufene Beeinträchtigung der Wahlfreiheit Rücksicht
genommen -- über das Konkordat hinaus, so wußte Friedrich
meist schon bei der Aufstellung des Bewerbers seinen Willen nach-
drücklich zur Geltung zu bringen. Kam es gleichwohl zur Doppel-
wahl, so pflegte er rücksichtslos und nicht immer im Einklang mit
dem Geiste des Konkordats einzugreifen und seinem Kandidaten
durch eine Neuwahl die Anerkennung zu verschaffen. So trug er
gleich im Beginn mit der Einsetzung des Erzbischofs Wichmann
von Magdeburg einen eindrucksvollen Erfolg über die widerstrebende
Kurie davon (1153). Bald tat er noch einen Schritt weiter und
ließ sich von den Fürsten für solche Fälle den Anspruch bestätigen,
mit Übergehung beider Bewerber von sich aus einen beliebigen
Dritten einzusetzen (das sog. Devolutionsrecht). Den in letzter Zeit
zutage getretenen Bestrebungen der Kurie, ihren Einfluß an die
Stelle des königlichen zu setzen, trat er erfolgreich entgegen, indem
er den weltlichen Mitgliedern der Wahlkörper die Stimmberechtigung
wahrte3) und Appellationen nach Rom hemmte. Streng hielt er
darauf, daß erst die königliche Investitur den Erwählten in den
Genuß der Regalien setze, und daß sie der Weihe voranzugehen
habe. 4) Den Mißbräuchen, die sich in dieser Hinsicht in der Salz-
burger Kirchenprovinz unter Duldung der Krone eingeschlichen

1) Arnold v. Lübeck III, 18 mit Bezug auf das Spolienrecht.
2) Eben weil noch die ganze Rechtsentwicklung mündlich war, kannten
schon nach einer Generation nicht einmal Nächstbeteiligte, wie Bischof Otto
v. Freising, mehr den genauen Inhalt des Konkordats.
3) Über die gegenteiligen Bestrebungen der Kurie vgl. v. Below, D.
Entstehung d. ausschließl. Wahlrechts der Domkapitel 1883.
4) Daß Friedrich diese Reihenfolge entgegen den Konkordatsbestimmungen
auch für Italien und Burgund durchzusetzen versucht habe, wie Wolfram a.
a. O. und Zeitschr. f. Kirchengesch. 8 meint, ist doch schwerlich richtig,
wenn er auch während des Kirchenstreits die Investitur gelegentlich not-

II. Die Zeit der Staufer.
halte er mit Zähigkeit fest1), könnte er immerhin gesprochen haben.
Dieser Rechtsbestand war nach deutscher Art nirgends ausdrück-
lich aufgezeichnet; er war das Gewohnheitsrecht, das in einigen
wichtigen Streitpunkten durch die Abmachungen des Wormser Kon-
kordats2) abgewandelt worden war. Wie alles Gewohnheitsrecht
hatte es die Neigung, dem Drucke von Macht und Persönlichkeit
nachzugeben. War in den letzten Jahrzehnten das deutsche König-
tum der weichende Teil gewesen, so wurde nun diese Bewegung
unter Friedrich rückläufig.

Er nutzte jede der Krone noch verbliebene Handhabe, um
ihr tatsächlich den maßgebenden Einfluß auf die Besetzung der
Bischofsstühle zurückzugewinnen. Hatten die beiden letzten Herrscher
auf die kirchlichen Bedenken gegen die durch die königliche Gegen-
wart hervorgerufene Beeinträchtigung der Wahlfreiheit Rücksicht
genommen — über das Konkordat hinaus, so wußte Friedrich
meist schon bei der Aufstellung des Bewerbers seinen Willen nach-
drücklich zur Geltung zu bringen. Kam es gleichwohl zur Doppel-
wahl, so pflegte er rücksichtslos und nicht immer im Einklang mit
dem Geiste des Konkordats einzugreifen und seinem Kandidaten
durch eine Neuwahl die Anerkennung zu verschaffen. So trug er
gleich im Beginn mit der Einsetzung des Erzbischofs Wichmann
von Magdeburg einen eindrucksvollen Erfolg über die widerstrebende
Kurie davon (1153). Bald tat er noch einen Schritt weiter und
ließ sich von den Fürsten für solche Fälle den Anspruch bestätigen,
mit Übergehung beider Bewerber von sich aus einen beliebigen
Dritten einzusetzen (das sog. Devolutionsrecht). Den in letzter Zeit
zutage getretenen Bestrebungen der Kurie, ihren Einfluß an die
Stelle des königlichen zu setzen, trat er erfolgreich entgegen, indem
er den weltlichen Mitgliedern der Wahlkörper die Stimmberechtigung
wahrte3) und Appellationen nach Rom hemmte. Streng hielt er
darauf, daß erst die königliche Investitur den Erwählten in den
Genuß der Regalien setze, und daß sie der Weihe voranzugehen
habe. 4) Den Mißbräuchen, die sich in dieser Hinsicht in der Salz-
burger Kirchenprovinz unter Duldung der Krone eingeschlichen

1) Arnold v. Lübeck III, 18 mit Bezug auf das Spolienrecht.
2) Eben weil noch die ganze Rechtsentwicklung mündlich war, kannten
schon nach einer Generation nicht einmal Nächstbeteiligte, wie Bischof Otto
v. Freising, mehr den genauen Inhalt des Konkordats.
3) Über die gegenteiligen Bestrebungen der Kurie vgl. v. Below, D.
Entstehung d. ausschließl. Wahlrechts der Domkapitel 1883.
4) Daß Friedrich diese Reihenfolge entgegen den Konkordatsbestimmungen
auch für Italien und Burgund durchzusetzen versucht habe, wie Wolfram a.
a. O. und Zeitschr. f. Kirchengesch. 8 meint, ist doch schwerlich richtig,
wenn er auch während des Kirchenstreits die Investitur gelegentlich not-
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[120/0128] II. Die Zeit der Staufer. halte er mit Zähigkeit fest 1), könnte er immerhin gesprochen haben. Dieser Rechtsbestand war nach deutscher Art nirgends ausdrück- lich aufgezeichnet; er war das Gewohnheitsrecht, das in einigen wichtigen Streitpunkten durch die Abmachungen des Wormser Kon- kordats 2) abgewandelt worden war. Wie alles Gewohnheitsrecht hatte es die Neigung, dem Drucke von Macht und Persönlichkeit nachzugeben. War in den letzten Jahrzehnten das deutsche König- tum der weichende Teil gewesen, so wurde nun diese Bewegung unter Friedrich rückläufig. Er nutzte jede der Krone noch verbliebene Handhabe, um ihr tatsächlich den maßgebenden Einfluß auf die Besetzung der Bischofsstühle zurückzugewinnen. Hatten die beiden letzten Herrscher auf die kirchlichen Bedenken gegen die durch die königliche Gegen- wart hervorgerufene Beeinträchtigung der Wahlfreiheit Rücksicht genommen — über das Konkordat hinaus, so wußte Friedrich meist schon bei der Aufstellung des Bewerbers seinen Willen nach- drücklich zur Geltung zu bringen. Kam es gleichwohl zur Doppel- wahl, so pflegte er rücksichtslos und nicht immer im Einklang mit dem Geiste des Konkordats einzugreifen und seinem Kandidaten durch eine Neuwahl die Anerkennung zu verschaffen. So trug er gleich im Beginn mit der Einsetzung des Erzbischofs Wichmann von Magdeburg einen eindrucksvollen Erfolg über die widerstrebende Kurie davon (1153). Bald tat er noch einen Schritt weiter und ließ sich von den Fürsten für solche Fälle den Anspruch bestätigen, mit Übergehung beider Bewerber von sich aus einen beliebigen Dritten einzusetzen (das sog. Devolutionsrecht). Den in letzter Zeit zutage getretenen Bestrebungen der Kurie, ihren Einfluß an die Stelle des königlichen zu setzen, trat er erfolgreich entgegen, indem er den weltlichen Mitgliedern der Wahlkörper die Stimmberechtigung wahrte 3) und Appellationen nach Rom hemmte. Streng hielt er darauf, daß erst die königliche Investitur den Erwählten in den Genuß der Regalien setze, und daß sie der Weihe voranzugehen habe. 4) Den Mißbräuchen, die sich in dieser Hinsicht in der Salz- burger Kirchenprovinz unter Duldung der Krone eingeschlichen 1) Arnold v. Lübeck III, 18 mit Bezug auf das Spolienrecht. 2) Eben weil noch die ganze Rechtsentwicklung mündlich war, kannten schon nach einer Generation nicht einmal Nächstbeteiligte, wie Bischof Otto v. Freising, mehr den genauen Inhalt des Konkordats. 3) Über die gegenteiligen Bestrebungen der Kurie vgl. v. Below, D. Entstehung d. ausschließl. Wahlrechts der Domkapitel 1883. 4) Daß Friedrich diese Reihenfolge entgegen den Konkordatsbestimmungen auch für Italien und Burgund durchzusetzen versucht habe, wie Wolfram a. a. O. und Zeitschr. f. Kirchengesch. 8 meint, ist doch schwerlich richtig, wenn er auch während des Kirchenstreits die Investitur gelegentlich not-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/128>, abgerufen am 02.05.2024.