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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

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Der Magen. XIX. Buch.
Wasser zu gebrauchen. Auf solche Weise senkt sich der
unreine Sazz, und man bedient sich blos des flüßigen
Theils zum Gebrauche. Doch dädurch scheidet sich noch
nicht das Faule heraus. Zu Leiden schmekkt so gar der
Thee aus dem Brunnenwasser unangenem.

Und dennoch scheint das warme Getränke aus der-
gleichen Abkochungen entstanden zu sein (f): denn wie
leicht fiel man darauf, wenn Wasser gekocht wurde, es
warm zu trinken. Und dieser Gewonheit folgten schon
die Alten (g), ja sie war ein Stükk von den Ergözzlich-
keiten bei den Römern.

Es kann bei dieser Mode etwas annemliches sein, we-
nigstens löschet man den Durst und die Hizze auf keine
andre Weise mit grösserer Anmut. Allein Ergözzungen
sind gefärlich. Warmes Wasser schwächt ungemein un-
sre Fasern, und macht sie um den zehnten Theil schwä-
cher (h): und da auch kaltes Wasser, übermäßig getrun-
ken, fast eine Erstikkung (i) und schweres Atemholen nach
sich zieht, so schwächt warmes die Kräfte des Magens
und den Appetit noch viel mehr (k).

Boerhaave (l) erinnerte mich vergeblich, nicht bei mei-
nem Nachtstudiren Thee zu gebrauchen, und ich schwäch-
te meinen Magen dadurch dermassen, daß ich, ob ich
gleich diese lokkende Sirene verschworen, dennoch seit vier-

zig
(f) [Spaltenumbruch] Thee bei den Chinesern HA-
MILTON I. e.
Solches lobet VA-
LISNERI Tom. II. p.
468.
(g) NONNUS. Ego mihi ther-
anopotabo gutturem PLAUTUS:
sonf. ROBERG de caldae potu;

und GEBAUERI, dieses grossen
Mannes hb. de potu calido &
REDI T. V. p.
158.
(h) BOERHAAVE Aphor. n.
75. ROBINSON Oecon. p.
297.
von einem Kopfhaare, so von
100000 Theilen Stärke herabge-
[Spaltenumbruch] sezzt wurde bis auf 6250. conf.
ARBUTHNOT on air p.
61.
(i) LORRY alim. T. II. p. 290.
(k) ZWINGER de thea helv.
p.
5. vom Misbrauche des Thees,
verfielen drei Jungfern, als sie
sechs Maas getrunken, in die äus-
serste Schwachheit, mit einer Er-
blassung FABER thee histor.
(l) Und vordem HIPPOCRA-
TES aphor. 16. Sect. V. de usu li-
quidor. n.
3.

Der Magen. XIX. Buch.
Waſſer zu gebrauchen. Auf ſolche Weiſe ſenkt ſich der
unreine Sazz, und man bedient ſich blos des fluͤßigen
Theils zum Gebrauche. Doch daͤdurch ſcheidet ſich noch
nicht das Faule heraus. Zu Leiden ſchmekkt ſo gar der
Thee aus dem Brunnenwaſſer unangenem.

Und dennoch ſcheint das warme Getraͤnke aus der-
gleichen Abkochungen entſtanden zu ſein (f): denn wie
leicht fiel man darauf, wenn Waſſer gekocht wurde, es
warm zu trinken. Und dieſer Gewonheit folgten ſchon
die Alten (g), ja ſie war ein Stuͤkk von den Ergoͤzzlich-
keiten bei den Roͤmern.

Es kann bei dieſer Mode etwas annemliches ſein, we-
nigſtens loͤſchet man den Durſt und die Hizze auf keine
andre Weiſe mit groͤſſerer Anmut. Allein Ergoͤzzungen
ſind gefaͤrlich. Warmes Waſſer ſchwaͤcht ungemein un-
ſre Faſern, und macht ſie um den zehnten Theil ſchwaͤ-
cher (h): und da auch kaltes Waſſer, uͤbermaͤßig getrun-
ken, faſt eine Erſtikkung (i) und ſchweres Atemholen nach
ſich zieht, ſo ſchwaͤcht warmes die Kraͤfte des Magens
und den Appetit noch viel mehr (k).

Boerhaave (l) erinnerte mich vergeblich, nicht bei mei-
nem Nachtſtudiren Thee zu gebrauchen, und ich ſchwaͤch-
te meinen Magen dadurch dermaſſen, daß ich, ob ich
gleich dieſe lokkende Sirene verſchworen, dennoch ſeit vier-

zig
(f) [Spaltenumbruch] Thee bei den Chineſern HA-
MILTON I. e.
Solches lobet VA-
LISNERI Tom. II. p.
468.
(g) NONNUS. Ego mihi ther-
anopotabo gutturem PLAUTUS:
ſonf. ROBERG de caldae potu;

und GEBAUERI, dieſes groſſen
Mannes hb. de potu calido &
REDI T. V. p.
158.
(h) BOERHAAVE Aphor. n.
75. ROBINSON Oecon. p.
297.
von einem Kopfhaare, ſo von
100000 Theilen Staͤrke herabge-
[Spaltenumbruch] ſezzt wurde bis auf 6250. conf.
ARBUTHNOT on air p.
61.
(i) LORRY alim. T. II. p. 290.
(k) ZWINGER de thea helv.
p.
5. vom Misbrauche des Thees,
verfielen drei Jungfern, als ſie
ſechs Maas getrunken, in die aͤuſ-
ſerſte Schwachheit, mit einer Er-
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(l) Und vordem HIPPOCRA-
TES aphor. 16. Sect. V. de uſu li-
quidor. n.
3.
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[350[366]/0386] Der Magen. XIX. Buch. Waſſer zu gebrauchen. Auf ſolche Weiſe ſenkt ſich der unreine Sazz, und man bedient ſich blos des fluͤßigen Theils zum Gebrauche. Doch daͤdurch ſcheidet ſich noch nicht das Faule heraus. Zu Leiden ſchmekkt ſo gar der Thee aus dem Brunnenwaſſer unangenem. Und dennoch ſcheint das warme Getraͤnke aus der- gleichen Abkochungen entſtanden zu ſein (f): denn wie leicht fiel man darauf, wenn Waſſer gekocht wurde, es warm zu trinken. Und dieſer Gewonheit folgten ſchon die Alten (g), ja ſie war ein Stuͤkk von den Ergoͤzzlich- keiten bei den Roͤmern. Es kann bei dieſer Mode etwas annemliches ſein, we- nigſtens loͤſchet man den Durſt und die Hizze auf keine andre Weiſe mit groͤſſerer Anmut. Allein Ergoͤzzungen ſind gefaͤrlich. Warmes Waſſer ſchwaͤcht ungemein un- ſre Faſern, und macht ſie um den zehnten Theil ſchwaͤ- cher (h): und da auch kaltes Waſſer, uͤbermaͤßig getrun- ken, faſt eine Erſtikkung (i) und ſchweres Atemholen nach ſich zieht, ſo ſchwaͤcht warmes die Kraͤfte des Magens und den Appetit noch viel mehr (k). Boerhaave (l) erinnerte mich vergeblich, nicht bei mei- nem Nachtſtudiren Thee zu gebrauchen, und ich ſchwaͤch- te meinen Magen dadurch dermaſſen, daß ich, ob ich gleich dieſe lokkende Sirene verſchworen, dennoch ſeit vier- zig (f) Thee bei den Chineſern HA- MILTON I. e. Solches lobet VA- LISNERI Tom. II. p. 468. (g) NONNUS. Ego mihi ther- anopotabo gutturem PLAUTUS: ſonf. ROBERG de caldae potu; und GEBAUERI, dieſes groſſen Mannes hb. de potu calido & REDI T. V. p. 158. (h) BOERHAAVE Aphor. n. 75. ROBINSON Oecon. p. 297. von einem Kopfhaare, ſo von 100000 Theilen Staͤrke herabge- ſezzt wurde bis auf 6250. conf. ARBUTHNOT on air p. 61. (i) LORRY alim. T. II. p. 290. (k) ZWINGER de thea helv. p. 5. vom Misbrauche des Thees, verfielen drei Jungfern, als ſie ſechs Maas getrunken, in die aͤuſ- ſerſte Schwachheit, mit einer Er- blaſſung FABER thée hiſtor. (l) Und vordem HIPPOCRA- TES aphor. 16. Sect. V. de uſu li- quidor. n. 3.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 350[366]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/386>, abgerufen am 17.06.2024.