Sie soll der Sizz der Liebe, und der Anfang des Saamens (b) oder die Lagerstäte des Schlafes sein, in- dem sie nicht für das gemeine Beste, sondern nur für sich geschäftig ist (c); man giebt der Milz das Regiment Saturns (d).
Es soll das Lachen seinen Quell in der Milz haben, sie soll uns zu lachen machen, und wenn die Milzmasse grösser wächst, sollen Menschen zu einem unmäßigen Gelächter angereizt werden (e). Oft wären einerlei Menschen zu- gleich mit einer schwarzen Galle versehen, und zum Ge- lächter aufgelegt (f); ja es vergienge einem das Lachen, wenn man ihm die Milz nähme (g).
Man sagt, daß eine wässrigmilchige Narungsmilch von den Gedärmen zur Milz herbei gezogen, gekocht, dieses Eingeweide davon genährt, und der Auswurf zum Schweisse und zur Niere (h) abgeleitet werde, derglei- chen schon Aristoteles ehedem geträumt hatte (i).
Endlich behaupteten einige, welche voller Verzweif- lung waren, und die Milz als eine Sache ohne allen Nuzzen betrachteten, weil sie ihren Nuzzen verkannten, sie sei eine unnüzze und träge Last (k), und die Natur habe sie nur zu einem Gegengewichte dahin gehängt, um der Leber das Gleichgewicht zu halten (l). Dieses war die alte Theorie, welche man bei Leuten, die von ih- rem Entstehen an (m), so wie bei Thieren, welche ohne
gros-
(b)[Spaltenumbruch]n. 41.
(c)n. 14.
(d)BLAS human. n. 28.
(e)SERENUS SAMMONICUS Ed. BURM. p. 275.
(f)BOERHAAVE praelect. p. 73.
(g)PLIN. I. c. SERENUS.
(h)C. HOFMANN dieser gros- se Gelerte de liene Idem apolog. II. c. 106.
(i)[Spaltenumbruch]Part. anim. L. III. c. 8. sie ziehe den Dunst vom Magen an sich, und helfe verdauen.
(k)ERASISTRATUS RUFUS II. p. 59.
(l)ARISTOT. part. anim. L. III. c. 3. Gleichgewicht der Leber ARET caus. diut. I c. p. 13.
(m)ARISTOTELES. ROUS- SET de partu Caesar. L. IV. c. 5. C. GEMMA, DRELINCOURT.
I. Abſchn. Jhr Nuzzen.
Sie ſoll der Sizz der Liebe, und der Anfang des Saamens (b) oder die Lagerſtaͤte des Schlafes ſein, in- dem ſie nicht fuͤr das gemeine Beſte, ſondern nur fuͤr ſich geſchaͤftig iſt (c); man giebt der Milz das Regiment Saturns (d).
Es ſoll das Lachen ſeinen Quell in der Milz haben, ſie ſoll uns zu lachen machen, und wenn die Milzmaſſe groͤſſer waͤchſt, ſollen Menſchen zu einem unmaͤßigen Gelaͤchter angereizt werden (e). Oft waͤren einerlei Menſchen zu- gleich mit einer ſchwarzen Galle verſehen, und zum Ge- laͤchter aufgelegt (f); ja es vergienge einem das Lachen, wenn man ihm die Milz naͤhme (g).
Man ſagt, daß eine waͤſſrigmilchige Narungsmilch von den Gedaͤrmen zur Milz herbei gezogen, gekocht, dieſes Eingeweide davon genaͤhrt, und der Auswurf zum Schweiſſe und zur Niere (h) abgeleitet werde, derglei- chen ſchon Ariſtoteles ehedem getraͤumt hatte (i).
Endlich behaupteten einige, welche voller Verzweif- lung waren, und die Milz als eine Sache ohne allen Nuzzen betrachteten, weil ſie ihren Nuzzen verkannten, ſie ſei eine unnuͤzze und traͤge Laſt (k), und die Natur habe ſie nur zu einem Gegengewichte dahin gehaͤngt, um der Leber das Gleichgewicht zu halten (l). Dieſes war die alte Theorie, welche man bei Leuten, die von ih- rem Entſtehen an (m), ſo wie bei Thieren, welche ohne
groſ-
(b)[Spaltenumbruch]n. 41.
(c)n. 14.
(d)BLAS human. n. 28.
(e)SERENUS SAMMONICUS Ed. BURM. p. 275.
(f)BOERHAAVE prælect. p. 73.
(g)PLIN. I. c. SERENUS.
(h)C. HOFMANN dieſer groſ- ſe Gelerte de liene Idem apolog. II. c. 106.
(i)[Spaltenumbruch]Part. anim. L. III. c. 8. ſie ziehe den Dunſt vom Magen an ſich, und helfe verdauen.
(k)ERASISTRATUS RUFUS II. p. 59.
(l)ARISTOT. part. anim. L. III. c. 3. Gleichgewicht der Leber ARET cauſ. diut. I c. p. 13.
(m)ARISTOTELES. ROUS- SET de partu Cæſar. L. IV. c. 5. C. GEMMA, DRELINCOURT.
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[621[637]/0657]
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Saamens (b) oder die Lagerſtaͤte des Schlafes ſein, in-
dem ſie nicht fuͤr das gemeine Beſte, ſondern nur fuͤr
ſich geſchaͤftig iſt (c); man giebt der Milz das Regiment
Saturns (d).
Es ſoll das Lachen ſeinen Quell in der Milz haben, ſie
ſoll uns zu lachen machen, und wenn die Milzmaſſe groͤſſer
waͤchſt, ſollen Menſchen zu einem unmaͤßigen Gelaͤchter
angereizt werden (e). Oft waͤren einerlei Menſchen zu-
gleich mit einer ſchwarzen Galle verſehen, und zum Ge-
laͤchter aufgelegt (f); ja es vergienge einem das Lachen,
wenn man ihm die Milz naͤhme (g).
Man ſagt, daß eine waͤſſrigmilchige Narungsmilch
von den Gedaͤrmen zur Milz herbei gezogen, gekocht,
dieſes Eingeweide davon genaͤhrt, und der Auswurf zum
Schweiſſe und zur Niere (h) abgeleitet werde, derglei-
chen ſchon Ariſtoteles ehedem getraͤumt hatte (i).
Endlich behaupteten einige, welche voller Verzweif-
lung waren, und die Milz als eine Sache ohne allen
Nuzzen betrachteten, weil ſie ihren Nuzzen verkannten,
ſie ſei eine unnuͤzze und traͤge Laſt (k), und die Natur
habe ſie nur zu einem Gegengewichte dahin gehaͤngt,
um der Leber das Gleichgewicht zu halten (l). Dieſes
war die alte Theorie, welche man bei Leuten, die von ih-
rem Entſtehen an (m), ſo wie bei Thieren, welche ohne
groſ-
(b)
n. 41.
(c) n. 14.
(d) BLAS human. n. 28.
(e) SERENUS SAMMONICUS
Ed. BURM. p. 275.
(f) BOERHAAVE prælect.
p. 73.
(g) PLIN. I. c. SERENUS.
(h) C. HOFMANN dieſer groſ-
ſe Gelerte de liene Idem apolog.
II. c. 106.
(i)
Part. anim. L. III. c. 8. ſie
ziehe den Dunſt vom Magen an
ſich, und helfe verdauen.
(k) ERASISTRATUS RUFUS
II. p. 59.
(l) ARISTOT. part. anim. L. III.
c. 3. Gleichgewicht der Leber
ARET cauſ. diut. I c. p. 13.
(m) ARISTOTELES. ROUS-
SET de partu Cæſar. L. IV. c. 5.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 621[637]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/657>, abgerufen am 22.11.2024.
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