Wenn man nun frägt, wie sie eigentlich entstehen, wie sie wiederum zerstört werden, so kann man sich die Sache so vorstellen, daß der Knorpel von einem verdikk- ten Leime herrührt, denn er löset in selbigen offenbar auf; es stehet ferner zu vermuthen, daß eine mäßige Por- tion von Kalkmaterie, in diesen Leim eindringt. Daher unterhält eine Menge Flüßigkeit das knorplige Wesen, wenn an dieser Stelle eigentlich ein Knochen wachsen soll- te (x). Daher werden die feuchten Knorpel, womit sich die lange Knochen endigen, nicht eben oft zu Knochen, so wie die Kehldekke (y) selten in einen wirklichen Kno- chen ausartet.
Muthmaslich entstehen fehlerhafte Knorpel, wenn an einer Membran, oder im Fadengewebe eine Ent- zündung vorgeht, und der Leim daselbst ausschwizzt, wel- chen wir aus dem entzündeten Ribbenfelle (z), oder aus dem Herzbeutel (a) schwizzen gesehen haben. Die wie- derholte Lagen oder Platten dieses Leimes scheinen endlich einen Knorpel zu machen. Die callöse gewordene Milz verwandelte sich da, wo selbige die lezzte Ribbe berührt, (b) in einen Knorpel.
Schon ein austretender Saft erzeugt z. E. in dem Fadengewebe, welches das Ribbenfell umgiebt (c), so wie an den grossen Schlagadern, Knorpel. Von einem Bolus (Bissen) und von adstringirenden Arzeneien er- folgte eine Gelenksteifigkeit (d).
Der Knorpel scheinet zu einem Knochen zu werden, wenn eine grössere Quantität Kalkmaterie in die Räum- chen, so zwischen den Fasern liegen (e), eindringt, und mit selbigen zusammen wächst.
Es
(x)[Spaltenumbruch]L. XXX. p. 51. DUVER- NEY I. p. 359.
(y) Niemals nach dem MON- RO p. 52. ibid.
(z)L. VIII. p. 129.
(a)L. IV. p. 286. u. s. w.
(b)[Spaltenumbruch]SWIETEN I. p. 167.
(c)Opusc pathol. obs. 48. Journ. med. 1757.
(d)HILDAN nuz. der anat.
(e) Auch FOUGEROUX p. 44. 45.
Die Frucht. XXIX. B.
Wenn man nun fraͤgt, wie ſie eigentlich entſtehen, wie ſie wiederum zerſtoͤrt werden, ſo kann man ſich die Sache ſo vorſtellen, daß der Knorpel von einem verdikk- ten Leime herruͤhrt, denn er loͤſet in ſelbigen offenbar auf; es ſtehet ferner zu vermuthen, daß eine maͤßige Por- tion von Kalkmaterie, in dieſen Leim eindringt. Daher unterhaͤlt eine Menge Fluͤßigkeit das knorplige Weſen, wenn an dieſer Stelle eigentlich ein Knochen wachſen ſoll- te (x). Daher werden die feuchten Knorpel, womit ſich die lange Knochen endigen, nicht eben oft zu Knochen, ſo wie die Kehldekke (y) ſelten in einen wirklichen Kno- chen ausartet.
Muthmaslich entſtehen fehlerhafte Knorpel, wenn an einer Membran, oder im Fadengewebe eine Ent- zuͤndung vorgeht, und der Leim daſelbſt ausſchwizzt, wel- chen wir aus dem entzuͤndeten Ribbenfelle (z), oder aus dem Herzbeutel (a) ſchwizzen geſehen haben. Die wie- derholte Lagen oder Platten dieſes Leimes ſcheinen endlich einen Knorpel zu machen. Die calloͤſe gewordene Milz verwandelte ſich da, wo ſelbige die lezzte Ribbe beruͤhrt, (b) in einen Knorpel.
Schon ein austretender Saft erzeugt z. E. in dem Fadengewebe, welches das Ribbenfell umgiebt (c), ſo wie an den groſſen Schlagadern, Knorpel. Von einem Bolus (Biſſen) und von adſtringirenden Arzeneien er- folgte eine Gelenkſteifigkeit (d).
Der Knorpel ſcheinet zu einem Knochen zu werden, wenn eine groͤſſere Quantitaͤt Kalkmaterie in die Raͤum- chen, ſo zwiſchen den Faſern liegen (e), eindringt, und mit ſelbigen zuſammen waͤchſt.
Es
(x)[Spaltenumbruch]L. XXX. p. 51. DUVER- NEY I. p. 359.
(y) Niemals nach dem MON- RO p. 52. ibid.
(z)L. VIII. p. 129.
(a)L. IV. p. 286. u. ſ. w.
(b)[Spaltenumbruch]SWIETEN I. p. 167.
(c)Opuſc pathol. obſ. 48. Journ. med. 1757.
(d)HILDAN nuz. der anat.
(e) Auch FOUGEROUX p. 44. 45.
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[550[552]/0604]
Die Frucht. XXIX. B.
Wenn man nun fraͤgt, wie ſie eigentlich entſtehen,
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Sache ſo vorſtellen, daß der Knorpel von einem verdikk-
ten Leime herruͤhrt, denn er loͤſet in ſelbigen offenbar
auf; es ſtehet ferner zu vermuthen, daß eine maͤßige Por-
tion von Kalkmaterie, in dieſen Leim eindringt. Daher
unterhaͤlt eine Menge Fluͤßigkeit das knorplige Weſen,
wenn an dieſer Stelle eigentlich ein Knochen wachſen ſoll-
te (x). Daher werden die feuchten Knorpel, womit ſich
die lange Knochen endigen, nicht eben oft zu Knochen,
ſo wie die Kehldekke (y) ſelten in einen wirklichen Kno-
chen ausartet.
Muthmaslich entſtehen fehlerhafte Knorpel, wenn
an einer Membran, oder im Fadengewebe eine Ent-
zuͤndung vorgeht, und der Leim daſelbſt ausſchwizzt, wel-
chen wir aus dem entzuͤndeten Ribbenfelle (z), oder aus
dem Herzbeutel (a) ſchwizzen geſehen haben. Die wie-
derholte Lagen oder Platten dieſes Leimes ſcheinen endlich
einen Knorpel zu machen. Die calloͤſe gewordene Milz
verwandelte ſich da, wo ſelbige die lezzte Ribbe beruͤhrt,
(b) in einen Knorpel.
Schon ein austretender Saft erzeugt z. E. in dem
Fadengewebe, welches das Ribbenfell umgiebt (c), ſo
wie an den groſſen Schlagadern, Knorpel. Von einem
Bolus (Biſſen) und von adſtringirenden Arzeneien er-
folgte eine Gelenkſteifigkeit (d).
Der Knorpel ſcheinet zu einem Knochen zu werden,
wenn eine groͤſſere Quantitaͤt Kalkmaterie in die Raͤum-
chen, ſo zwiſchen den Faſern liegen (e), eindringt, und
mit ſelbigen zuſammen waͤchſt.
Es
(x)
L. XXX. p. 51. DUVER-
NEY I. p. 359.
(y) Niemals nach dem MON-
RO p. 52. ibid.
(z) L. VIII. p. 129.
(a) L. IV. p. 286. u. ſ. w.
(b)
SWIETEN I. p. 167.
(c) Opuſc pathol. obſ. 48.
Journ. med. 1757.
(d) HILDAN nuz. der anat.
(e) Auch FOUGEROUX p.
44. 45.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 550[552]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/604>, abgerufen am 22.11.2024.
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