Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite
IV. Abs. Das Leben der Frucht.
§. 54.
Ob die Frucht Athem hole.

Vergeblich scheint es zu seyn, einer Erscheinung
nachzuspüren, welche von allen Seiten betrachtet, un-
möglich ist. Es schwimmt nämlich die Frucht bei Men-
schen und vierfüßigen Thieren beständig mitten in den
Wassern, diese Wasser liegen in dichtgeschlossnen Mem-
branen, wodurch die eingeblasene Luft nicht heraus kann.
Hingegen verliert die äusserliche Luft, welche in der Mut-
terscheide mit feuchten Dämpfen beladen ist (a), viel von
ihrem Wesen, um zum Athemholen geschikkt zu bleiben.

Und dennoch ist diese Nothwendigkeit, die Luft in
das Blut aufzunehmen, eine Sache, die die Köpfe der
Gelehrten so tief durchdrungen, daß sie so gar eine un-
ter Wasser untergetauchte Frucht, diesen Vortheil nicht
missen lassen wollten (b).

Sie verschanzen so gar ihre Sache mit Beweisen,
und es nehmen es berühmte Männer auf sich, zu demon-
striren, daß man offenbare Anzeigen von der Luft bei
Menschen und Thierfrüchten angeben könne.

Jch übergehe, was sie von den saugenden Früchten
(c), und von dem Gleichgewichte sagen, welches hier
mit der äussern Luft nothwendig zu unterhalten sei, jedoch
ohne ein Athemholen nicht zu hoffen stehe (d).

Man
(a) [Spaltenumbruch] Conf. L. VIII. p. 206. Sie
verliert durch die Dämpfe, welche
durch die Lunge ausdünsten und
weniger stinken, und weniger sinn-
lich sind.
(b) Die Alten bei dem PLU-
TARCHO placit. Phil. L. V. c. 15.
CLAUDIUS de la COURVEE P.
III. c. 9. EVERARD. p. 252.
CHARLETON p. 165. AMMAN
[Spaltenumbruch] in paraenesi ZELLER de Subsid.
pulm. MERY
bei dem du HAMEL
p. 302. V. der STERRE epist. II.
p.
57. mit weniger Lnft MAZIN
de respiratione fetus I. Brix. ann.
1737. BOLTEN Comm. Lit. No-
ric. ann. 1744. p. 335. BERTIER
physique des corps animes p.
224.
(c) MAZINUS diss. 3.
(d) MAZIN p. 17.
T t 4
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
§. 54.
Ob die Frucht Athem hole.

Vergeblich ſcheint es zu ſeyn, einer Erſcheinung
nachzuſpuͤren, welche von allen Seiten betrachtet, un-
moͤglich iſt. Es ſchwimmt naͤmlich die Frucht bei Men-
ſchen und vierfuͤßigen Thieren beſtaͤndig mitten in den
Waſſern, dieſe Waſſer liegen in dichtgeſchloſſnen Mem-
branen, wodurch die eingeblaſene Luft nicht heraus kann.
Hingegen verliert die aͤuſſerliche Luft, welche in der Mut-
terſcheide mit feuchten Daͤmpfen beladen iſt (a), viel von
ihrem Weſen, um zum Athemholen geſchikkt zu bleiben.

Und dennoch iſt dieſe Nothwendigkeit, die Luft in
das Blut aufzunehmen, eine Sache, die die Koͤpfe der
Gelehrten ſo tief durchdrungen, daß ſie ſo gar eine un-
ter Waſſer untergetauchte Frucht, dieſen Vortheil nicht
miſſen laſſen wollten (b).

Sie verſchanzen ſo gar ihre Sache mit Beweiſen,
und es nehmen es beruͤhmte Maͤnner auf ſich, zu demon-
ſtriren, daß man offenbare Anzeigen von der Luft bei
Menſchen und Thierfruͤchten angeben koͤnne.

Jch uͤbergehe, was ſie von den ſaugenden Fruͤchten
(c), und von dem Gleichgewichte ſagen, welches hier
mit der aͤuſſern Luft nothwendig zu unterhalten ſei, jedoch
ohne ein Athemholen nicht zu hoffen ſtehe (d).

Man
(a) [Spaltenumbruch] Conf. L. VIII. p. 206. Sie
verliert durch die Daͤmpfe, welche
durch die Lunge ausduͤnſten und
weniger ſtinken, und weniger ſinn-
lich ſind.
(b) Die Alten bei dem PLU-
TARCHO placit. Phil. L. V. c. 15.
CLAUDIUS de la COURVEE P.
III. c. 9. EVERARD. p. 252.
CHARLETON p. 165. AMMAN
[Spaltenumbruch] in paraeneſi ZELLER de Subſid.
pulm. MERY
bei dem du HAMEL
p. 302. V. der STERRE epiſt. II.
p.
57. mit weniger Lnft MAZIN
de reſpiratione fetus I. Brix. ann.
1737. BOLTEN Comm. Lit. No-
ric. ann. 1744. p. 335. BERTIER
phyſique des corps animes p.
224.
(c) MAZINUS diſſ. 3.
(d) MAZIN p. 17.
T t 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0715" n="661[663]"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;. Das Leben der Frucht.</hi> </fw><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 54.<lb/><hi rendition="#b">Ob die Frucht Athem hole.</hi></head><lb/>
              <p>Vergeblich &#x017F;cheint es zu &#x017F;eyn, einer Er&#x017F;cheinung<lb/>
nachzu&#x017F;pu&#x0364;ren, welche von allen Seiten betrachtet, un-<lb/>
mo&#x0364;glich i&#x017F;t. Es &#x017F;chwimmt na&#x0364;mlich die Frucht bei Men-<lb/>
&#x017F;chen und vierfu&#x0364;ßigen Thieren be&#x017F;ta&#x0364;ndig mitten in den<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ern, die&#x017F;e Wa&#x017F;&#x017F;er liegen in dichtge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;nen Mem-<lb/>
branen, wodurch die eingebla&#x017F;ene Luft nicht heraus kann.<lb/>
Hingegen verliert die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Luft, welche in der Mut-<lb/>
ter&#x017F;cheide mit feuchten Da&#x0364;mpfen beladen i&#x017F;t <note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#aq">Conf. L. VIII. p.</hi> 206. Sie<lb/>
verliert durch die Da&#x0364;mpfe, welche<lb/>
durch die Lunge ausdu&#x0364;n&#x017F;ten und<lb/>
weniger &#x017F;tinken, und weniger &#x017F;inn-<lb/>
lich &#x017F;ind.</note>, viel von<lb/>
ihrem We&#x017F;en, um zum Athemholen ge&#x017F;chikkt zu bleiben.</p><lb/>
              <p>Und dennoch i&#x017F;t die&#x017F;e Nothwendigkeit, die Luft in<lb/>
das Blut aufzunehmen, eine Sache, die die Ko&#x0364;pfe der<lb/>
Gelehrten &#x017F;o tief durchdrungen, daß &#x017F;ie &#x017F;o gar eine un-<lb/>
ter Wa&#x017F;&#x017F;er untergetauchte Frucht, die&#x017F;en Vortheil nicht<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en wollten <note place="foot" n="(b)">Die Alten bei dem <hi rendition="#aq">PLU-<lb/>
TARCHO placit. Phil. L. V. c. 15.<lb/>
CLAUDIUS de la COURVEE P.<lb/>
III. c. 9. <hi rendition="#g">EVERARD.</hi> p. 252.<lb/>
CHARLETON p. 165. AMMAN<lb/><cb/>
in paraene&#x017F;i ZELLER de Sub&#x017F;id.<lb/>
pulm. MERY</hi> bei dem <hi rendition="#aq">du HAMEL<lb/>
p. 302. V. der STERRE epi&#x017F;t. II.<lb/>
p.</hi> 57. mit weniger Lnft <hi rendition="#aq">MAZIN<lb/>
de re&#x017F;piratione fetus I. Brix. ann.<lb/>
1737. BOLTEN Comm. Lit. No-<lb/>
ric. ann. 1744. p. 335. BERTIER<lb/>
phy&#x017F;ique des corps animes p.</hi> 224.</note>.</p><lb/>
              <p>Sie ver&#x017F;chanzen &#x017F;o gar ihre Sache mit Bewei&#x017F;en,<lb/>
und es nehmen es beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner auf &#x017F;ich, zu demon-<lb/>
&#x017F;triren, daß man offenbare Anzeigen von der Luft bei<lb/>
Men&#x017F;chen und Thierfru&#x0364;chten angeben ko&#x0364;nne.</p><lb/>
              <p>Jch u&#x0364;bergehe, was &#x017F;ie von den &#x017F;augenden Fru&#x0364;chten<lb/><note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">MAZINUS di&#x017F;&#x017F;.</hi> 3.</note>, und von dem Gleichgewichte &#x017F;agen, welches hier<lb/>
mit der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Luft nothwendig zu unterhalten &#x017F;ei, jedoch<lb/>
ohne ein Athemholen nicht zu hoffen &#x017F;tehe <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq">MAZIN p.</hi> 17.</note>.</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">T t 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Man</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[661[663]/0715] IV. Abſ. Das Leben der Frucht. §. 54. Ob die Frucht Athem hole. Vergeblich ſcheint es zu ſeyn, einer Erſcheinung nachzuſpuͤren, welche von allen Seiten betrachtet, un- moͤglich iſt. Es ſchwimmt naͤmlich die Frucht bei Men- ſchen und vierfuͤßigen Thieren beſtaͤndig mitten in den Waſſern, dieſe Waſſer liegen in dichtgeſchloſſnen Mem- branen, wodurch die eingeblaſene Luft nicht heraus kann. Hingegen verliert die aͤuſſerliche Luft, welche in der Mut- terſcheide mit feuchten Daͤmpfen beladen iſt (a), viel von ihrem Weſen, um zum Athemholen geſchikkt zu bleiben. Und dennoch iſt dieſe Nothwendigkeit, die Luft in das Blut aufzunehmen, eine Sache, die die Koͤpfe der Gelehrten ſo tief durchdrungen, daß ſie ſo gar eine un- ter Waſſer untergetauchte Frucht, dieſen Vortheil nicht miſſen laſſen wollten (b). Sie verſchanzen ſo gar ihre Sache mit Beweiſen, und es nehmen es beruͤhmte Maͤnner auf ſich, zu demon- ſtriren, daß man offenbare Anzeigen von der Luft bei Menſchen und Thierfruͤchten angeben koͤnne. Jch uͤbergehe, was ſie von den ſaugenden Fruͤchten (c), und von dem Gleichgewichte ſagen, welches hier mit der aͤuſſern Luft nothwendig zu unterhalten ſei, jedoch ohne ein Athemholen nicht zu hoffen ſtehe (d). Man (a) Conf. L. VIII. p. 206. Sie verliert durch die Daͤmpfe, welche durch die Lunge ausduͤnſten und weniger ſtinken, und weniger ſinn- lich ſind. (b) Die Alten bei dem PLU- TARCHO placit. Phil. L. V. c. 15. CLAUDIUS de la COURVEE P. III. c. 9. EVERARD. p. 252. CHARLETON p. 165. AMMAN in paraeneſi ZELLER de Subſid. pulm. MERY bei dem du HAMEL p. 302. V. der STERRE epiſt. II. p. 57. mit weniger Lnft MAZIN de reſpiratione fetus I. Brix. ann. 1737. BOLTEN Comm. Lit. No- ric. ann. 1744. p. 335. BERTIER phyſique des corps animes p. 224. (c) MAZINUS diſſ. 3. (d) MAZIN p. 17. T t 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/715
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 661[663]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/715>, abgerufen am 26.11.2024.