Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser bey dem Grabe Achills mit Eyfersucht
an einen Herold des Ruhms denkt, wie der
blinde Minnesänger war: so biegt ein Eras-
mus im Spott sein Knie für den heiligen
Sokrates, und die hellenistische Muse unsers
von Baro muß den komischen Schatten ei-
nes Thomas Diafoirus beunruhigen, um
uns die unterirrdische Wahrheit zu predigen;
daß es göttliche Menschen unter den Heyden
gab, daß wir die Wolke dieser Zeugen nicht
verachten sollen, daß sie der Himmel zu sei-
nen Boten und Dollmetschern salbte, und zu
eben den Beruf unter ihrem Geschlechte ein-
weyhte, den die Propheten unter den Juden
hatten.

Wie die Natur uns gegeben, unsere Au-
gen zu öfnen; so die Geschichte, unsere Oh-
ten. Einen Körper und eine Begebenheit
bis auf ihre ersten Elemente zergliedern, heißt,
Gottes unsichtbares Wesen, seine ewige Kraft

und
B 4

dieſer bey dem Grabe Achills mit Eyferſucht
an einen Herold des Ruhms denkt, wie der
blinde Minneſaͤnger war: ſo biegt ein Eras-
mus im Spott ſein Knie fuͤr den heiligen
Sokrates, und die helleniſtiſche Muſe unſers
von Baro muß den komiſchen Schatten ei-
nes Thomas Diafoirus beunruhigen, um
uns die unterirrdiſche Wahrheit zu predigen;
daß es goͤttliche Menſchen unter den Heyden
gab, daß wir die Wolke dieſer Zeugen nicht
verachten ſollen, daß ſie der Himmel zu ſei-
nen Boten und Dollmetſchern ſalbte, und zu
eben den Beruf unter ihrem Geſchlechte ein-
weyhte, den die Propheten unter den Juden
hatten.

Wie die Natur uns gegeben, unſere Au-
gen zu oͤfnen; ſo die Geſchichte, unſere Oh-
ten. Einen Koͤrper und eine Begebenheit
bis auf ihre erſten Elemente zergliedern, heißt,
Gottes unſichtbares Weſen, ſeine ewige Kraft

und
B 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0027" n="23"/>
die&#x017F;er bey dem Grabe Achills mit Eyfer&#x017F;ucht<lb/>
an einen Herold des Ruhms denkt, wie der<lb/>
blinde Minne&#x017F;a&#x0364;nger war: &#x017F;o biegt ein Eras-<lb/>
mus im Spott &#x017F;ein Knie fu&#x0364;r den heiligen<lb/>
Sokrates, und die helleni&#x017F;ti&#x017F;che Mu&#x017F;e un&#x017F;ers<lb/>
von Baro muß den komi&#x017F;chen Schatten ei-<lb/>
nes <hi rendition="#fr">Thomas Diafoirus</hi> beunruhigen, um<lb/>
uns die unterirrdi&#x017F;che Wahrheit zu predigen;<lb/>
daß es go&#x0364;ttliche Men&#x017F;chen unter den Heyden<lb/>
gab, daß wir die Wolke die&#x017F;er Zeugen nicht<lb/>
verachten &#x017F;ollen, daß &#x017F;ie der Himmel zu &#x017F;ei-<lb/>
nen Boten und Dollmet&#x017F;chern &#x017F;albte, und zu<lb/>
eben den Beruf unter ihrem Ge&#x017F;chlechte ein-<lb/>
weyhte, den die Propheten unter den Juden<lb/>
hatten.</p><lb/>
            <p>Wie die Natur uns gegeben, un&#x017F;ere Au-<lb/>
gen zu o&#x0364;fnen; &#x017F;o die Ge&#x017F;chichte, un&#x017F;ere Oh-<lb/>
ten. Einen Ko&#x0364;rper und eine Begebenheit<lb/>
bis auf ihre er&#x017F;ten Elemente zergliedern, heißt,<lb/>
Gottes un&#x017F;ichtbares We&#x017F;en, &#x017F;eine ewige Kraft<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0027] dieſer bey dem Grabe Achills mit Eyferſucht an einen Herold des Ruhms denkt, wie der blinde Minneſaͤnger war: ſo biegt ein Eras- mus im Spott ſein Knie fuͤr den heiligen Sokrates, und die helleniſtiſche Muſe unſers von Baro muß den komiſchen Schatten ei- nes Thomas Diafoirus beunruhigen, um uns die unterirrdiſche Wahrheit zu predigen; daß es goͤttliche Menſchen unter den Heyden gab, daß wir die Wolke dieſer Zeugen nicht verachten ſollen, daß ſie der Himmel zu ſei- nen Boten und Dollmetſchern ſalbte, und zu eben den Beruf unter ihrem Geſchlechte ein- weyhte, den die Propheten unter den Juden hatten. Wie die Natur uns gegeben, unſere Au- gen zu oͤfnen; ſo die Geſchichte, unſere Oh- ten. Einen Koͤrper und eine Begebenheit bis auf ihre erſten Elemente zergliedern, heißt, Gottes unſichtbares Weſen, ſeine ewige Kraft und B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/27
Zitationshilfe: [Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/27>, abgerufen am 24.11.2024.