gen können, ob es gleich am Feuer und Lichte sein Ver- gnügen findet.
Das Feuer theilt dem Fleische eine Annemlichkeit mit, indem es die Salze, die in vielem Wasser und vie- lem Gallert eingewikkelt schwimmen, allmälig los macht, bis sie den Geruch und Geschmakk mit grössrer Lebhaftig- keit rühren. Rohes Hammelfleisch hat, wenigstens un- serm Geschmakke nach, fast gar keine Vergleichung mit eben dem Hammelfleische, wenn solches an dem Feuer ge- braten worden (b). Es war eine Mode der Heldenzei- ten, folglich der ältesten Jahrhunderte, Fleisch zu braten, wie man aus unzäligen Stellen des Homers sehen kann. Es ist aber die angenemste, ob schon nicht so vor- teilhafte Art zu braten, wenn man einen Theil des Flei- sches vernachläßigt, und nur die äusserste Rinde (c) ge- linde anbrennen läst; denn alsdann ist das Jnwendige, ohne etwas von den nährenden Theilen verloren zu haben, von sehr angenemen Geruche und Geschmakke.
Fleisch | zu sieden haben Menschen durch den Zufall lernen können, wenn sie es waschen gewollt. Denn auf solche Art zerteilt sich die närende Kraft dergestalt, daß beinahe der gröste Theil in die Brühe geht, und ein Theil im Fleische zurükke bleibt. Es ist dieses schon eine alte Kunst, wie aus dem Gesezze Mosis erhellt, und sie hat sich unter die einfältigste Völker von Amerika und Grön- land ausgebreitet. Jndessen erfordert diese Zubereitung schon mehr Umstände, die Kunst, hohle Kessel zu schmie- den, und dergleichen, kann das Braten überhoben sein. Ueberhaupt wird Fleisch durchs Kochen kraftlos, es fault weniger (d), giebt aber daher auch weniger Stärke (e).
Das
(b)[Spaltenumbruch]Conf. VERULAM p. 335.
(c)LERY It. Brasil. p. 152. LABAT hie und da in Itin. Antill. sonderlich von Schildkröten.
(d)BOYLE Exp. phys. mech. [Spaltenumbruch]
aere cont. p. 210. Auch säuret eine abgekochte Milch weniger ANDRY tr. des dispens. du Careme II. p. 3.
(e)BACO de VERULAM hist. vit. & mort. p. 338.
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III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
gen koͤnnen, ob es gleich am Feuer und Lichte ſein Ver- gnuͤgen findet.
Das Feuer theilt dem Fleiſche eine Annemlichkeit mit, indem es die Salze, die in vielem Waſſer und vie- lem Gallert eingewikkelt ſchwimmen, allmaͤlig los macht, bis ſie den Geruch und Geſchmakk mit groͤſſrer Lebhaftig- keit ruͤhren. Rohes Hammelfleiſch hat, wenigſtens un- ſerm Geſchmakke nach, faſt gar keine Vergleichung mit eben dem Hammelfleiſche, wenn ſolches an dem Feuer ge- braten worden (b). Es war eine Mode der Heldenzei- ten, folglich der aͤlteſten Jahrhunderte, Fleiſch zu braten, wie man aus unzaͤligen Stellen des Homers ſehen kann. Es iſt aber die angenemſte, ob ſchon nicht ſo vor- teilhafte Art zu braten, wenn man einen Theil des Flei- ſches vernachlaͤßigt, und nur die aͤuſſerſte Rinde (c) ge- linde anbrennen laͤſt; denn alsdann iſt das Jnwendige, ohne etwas von den naͤhrenden Theilen verloren zu haben, von ſehr angenemen Geruche und Geſchmakke.
Fleiſch | zu ſieden haben Menſchen durch den Zufall lernen koͤnnen, wenn ſie es waſchen gewollt. Denn auf ſolche Art zerteilt ſich die naͤrende Kraft dergeſtalt, daß beinahe der groͤſte Theil in die Bruͤhe geht, und ein Theil im Fleiſche zuruͤkke bleibt. Es iſt dieſes ſchon eine alte Kunſt, wie aus dem Geſezze Moſis erhellt, und ſie hat ſich unter die einfaͤltigſte Voͤlker von Amerika und Groͤn- land ausgebreitet. Jndeſſen erfordert dieſe Zubereitung ſchon mehr Umſtaͤnde, die Kunſt, hohle Keſſel zu ſchmie- den, und dergleichen, kann das Braten uͤberhoben ſein. Ueberhaupt wird Fleiſch durchs Kochen kraftlos, es fault weniger (d), giebt aber daher auch weniger Staͤrke (e).
Das
(b)[Spaltenumbruch]Conf. VERULAM p. 335.
(c)LERY It. Braſil. p. 152. LABAT hie und da in Itin. Antill. ſonderlich von Schildkroͤten.
(d)BOYLE Exp. phyſ. mech. [Spaltenumbruch]
aere cont. p. 210. Auch ſaͤuret eine abgekochte Milch weniger ANDRY tr. des diſpenſ. du Careme II. p. 3.
(e)BACO de VERULAM hiſt. vit. & mort. p. 338.
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III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
gen koͤnnen, ob es gleich am Feuer und Lichte ſein Ver-
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Das Feuer theilt dem Fleiſche eine Annemlichkeit
mit, indem es die Salze, die in vielem Waſſer und vie-
lem Gallert eingewikkelt ſchwimmen, allmaͤlig los macht,
bis ſie den Geruch und Geſchmakk mit groͤſſrer Lebhaftig-
keit ruͤhren. Rohes Hammelfleiſch hat, wenigſtens un-
ſerm Geſchmakke nach, faſt gar keine Vergleichung mit
eben dem Hammelfleiſche, wenn ſolches an dem Feuer ge-
braten worden (b). Es war eine Mode der Heldenzei-
ten, folglich der aͤlteſten Jahrhunderte, Fleiſch zu braten,
wie man aus unzaͤligen Stellen des Homers ſehen
kann. Es iſt aber die angenemſte, ob ſchon nicht ſo vor-
teilhafte Art zu braten, wenn man einen Theil des Flei-
ſches vernachlaͤßigt, und nur die aͤuſſerſte Rinde (c) ge-
linde anbrennen laͤſt; denn alsdann iſt das Jnwendige,
ohne etwas von den naͤhrenden Theilen verloren zu haben,
von ſehr angenemen Geruche und Geſchmakke.
Fleiſch | zu ſieden haben Menſchen durch den Zufall
lernen koͤnnen, wenn ſie es waſchen gewollt. Denn auf
ſolche Art zerteilt ſich die naͤrende Kraft dergeſtalt, daß
beinahe der groͤſte Theil in die Bruͤhe geht, und ein Theil
im Fleiſche zuruͤkke bleibt. Es iſt dieſes ſchon eine alte
Kunſt, wie aus dem Geſezze Moſis erhellt, und ſie hat
ſich unter die einfaͤltigſte Voͤlker von Amerika und Groͤn-
land ausgebreitet. Jndeſſen erfordert dieſe Zubereitung
ſchon mehr Umſtaͤnde, die Kunſt, hohle Keſſel zu ſchmie-
den, und dergleichen, kann das Braten uͤberhoben ſein.
Ueberhaupt wird Fleiſch durchs Kochen kraftlos, es fault
weniger (d), giebt aber daher auch weniger Staͤrke (e).
Das
(b)
Conf. VERULAM p. 335.
(c) LERY It. Braſil. p. 152.
LABAT hie und da in Itin. Antill.
ſonderlich von Schildkroͤten.
(d) BOYLE Exp. phyſ. mech.
aere cont. p. 210. Auch ſaͤuret eine
abgekochte Milch weniger ANDRY
tr. des diſpenſ. du Careme II. p. 3.
(e) BACO de VERULAM hiſt.
vit. & mort. p. 338.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 323[339]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/359>, abgerufen am 23.11.2024.
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