Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Frucht. XXIX. B.
solchen callus neue Gefässe wachsen (u), und daß diese
neue Knochennachahmung nicht ehe eine Festigkeit an
sich nimmt, als bis sich das Blut in diese Gefässe einen
Weg öffnet. So weis man, daß der Schildkröte ihr
Schild, jevoch erst im dritten Jahre wieder gewachsen
ist (x).

Man hat ferner fremdartige Körper in unserem
Wesen wachsen gesehen, welche von uns sowol Blut,
als Empfindung bekommen (y). Man weis es mehr
als zu wohl, daß sich Tagliacoti alle Mühe gegeben,
den schimpflichen Verlust der Nase, indem er auf die
blutige Narbe, die ebenfalls blutige Haut des Armes
brachte dergestalt zu ergänzen, daß das Stükk des Ar-
mes nach und nach anwuchs, und endlich von ihrem
Stammorte abgeschnitten, für sich eben so fort wuchs,
wie man in der Gärtnerkunst an dem sogenannten
Ablaktiren der Bäume siehet. Diejenige, welche diesen
Versuch leugnen, können durch ungezweifelte Zeugnisse (z)
davon überführet werden.

Eigentlich sollte uns dieses nicht als was neues oder
fremdes vorkommen; indem man aus der täglichen Er-
fahrung siehet, daß überall am menschlichen Körper die
wundgewordne Stellen, mit andern ebenfalls blutigen
Stellen, wenn beide viele Tage lang einander nahe be-
rühren, zusammenwachsen, und so wachsen die Leffzen,

die
(u) [Spaltenumbruch] De la form. des of p. 140.
255. 256. 258. HUNTER
bei dem
REIMAR de articul. tum. BOR-
DENAVE
bei dem FOUGEROUX
p
237.
(x) OEXMELIN hist. des avant.
I. p.
95.
(y) Die neue Nase scheint, so
lange sie trokken war, unempfind-
lich, wenn sie aber nunmehr ge-
nährt wird, und aufschwillt, so
erlangt sie ihre Empfindlichkeit
[Spaltenumbruch] wieder. H. FABRIC. ab Aquapen-
dent.
de muscul. & arter. p.
95.
Bekömmt überhaupt, wie die Haut,
so nach dem Verbrennen wieder
wächst, zwar nicht so gleich, aber
dennoch mit der Zeit den Sinn
des Gefühles PERRAULT du
toucher p.
88.
(z) Method. stud. med. p. 729.
FALLOP. de decorat. p. 19. de
calabris. PLATNER Instit. chir.
p.
379. 380.

Die Frucht. XXIX. B.
ſolchen callus neue Gefaͤſſe wachſen (u), und daß dieſe
neue Knochennachahmung nicht ehe eine Feſtigkeit an
ſich nimmt, als bis ſich das Blut in dieſe Gefaͤſſe einen
Weg oͤffnet. So weis man, daß der Schildkroͤte ihr
Schild, jevoch erſt im dritten Jahre wieder gewachſen
iſt (x).

Man hat ferner fremdartige Koͤrper in unſerem
Weſen wachſen geſehen, welche von uns ſowol Blut,
als Empfindung bekommen (y). Man weis es mehr
als zu wohl, daß ſich Tagliacoti alle Muͤhe gegeben,
den ſchimpflichen Verluſt der Naſe, indem er auf die
blutige Narbe, die ebenfalls blutige Haut des Armes
brachte dergeſtalt zu ergaͤnzen, daß das Stuͤkk des Ar-
mes nach und nach anwuchs, und endlich von ihrem
Stammorte abgeſchnitten, fuͤr ſich eben ſo fort wuchs,
wie man in der Gaͤrtnerkunſt an dem ſogenannten
Ablaktiren der Baͤume ſiehet. Diejenige, welche dieſen
Verſuch leugnen, koͤnnen durch ungezweifelte Zeugniſſe (z)
davon uͤberfuͤhret werden.

Eigentlich ſollte uns dieſes nicht als was neues oder
fremdes vorkommen; indem man aus der taͤglichen Er-
fahrung ſiehet, daß uͤberall am menſchlichen Koͤrper die
wundgewordne Stellen, mit andern ebenfalls blutigen
Stellen, wenn beide viele Tage lang einander nahe be-
ruͤhren, zuſammenwachſen, und ſo wachſen die Leffzen,

die
(u) [Spaltenumbruch] De la form. des of p. 140.
255. 256. 258. HUNTER
bei dem
REIMAR de articul. tum. BOR-
DENAVE
bei dem FOUGEROUX
p
237.
(x) OEXMELIN hiſt. des avant.
I. p.
95.
(y) Die neue Naſe ſcheint, ſo
lange ſie trokken war, unempfind-
lich, wenn ſie aber nunmehr ge-
naͤhrt wird, und aufſchwillt, ſo
erlangt ſie ihre Empfindlichkeit
[Spaltenumbruch] wieder. H. FABRIC. ab Aquapen-
dent.
de muſcul. & arter. p.
95.
Bekoͤmmt uͤberhaupt, wie die Haut,
ſo nach dem Verbrennen wieder
waͤchſt, zwar nicht ſo gleich, aber
dennoch mit der Zeit den Sinn
des Gefuͤhles PERRAULT du
toucher p.
88.
(z) Method. ſtud. med. p. 729.
FALLOP. de decorat. p. 19. de
calabris. PLATNER Inſtit. chir.
p.
379. 380.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0330" n="278"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Frucht. <hi rendition="#aq">XXIX.</hi> B.</hi></fw><lb/>
&#x017F;olchen <hi rendition="#aq">callus</hi> neue Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e wach&#x017F;en <note place="foot" n="(u)"><cb/><hi rendition="#aq">De la form. des of p. 140.<lb/>
255. 256. 258. HUNTER</hi> bei dem<lb/><hi rendition="#aq">REIMAR de articul. tum. BOR-<lb/>
DENAVE</hi> bei dem <hi rendition="#aq">FOUGEROUX<lb/>
p</hi> 237.</note>, und daß die&#x017F;e<lb/>
neue Knochennachahmung nicht ehe eine Fe&#x017F;tigkeit an<lb/>
&#x017F;ich nimmt, als bis &#x017F;ich das Blut in die&#x017F;e Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e einen<lb/>
Weg o&#x0364;ffnet. So weis man, daß der Schildkro&#x0364;te ihr<lb/>
Schild, jevoch er&#x017F;t im dritten Jahre wieder gewach&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq">OEXMELIN hi&#x017F;t. des avant.<lb/>
I. p.</hi> 95.</note>.</p><lb/>
              <p>Man hat ferner fremdartige Ko&#x0364;rper in un&#x017F;erem<lb/>
We&#x017F;en wach&#x017F;en ge&#x017F;ehen, welche von uns &#x017F;owol Blut,<lb/>
als Empfindung bekommen <note place="foot" n="(y)">Die neue Na&#x017F;e &#x017F;cheint, &#x017F;o<lb/>
lange &#x017F;ie trokken war, unempfind-<lb/>
lich, wenn &#x017F;ie aber nunmehr ge-<lb/>
na&#x0364;hrt wird, und auf&#x017F;chwillt, &#x017F;o<lb/>
erlangt &#x017F;ie ihre Empfindlichkeit<lb/><cb/>
wieder. <hi rendition="#aq">H. FABRIC. ab <hi rendition="#i">Aquapen-<lb/>
dent.</hi> de mu&#x017F;cul. &amp; arter. p.</hi> 95.<lb/>
Beko&#x0364;mmt u&#x0364;berhaupt, wie die Haut,<lb/>
&#x017F;o nach dem Verbrennen wieder<lb/>
wa&#x0364;ch&#x017F;t, zwar nicht &#x017F;o gleich, aber<lb/>
dennoch mit der Zeit den Sinn<lb/>
des Gefu&#x0364;hles <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">PERRAULT</hi> du<lb/>
toucher p.</hi> 88.</note>. Man weis es mehr<lb/>
als zu wohl, daß &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Tagliacoti</hi> alle Mu&#x0364;he gegeben,<lb/>
den &#x017F;chimpflichen Verlu&#x017F;t der Na&#x017F;e, indem er auf die<lb/>
blutige Narbe, die ebenfalls blutige Haut des Armes<lb/>
brachte derge&#x017F;talt zu erga&#x0364;nzen, daß das Stu&#x0364;kk des Ar-<lb/>
mes nach und nach anwuchs, und endlich von ihrem<lb/>
Stammorte abge&#x017F;chnitten, fu&#x0364;r &#x017F;ich eben &#x017F;o fort wuchs,<lb/>
wie man in der Ga&#x0364;rtnerkun&#x017F;t an dem &#x017F;ogenannten<lb/>
Ablaktiren der Ba&#x0364;ume &#x017F;iehet. Diejenige, welche die&#x017F;en<lb/>
Ver&#x017F;uch leugnen, ko&#x0364;nnen durch ungezweifelte Zeugni&#x017F;&#x017F;e <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq">Method. &#x017F;tud. med. p. 729.<lb/>
FALLOP. de decorat. p. 19. de<lb/>
calabris. PLATNER In&#x017F;tit. chir.<lb/>
p.</hi> 379. 380.</note><lb/>
davon u&#x0364;berfu&#x0364;hret werden.</p><lb/>
              <p>Eigentlich &#x017F;ollte uns die&#x017F;es nicht als was neues oder<lb/>
fremdes vorkommen; indem man aus der ta&#x0364;glichen Er-<lb/>
fahrung &#x017F;iehet, daß u&#x0364;berall am men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rper die<lb/>
wundgewordne Stellen, mit andern ebenfalls blutigen<lb/>
Stellen, wenn beide viele Tage lang einander nahe be-<lb/>
ru&#x0364;hren, zu&#x017F;ammenwach&#x017F;en, und &#x017F;o wach&#x017F;en die Leffzen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0330] Die Frucht. XXIX. B. ſolchen callus neue Gefaͤſſe wachſen (u), und daß dieſe neue Knochennachahmung nicht ehe eine Feſtigkeit an ſich nimmt, als bis ſich das Blut in dieſe Gefaͤſſe einen Weg oͤffnet. So weis man, daß der Schildkroͤte ihr Schild, jevoch erſt im dritten Jahre wieder gewachſen iſt (x). Man hat ferner fremdartige Koͤrper in unſerem Weſen wachſen geſehen, welche von uns ſowol Blut, als Empfindung bekommen (y). Man weis es mehr als zu wohl, daß ſich Tagliacoti alle Muͤhe gegeben, den ſchimpflichen Verluſt der Naſe, indem er auf die blutige Narbe, die ebenfalls blutige Haut des Armes brachte dergeſtalt zu ergaͤnzen, daß das Stuͤkk des Ar- mes nach und nach anwuchs, und endlich von ihrem Stammorte abgeſchnitten, fuͤr ſich eben ſo fort wuchs, wie man in der Gaͤrtnerkunſt an dem ſogenannten Ablaktiren der Baͤume ſiehet. Diejenige, welche dieſen Verſuch leugnen, koͤnnen durch ungezweifelte Zeugniſſe (z) davon uͤberfuͤhret werden. Eigentlich ſollte uns dieſes nicht als was neues oder fremdes vorkommen; indem man aus der taͤglichen Er- fahrung ſiehet, daß uͤberall am menſchlichen Koͤrper die wundgewordne Stellen, mit andern ebenfalls blutigen Stellen, wenn beide viele Tage lang einander nahe be- ruͤhren, zuſammenwachſen, und ſo wachſen die Leffzen, die (u) De la form. des of p. 140. 255. 256. 258. HUNTER bei dem REIMAR de articul. tum. BOR- DENAVE bei dem FOUGEROUX p 237. (x) OEXMELIN hiſt. des avant. I. p. 95. (y) Die neue Naſe ſcheint, ſo lange ſie trokken war, unempfind- lich, wenn ſie aber nunmehr ge- naͤhrt wird, und aufſchwillt, ſo erlangt ſie ihre Empfindlichkeit wieder. H. FABRIC. ab Aquapen- dent. de muſcul. & arter. p. 95. Bekoͤmmt uͤberhaupt, wie die Haut, ſo nach dem Verbrennen wieder waͤchſt, zwar nicht ſo gleich, aber dennoch mit der Zeit den Sinn des Gefuͤhles PERRAULT du toucher p. 88. (z) Method. ſtud. med. p. 729. FALLOP. de decorat. p. 19. de calabris. PLATNER Inſtit. chir. p. 379. 380.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/330
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/330>, abgerufen am 23.11.2024.