jemals Leute, die den Sauerbrunnen trinken, auf eine Stunde mehr als zehn Pfunde davon ausgebraucht haben.
Doch es ist auch dasjenige nicht der Wahrheit ge- mäs, was man von dem schnellen Wegharnen des Was- sers zu sagen pflegt. Bohn hat vorlängst die Anmer- kung gemacht(s), und nach ihm Herrmann Boerha- ve(t), daß der Urin, der so geschwinde weggeharnt wird, nicht eben der sei, den man kürzlich als Wasser getrun- ken, sondern ein gefärbter und stinkender Urin, welcher längst schon in der Blase zugegen gewesen. Die Was- sertrinker pflegten erst nach Verlauf von einer Stunde einen Urin wegzulassen, der beynahe so klar als das ge- trunkene Wasser ist. Von weissem Weine, welcher doch den Harn stark treibt, gieng erst nach dreyßig Minuten an einem lebendigen Menschen, dessen Harngang sich in der Haut ein Loch gemacht hatte, der Urin reichlich ab (t*).
Es scheinet ferner eine Erschütterung von der Kälte an den festen Theilen zu geschehen, wodurch die harn- führende Röhrchen dergestalt verengert werden, daß nichts als Wasser hindurch kann; es werden ferner die Blasen- muskeln gereizt, sich zusammen zu ziehen, und auf eben diese Art reizt auch die Kälte die Fleischhaut des Hoden- sakkes. Und auf solche Art scheint man fast so geschwinde, als man trinkt, das Wasser wieder von sich zu geben. So scheinen auch einige Leidenschaften dergleichen Kräfte, die Uringefässe zu verengern, und das Salz und Oel zu- rükke zu halten, um nicht nur eben diese Kanäle zu ge- hen, zu besizzen. Gleiche Wirkungen äussert auch der histerische Krampf der Nerven(u).
Was
(s)[Spaltenumbruch]p. 189.
(t)Praelect. T. III. p. 324.
(t*)TENON l. c.
(u)[Spaltenumbruch]Conf. KUHN motus mus- cul. moment. p. 15. eine Frau, so nur den achten Tag harnte. BOER- HAAVE consult. p. 119.
H. Phisiol. 7. B. N n
IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
jemals Leute, die den Sauerbrunnen trinken, auf eine Stunde mehr als zehn Pfunde davon ausgebraucht haben.
Doch es iſt auch dasjenige nicht der Wahrheit ge- maͤs, was man von dem ſchnellen Wegharnen des Waſ- ſers zu ſagen pflegt. Bohn hat vorlaͤngſt die Anmer- kung gemacht(s), und nach ihm Herrmann Boerha- ve(t), daß der Urin, der ſo geſchwinde weggeharnt wird, nicht eben der ſei, den man kuͤrzlich als Waſſer getrun- ken, ſondern ein gefaͤrbter und ſtinkender Urin, welcher laͤngſt ſchon in der Blaſe zugegen geweſen. Die Waſ- ſertrinker pflegten erſt nach Verlauf von einer Stunde einen Urin wegzulaſſen, der beynahe ſo klar als das ge- trunkene Waſſer iſt. Von weiſſem Weine, welcher doch den Harn ſtark treibt, gieng erſt nach dreyßig Minuten an einem lebendigen Menſchen, deſſen Harngang ſich in der Haut ein Loch gemacht hatte, der Urin reichlich ab (t*).
Es ſcheinet ferner eine Erſchuͤtterung von der Kaͤlte an den feſten Theilen zu geſchehen, wodurch die harn- fuͤhrende Roͤhrchen dergeſtalt verengert werden, daß nichts als Waſſer hindurch kann; es werden ferner die Blaſen- muſkeln gereizt, ſich zuſammen zu ziehen, und auf eben dieſe Art reizt auch die Kaͤlte die Fleiſchhaut des Hoden- ſakkes. Und auf ſolche Art ſcheint man faſt ſo geſchwinde, als man trinkt, das Waſſer wieder von ſich zu geben. So ſcheinen auch einige Leidenſchaften dergleichen Kraͤfte, die Uringefaͤſſe zu verengern, und das Salz und Oel zu- ruͤkke zu halten, um nicht nur eben dieſe Kanaͤle zu ge- hen, zu beſizzen. Gleiche Wirkungen aͤuſſert auch der hiſteriſche Krampf der Nerven(u).
Was
(s)[Spaltenumbruch]p. 189.
(t)Prælect. T. III. p. 324.
(t*)TENON l. c.
(u)[Spaltenumbruch]Conf. KUHN motus muſ- cul. moment. p. 15. eine Frau, ſo nur den achten Tag harnte. BOER- HAAVE conſult. p. 119.
H. Phiſiol. 7. B. N n
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IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
jemals Leute, die den Sauerbrunnen trinken, auf eine
Stunde mehr als zehn Pfunde davon ausgebraucht haben.
Doch es iſt auch dasjenige nicht der Wahrheit ge-
maͤs, was man von dem ſchnellen Wegharnen des Waſ-
ſers zu ſagen pflegt. Bohn hat vorlaͤngſt die Anmer-
kung gemacht (s), und nach ihm Herrmann Boerha-
ve (t), daß der Urin, der ſo geſchwinde weggeharnt wird,
nicht eben der ſei, den man kuͤrzlich als Waſſer getrun-
ken, ſondern ein gefaͤrbter und ſtinkender Urin, welcher
laͤngſt ſchon in der Blaſe zugegen geweſen. Die Waſ-
ſertrinker pflegten erſt nach Verlauf von einer Stunde
einen Urin wegzulaſſen, der beynahe ſo klar als das ge-
trunkene Waſſer iſt. Von weiſſem Weine, welcher doch
den Harn ſtark treibt, gieng erſt nach dreyßig Minuten
an einem lebendigen Menſchen, deſſen Harngang ſich in
der Haut ein Loch gemacht hatte, der Urin reichlich
ab (t*).
Es ſcheinet ferner eine Erſchuͤtterung von der Kaͤlte
an den feſten Theilen zu geſchehen, wodurch die harn-
fuͤhrende Roͤhrchen dergeſtalt verengert werden, daß nichts
als Waſſer hindurch kann; es werden ferner die Blaſen-
muſkeln gereizt, ſich zuſammen zu ziehen, und auf eben
dieſe Art reizt auch die Kaͤlte die Fleiſchhaut des Hoden-
ſakkes. Und auf ſolche Art ſcheint man faſt ſo geſchwinde,
als man trinkt, das Waſſer wieder von ſich zu geben.
So ſcheinen auch einige Leidenſchaften dergleichen Kraͤfte,
die Uringefaͤſſe zu verengern, und das Salz und Oel zu-
ruͤkke zu halten, um nicht nur eben dieſe Kanaͤle zu ge-
hen, zu beſizzen. Gleiche Wirkungen aͤuſſert auch der
hiſteriſche Krampf der Nerven (u).
Was
(s)
p. 189.
(t) Prælect. T. III. p. 324.
(t*) TENON l. c.
(u)
Conf. KUHN motus muſ-
cul. moment. p. 15. eine Frau, ſo
nur den achten Tag harnte. BOER-
HAAVE conſult. p. 119.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/597>, abgerufen am 22.11.2024.
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