Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

IV. Abs. Das Leben der Frucht.
Grund vorhanden, warum ein Zirkel gezogen werden sol-
te, und kein Grund zu finden, warum die Blutäderchen,
welche überhaupt mit ihrer unzählbaren Menge den Zirkel
ausmachen, ehe sie in denselben zusammengelaufen wären,
als daß sie vielmehr, wie es geschehen muste, in irgend
einem herumgewundenen Blutaderstamm zusammenge-
bogen worden: eben so wenig würde sich ein Grund an-
geben lassen, warum die Blutader aus einem Zirkel entstan-
den, welche sich vielmehr in die Frucht, als in die Dotter-
membran, gegen die Eyspizze, ausbreitet. Warum solte
ferner diese Blutader das Herz, und aus diesem Herzen
die Aeste gebildet haben? Nothwendig hätte sie einen
See gebildet haben müssen, welcher auf der Stelle gros
geworden wäre, so wie es die kleinen Bäche machen, wel-
che sich in ein Thal herabstürzen und zusammenkommen.

Es läßt sich auch keine Ursache angeben, wenn der
eine Fluß aus diesem See wieder abläuft, warum sich die-
ser Fluß in Tropfen zertheilen, und warum sich endlich
diese kleine Tropfen, welche in die Schlagaderäste abrin-
nen, wieder in die Blutadern zurükke biegen sollten. Es
macht uns auch dieser Berühmte zu einer Erklärung Hoff-
nung, um zu sehen, wie die Blutadern, welche nicht aus
Schlagadern entstanden sind, kurz darauf, wenn diese
von einer etwas grössern Menge Blutes ausgedehnet
worden, offenbar Blutadern hervorbringen.

Endlich, so erscheinen auch am Kopfe der zarten
Frucht die Blutadern zuerst, und die Schlagadern erst
nachher. Nun konnten in diesem Exempel keine Blut-
adern vom Dotter in die Blutadern gekommen seyn:
und es muß alles nothwendig aus den Schlagadern in
die Blutadern übergegangen seyn, ja es überredet uns
die Analogie zu glauben, daß der Ursprung der Blut-
adern an diesem oder andern Orte nicht verschieden sey,
und daß sie an der Dotterfläche, aus demjenigen Dotter
welcher die Strassen, der spreuartigen Materie durch-

strömt,

IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Grund vorhanden, warum ein Zirkel gezogen werden ſol-
te, und kein Grund zu finden, warum die Blutaͤderchen,
welche uͤberhaupt mit ihrer unzaͤhlbaren Menge den Zirkel
ausmachen, ehe ſie in denſelben zuſammengelaufen waͤren,
als daß ſie vielmehr, wie es geſchehen muſte, in irgend
einem herumgewundenen Blutaderſtamm zuſammenge-
bogen worden: eben ſo wenig wuͤrde ſich ein Grund an-
geben laſſen, warum die Blutader aus einem Zirkel entſtan-
den, welche ſich vielmehr in die Frucht, als in die Dotter-
membran, gegen die Eyſpizze, ausbreitet. Warum ſolte
ferner dieſe Blutader das Herz, und aus dieſem Herzen
die Aeſte gebildet haben? Nothwendig haͤtte ſie einen
See gebildet haben muͤſſen, welcher auf der Stelle gros
geworden waͤre, ſo wie es die kleinen Baͤche machen, wel-
che ſich in ein Thal herabſtuͤrzen und zuſammenkommen.

Es laͤßt ſich auch keine Urſache angeben, wenn der
eine Fluß aus dieſem See wieder ablaͤuft, warum ſich die-
ſer Fluß in Tropfen zertheilen, und warum ſich endlich
dieſe kleine Tropfen, welche in die Schlagaderaͤſte abrin-
nen, wieder in die Blutadern zuruͤkke biegen ſollten. Es
macht uns auch dieſer Beruͤhmte zu einer Erklaͤrung Hoff-
nung, um zu ſehen, wie die Blutadern, welche nicht aus
Schlagadern entſtanden ſind, kurz darauf, wenn dieſe
von einer etwas groͤſſern Menge Blutes ausgedehnet
worden, offenbar Blutadern hervorbringen.

Endlich, ſo erſcheinen auch am Kopfe der zarten
Frucht die Blutadern zuerſt, und die Schlagadern erſt
nachher. Nun konnten in dieſem Exempel keine Blut-
adern vom Dotter in die Blutadern gekommen ſeyn:
und es muß alles nothwendig aus den Schlagadern in
die Blutadern uͤbergegangen ſeyn, ja es uͤberredet uns
die Analogie zu glauben, daß der Urſprung der Blut-
adern an dieſem oder andern Orte nicht verſchieden ſey,
und daß ſie an der Dotterflaͤche, aus demjenigen Dotter
welcher die Straſſen, der ſpreuartigen Materie durch-

ſtroͤmt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0513" n="459[461]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Ab&#x017F;. Das Leben der Frucht.</hi></fw><lb/>
Grund vorhanden, warum ein Zirkel gezogen werden &#x017F;ol-<lb/>
te, und kein Grund zu finden, warum die Bluta&#x0364;derchen,<lb/>
welche u&#x0364;berhaupt mit ihrer unza&#x0364;hlbaren Menge den Zirkel<lb/>
ausmachen, ehe &#x017F;ie in den&#x017F;elben zu&#x017F;ammengelaufen wa&#x0364;ren,<lb/>
als daß &#x017F;ie vielmehr, wie es ge&#x017F;chehen mu&#x017F;te, in irgend<lb/>
einem herumgewundenen Blutader&#x017F;tamm zu&#x017F;ammenge-<lb/>
bogen worden: eben &#x017F;o wenig wu&#x0364;rde &#x017F;ich ein Grund an-<lb/>
geben la&#x017F;&#x017F;en, warum die Blutader aus einem Zirkel ent&#x017F;tan-<lb/>
den, welche &#x017F;ich vielmehr in die Frucht, als in die Dotter-<lb/>
membran, gegen die Ey&#x017F;pizze, ausbreitet. Warum &#x017F;olte<lb/>
ferner die&#x017F;e Blutader das Herz, und aus die&#x017F;em Herzen<lb/>
die Ae&#x017F;te gebildet haben? Nothwendig ha&#x0364;tte &#x017F;ie einen<lb/>
See gebildet haben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, welcher auf der Stelle gros<lb/>
geworden wa&#x0364;re, &#x017F;o wie es die kleinen Ba&#x0364;che machen, wel-<lb/>
che &#x017F;ich in ein Thal herab&#x017F;tu&#x0364;rzen und zu&#x017F;ammenkommen.</p><lb/>
              <p>Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich auch keine Ur&#x017F;ache angeben, wenn der<lb/>
eine Fluß aus die&#x017F;em See wieder abla&#x0364;uft, warum &#x017F;ich die-<lb/>
&#x017F;er Fluß in Tropfen zertheilen, und warum &#x017F;ich endlich<lb/>
die&#x017F;e kleine Tropfen, welche in die Schlagadera&#x0364;&#x017F;te abrin-<lb/>
nen, wieder in die Blutadern zuru&#x0364;kke biegen &#x017F;ollten. Es<lb/>
macht uns auch die&#x017F;er Beru&#x0364;hmte zu einer Erkla&#x0364;rung Hoff-<lb/>
nung, um zu &#x017F;ehen, wie die Blutadern, welche nicht aus<lb/>
Schlagadern ent&#x017F;tanden &#x017F;ind, kurz darauf, wenn die&#x017F;e<lb/>
von einer etwas gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ern Menge Blutes ausgedehnet<lb/>
worden, offenbar Blutadern hervorbringen.</p><lb/>
              <p>Endlich, &#x017F;o er&#x017F;cheinen auch am Kopfe der zarten<lb/>
Frucht die Blutadern zuer&#x017F;t, und die Schlagadern er&#x017F;t<lb/>
nachher. Nun konnten in die&#x017F;em Exempel keine Blut-<lb/>
adern vom Dotter in die Blutadern gekommen &#x017F;eyn:<lb/>
und es muß alles nothwendig aus den Schlagadern in<lb/>
die Blutadern u&#x0364;bergegangen &#x017F;eyn, ja es u&#x0364;berredet uns<lb/>
die Analogie zu glauben, daß der Ur&#x017F;prung der Blut-<lb/>
adern an die&#x017F;em oder andern Orte nicht ver&#x017F;chieden &#x017F;ey,<lb/>
und daß &#x017F;ie an der Dotterfla&#x0364;che, aus demjenigen Dotter<lb/>
welcher die Stra&#x017F;&#x017F;en, der &#x017F;preuartigen Materie durch-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tro&#x0364;mt,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[459[461]/0513] IV. Abſ. Das Leben der Frucht. Grund vorhanden, warum ein Zirkel gezogen werden ſol- te, und kein Grund zu finden, warum die Blutaͤderchen, welche uͤberhaupt mit ihrer unzaͤhlbaren Menge den Zirkel ausmachen, ehe ſie in denſelben zuſammengelaufen waͤren, als daß ſie vielmehr, wie es geſchehen muſte, in irgend einem herumgewundenen Blutaderſtamm zuſammenge- bogen worden: eben ſo wenig wuͤrde ſich ein Grund an- geben laſſen, warum die Blutader aus einem Zirkel entſtan- den, welche ſich vielmehr in die Frucht, als in die Dotter- membran, gegen die Eyſpizze, ausbreitet. Warum ſolte ferner dieſe Blutader das Herz, und aus dieſem Herzen die Aeſte gebildet haben? Nothwendig haͤtte ſie einen See gebildet haben muͤſſen, welcher auf der Stelle gros geworden waͤre, ſo wie es die kleinen Baͤche machen, wel- che ſich in ein Thal herabſtuͤrzen und zuſammenkommen. Es laͤßt ſich auch keine Urſache angeben, wenn der eine Fluß aus dieſem See wieder ablaͤuft, warum ſich die- ſer Fluß in Tropfen zertheilen, und warum ſich endlich dieſe kleine Tropfen, welche in die Schlagaderaͤſte abrin- nen, wieder in die Blutadern zuruͤkke biegen ſollten. Es macht uns auch dieſer Beruͤhmte zu einer Erklaͤrung Hoff- nung, um zu ſehen, wie die Blutadern, welche nicht aus Schlagadern entſtanden ſind, kurz darauf, wenn dieſe von einer etwas groͤſſern Menge Blutes ausgedehnet worden, offenbar Blutadern hervorbringen. Endlich, ſo erſcheinen auch am Kopfe der zarten Frucht die Blutadern zuerſt, und die Schlagadern erſt nachher. Nun konnten in dieſem Exempel keine Blut- adern vom Dotter in die Blutadern gekommen ſeyn: und es muß alles nothwendig aus den Schlagadern in die Blutadern uͤbergegangen ſeyn, ja es uͤberredet uns die Analogie zu glauben, daß der Urſprung der Blut- adern an dieſem oder andern Orte nicht verſchieden ſey, und daß ſie an der Dotterflaͤche, aus demjenigen Dotter welcher die Straſſen, der ſpreuartigen Materie durch- ſtroͤmt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/513
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 459[461]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/513>, abgerufen am 01.07.2024.