wir an einem andern Orte zeigen wollen, daß die mensch- lichen Körper das Reiben, das Verzehren und Verhär- ten jederzeit einander die Hände bieten, und daß dieje- nigen Theile der Haut, der Muskeln, der Knorpeln, der Knochen ungemein hart werden, welche ein öfteres Reiben auszusiehen haben. Und so lernt man auch das Fett an seinem bereits erwähnten Nuzzen erkennen, indem es diese Reibungen vermittelst seiner weichen Bestand- theile vermindert.
Wir haben also bisher bewiesen, daß sich die festen Theile des menschlichen Körpers, und die flüßigen ab- reiben und verändern. Man kann also leicht glauben, daß die festen Theile in diejenigen Gefässe herüber gerissen werden, welche den Umlauf des Bluts zu verrichten ha- ben, es mögen nun dieses selbst die Theile von der Wand eines Gefässes, oder von einem Fadengewebe losgerissen seyn, und zugleich mit dem Fette in die Blutadern zu- rükke gebracht werden, oder losgelöste Stükke des Kno- chens seyn, welche sich mit dem Blutaderblute vermischen. Dieses scheinet die Materie zu der so häufigen Erde zu seyn, welche sich in dem Urine sezzte. Und ob ich gleich nicht hievon diejenige Erde ausschliesse, welche unter das Trinkwasser gemischt ist (d), so giebt uns doch die innerste Vermischung der Erde mit dem Oele des Urins die Vermuthung, daß es nicht eine rohe, oder von dem Getränke herrührende Erde sey, welche sich mit dem Oele und menschlichen Salze so tief verbunden hat, daß sie sogleich mit selbigen in einer flüchtigen Gestalt auf- steigt (e), welche ebenfalls in dem noch unreisen Fieber, ohngeachtet man eine Menge Getränke zu sich nimmt, fast ganz und gar nicht vorkömmt, hingegen in einem Fieber, welches sich zur Crisis neigt sehr häufig, und so gar bey wenigem Getränke zu Boden fällt. So ver-
mehrt
(d)L. XIX. p. 229.
(e)BOERHAAVE Prael. acad. T. III. p. 290.
II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
wir an einem andern Orte zeigen wollen, daß die menſch- lichen Koͤrper das Reiben, das Verzehren und Verhaͤr- ten jederzeit einander die Haͤnde bieten, und daß dieje- nigen Theile der Haut, der Muskeln, der Knorpeln, der Knochen ungemein hart werden, welche ein oͤfteres Reiben auszuſiehen haben. Und ſo lernt man auch das Fett an ſeinem bereits erwaͤhnten Nuzzen erkennen, indem es dieſe Reibungen vermittelſt ſeiner weichen Beſtand- theile vermindert.
Wir haben alſo bisher bewieſen, daß ſich die feſten Theile des menſchlichen Koͤrpers, und die fluͤßigen ab- reiben und veraͤndern. Man kann alſo leicht glauben, daß die feſten Theile in diejenigen Gefaͤſſe heruͤber geriſſen werden, welche den Umlauf des Bluts zu verrichten ha- ben, es moͤgen nun dieſes ſelbſt die Theile von der Wand eines Gefaͤſſes, oder von einem Fadengewebe losgeriſſen ſeyn, und zugleich mit dem Fette in die Blutadern zu- ruͤkke gebracht werden, oder losgeloͤſte Stuͤkke des Kno- chens ſeyn, welche ſich mit dem Blutaderblute vermiſchen. Dieſes ſcheinet die Materie zu der ſo haͤufigen Erde zu ſeyn, welche ſich in dem Urine ſezzte. Und ob ich gleich nicht hievon diejenige Erde ausſchlieſſe, welche unter das Trinkwaſſer gemiſcht iſt (d), ſo giebt uns doch die innerſte Vermiſchung der Erde mit dem Oele des Urins die Vermuthung, daß es nicht eine rohe, oder von dem Getraͤnke herruͤhrende Erde ſey, welche ſich mit dem Oele und menſchlichen Salze ſo tief verbunden hat, daß ſie ſogleich mit ſelbigen in einer fluͤchtigen Geſtalt auf- ſteigt (e), welche ebenfalls in dem noch unreiſen Fieber, ohngeachtet man eine Menge Getraͤnke zu ſich nimmt, faſt ganz und gar nicht vorkoͤmmt, hingegen in einem Fieber, welches ſich zur Criſis neigt ſehr haͤufig, und ſo gar bey wenigem Getraͤnke zu Boden faͤllt. So ver-
mehrt
(d)L. XIX. p. 229.
(e)BOERHAAVE Prael. acad. T. III. p. 290.
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[877[879]/0931]
II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
wir an einem andern Orte zeigen wollen, daß die menſch-
lichen Koͤrper das Reiben, das Verzehren und Verhaͤr-
ten jederzeit einander die Haͤnde bieten, und daß dieje-
nigen Theile der Haut, der Muskeln, der Knorpeln,
der Knochen ungemein hart werden, welche ein oͤfteres
Reiben auszuſiehen haben. Und ſo lernt man auch das
Fett an ſeinem bereits erwaͤhnten Nuzzen erkennen, indem
es dieſe Reibungen vermittelſt ſeiner weichen Beſtand-
theile vermindert.
Wir haben alſo bisher bewieſen, daß ſich die feſten
Theile des menſchlichen Koͤrpers, und die fluͤßigen ab-
reiben und veraͤndern. Man kann alſo leicht glauben,
daß die feſten Theile in diejenigen Gefaͤſſe heruͤber geriſſen
werden, welche den Umlauf des Bluts zu verrichten ha-
ben, es moͤgen nun dieſes ſelbſt die Theile von der Wand
eines Gefaͤſſes, oder von einem Fadengewebe losgeriſſen
ſeyn, und zugleich mit dem Fette in die Blutadern zu-
ruͤkke gebracht werden, oder losgeloͤſte Stuͤkke des Kno-
chens ſeyn, welche ſich mit dem Blutaderblute vermiſchen.
Dieſes ſcheinet die Materie zu der ſo haͤufigen Erde zu
ſeyn, welche ſich in dem Urine ſezzte. Und ob ich gleich
nicht hievon diejenige Erde ausſchlieſſe, welche unter
das Trinkwaſſer gemiſcht iſt (d), ſo giebt uns doch die
innerſte Vermiſchung der Erde mit dem Oele des Urins
die Vermuthung, daß es nicht eine rohe, oder von dem
Getraͤnke herruͤhrende Erde ſey, welche ſich mit dem
Oele und menſchlichen Salze ſo tief verbunden hat, daß
ſie ſogleich mit ſelbigen in einer fluͤchtigen Geſtalt auf-
ſteigt (e), welche ebenfalls in dem noch unreiſen Fieber,
ohngeachtet man eine Menge Getraͤnke zu ſich nimmt,
faſt ganz und gar nicht vorkoͤmmt, hingegen in einem
Fieber, welches ſich zur Criſis neigt ſehr haͤufig, und
ſo gar bey wenigem Getraͤnke zu Boden faͤllt. So ver-
mehrt
(d) L. XIX. p. 229.
(e) BOERHAAVE Prael. acad. T. III. p. 290.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 877[879]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/931>, abgerufen am 22.11.2024.
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