Jn der That, wenn diese Schweislöcher offen wären, so würde gewiß eine, bis zum höchsten Grade ausgedehnte Blase nicht zerbersten, wenn sie offne Wege für die Aus- dünstung des Urins hätte, und es würde im Gegentheil nicht ein so weniger, schwarzer, und hefiger Urin von den Wassersüchtigen abgehen, indem die umher fliessende Feuchtigkeiten selbigen leichtlich verdünnen, und vermeh- ren würden.
Ausserdem erinnern sich diejenigen, welche solche We- ge aus dem Magen in die Blase beschreiben nicht daran, daß das Darmfell(n), welches Wasser zu beherbergen so geschikk ist, zwischen der Blase und dem holen Unter- leibe liegt, und alle Gemeinschaft aufhebt. Der Sakk des Winslow(o), dessen wir sonst Erwähnung gethan, ist nur kurz, und eine blinde Falte.
Und nunmehr verlangen die Erscheinungen keine ge- heime Wege. Die Alten konnten zwar über die Menge und Geschwindigkeit des Urins in Verlegenheit gera- then (p), indem sie den Flüßigkeiten eine träge Bewegung zuschrieben. Wir haben aber gezeigt, daß nicht viel we- niger als ein Sechstheil (q) des gesammten Blutes zu den Nieren gehe. Es ist aber diese Portion in einer Stunde bey 75 Pulsschlägen, eine Summe von neun- tausend Unzen, oder 5621/2 Pfunden, und davon beträgt der sechste Theil 500. Jn diesem Blute stekken eilf Zwölftheile, nemlich 1500 Unzen Wasser. Von diesem Wasser, wenn ein Zehntheil abgeht, werden 150 Unzen Urin werden, die innerhalb einer Stunde (r) von den Nieren durchgeseicht werden. Und diese Quantität über- trift alle Menge des Urins, denn ich glaube nicht, daß
jemals
(n)[Spaltenumbruch]p. 303.
(o)L. XXIV. p. 356.
(p)Ibid. p. 65. 66. etc.
(q)L. XX I p. 262.
(r) Allein ZACUTUS Prax. ad- [Spaltenumbruch]
mir. L. II. obs. 80. führt auf die Stunde 20 Pfunde an, ist aber nicht zuverläßig. Hier kann die Menge Wasser, so vom Blut geschieden, vergroßert seyn.
Die Harnwege, XXVI. Buch.
Jn der That, wenn dieſe Schweisloͤcher offen waͤren, ſo wuͤrde gewiß eine, bis zum hoͤchſten Grade ausgedehnte Blaſe nicht zerberſten, wenn ſie offne Wege fuͤr die Aus- duͤnſtung des Urins haͤtte, und es wuͤrde im Gegentheil nicht ein ſo weniger, ſchwarzer, und hefiger Urin von den Waſſerſuͤchtigen abgehen, indem die umher flieſſende Feuchtigkeiten ſelbigen leichtlich verduͤnnen, und vermeh- ren wuͤrden.
Auſſerdem erinnern ſich diejenigen, welche ſolche We- ge aus dem Magen in die Blaſe beſchreiben nicht daran, daß das Darmfell(n), welches Waſſer zu beherbergen ſo geſchikk iſt, zwiſchen der Blaſe und dem holen Unter- leibe liegt, und alle Gemeinſchaft aufhebt. Der Sakk des Winslow(o), deſſen wir ſonſt Erwaͤhnung gethan, iſt nur kurz, und eine blinde Falte.
Und nunmehr verlangen die Erſcheinungen keine ge- heime Wege. Die Alten konnten zwar uͤber die Menge und Geſchwindigkeit des Urins in Verlegenheit gera- then (p), indem ſie den Fluͤßigkeiten eine traͤge Bewegung zuſchrieben. Wir haben aber gezeigt, daß nicht viel we- niger als ein Sechstheil (q) des geſammten Blutes zu den Nieren gehe. Es iſt aber dieſe Portion in einer Stunde bey 75 Pulsſchlaͤgen, eine Summe von neun- tauſend Unzen, oder 562½ Pfunden, und davon betraͤgt der ſechſte Theil 500. Jn dieſem Blute ſtekken eilf Zwoͤlftheile, nemlich 1500 Unzen Waſſer. Von dieſem Waſſer, wenn ein Zehntheil abgeht, werden 150 Unzen Urin werden, die innerhalb einer Stunde (r) von den Nieren durchgeſeicht werden. Und dieſe Quantitaͤt uͤber- trift alle Menge des Urins, denn ich glaube nicht, daß
jemals
(n)[Spaltenumbruch]p. 303.
(o)L. XXIV. p. 356.
(p)Ibid. p. 65. 66. etc.
(q)L. XX I p. 262.
(r) Allein ZACUTUS Prax. ad- [Spaltenumbruch]
mir. L. II. obſ. 80. fuͤhrt auf die Stunde 20 Pfunde an, iſt aber nicht zuverlaͤßig. Hier kann die Menge Waſſer, ſo vom Blut geſchieden, vergroßert ſeyn.
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Die Harnwege, XXVI. Buch.
Jn der That, wenn dieſe Schweisloͤcher offen waͤren, ſo
wuͤrde gewiß eine, bis zum hoͤchſten Grade ausgedehnte
Blaſe nicht zerberſten, wenn ſie offne Wege fuͤr die Aus-
duͤnſtung des Urins haͤtte, und es wuͤrde im Gegentheil
nicht ein ſo weniger, ſchwarzer, und hefiger Urin von den
Waſſerſuͤchtigen abgehen, indem die umher flieſſende
Feuchtigkeiten ſelbigen leichtlich verduͤnnen, und vermeh-
ren wuͤrden.
Auſſerdem erinnern ſich diejenigen, welche ſolche We-
ge aus dem Magen in die Blaſe beſchreiben nicht daran,
daß das Darmfell (n), welches Waſſer zu beherbergen
ſo geſchikk iſt, zwiſchen der Blaſe und dem holen Unter-
leibe liegt, und alle Gemeinſchaft aufhebt. Der Sakk
des Winslow (o), deſſen wir ſonſt Erwaͤhnung gethan,
iſt nur kurz, und eine blinde Falte.
Und nunmehr verlangen die Erſcheinungen keine ge-
heime Wege. Die Alten konnten zwar uͤber die Menge
und Geſchwindigkeit des Urins in Verlegenheit gera-
then (p), indem ſie den Fluͤßigkeiten eine traͤge Bewegung
zuſchrieben. Wir haben aber gezeigt, daß nicht viel we-
niger als ein Sechstheil (q) des geſammten Blutes zu
den Nieren gehe. Es iſt aber dieſe Portion in einer
Stunde bey 75 Pulsſchlaͤgen, eine Summe von neun-
tauſend Unzen, oder 562½ Pfunden, und davon betraͤgt
der ſechſte Theil 500. Jn dieſem Blute ſtekken eilf
Zwoͤlftheile, nemlich 1500 Unzen Waſſer. Von dieſem
Waſſer, wenn ein Zehntheil abgeht, werden 150 Unzen
Urin werden, die innerhalb einer Stunde (r) von den
Nieren durchgeſeicht werden. Und dieſe Quantitaͤt uͤber-
trift alle Menge des Urins, denn ich glaube nicht, daß
jemals
(n)
p. 303.
(o) L. XXIV. p. 356.
(p) Ibid. p. 65. 66. etc.
(q) L. XX I p. 262.
(r) Allein ZACUTUS Prax. ad-
mir. L. II. obſ. 80. fuͤhrt auf die
Stunde 20 Pfunde an, iſt aber nicht
zuverlaͤßig. Hier kann die Menge
Waſſer, ſo vom Blut geſchieden,
vergroßert ſeyn.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/596>, abgerufen am 22.11.2024.
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