ten Seite des Objects unterscheiden. Jndessen scheint es doch ganz zuverläßig zu sein, daß dieses nicht von der Gewohnheit herkomme, indem vor kurzen aus dem Ei gekrochene Hüner, gradesweges zu der Speise hineilen, welche sie auf der wirklichen fühlbaren Erde suchen, und nicht auf der sichtbaren Erde, die in der Luft sein würde. Doch es fliehet auch eine Gans grade auf die Dinge zu, die sie sucht, und es sehen blindgebohrne Menschen die Objecte nicht verkehrt (r), wenn man ihnen eben den Staar sticht.
§. 8. Die Vorstellung ist einfach bei dem doppelten Gemählde.
I. Wir sehen einen einzigen Punkt deutlich.
Wir müssen die Erklärung dieser Erscheinung in mehrere Fragen zergliedern.
Erstlich ist es an sich gewiß, daß wir nur ein sehr ge- ringes Theilchen zu einerlei Zeit und deutlich sehen, so wie dasjenige grösser ist, als was wir undeutlich sehen. Es wird daher überhaupt das Bild vieler Körper zu ei- nerlei Zeit im Auge abgemahlt: Die Seele aber empfin- det nur einen einzigen Körper deutlich (s). Die Sache ist bei den Lesen der Bücher augenscheinlich zu bemerken. Wir sehen zwar mit Verwirrung das ganze Buch, um aber deutlich die Fehler eines Buchstabens zu bemerken (t), so sehen wir nur einen einzigen Buchstaben: Und endlich an diesem Buchstaben nur einen einzigen Flekk:
Es
(r)[Spaltenumbruch]
Nach Anmerkung ILL. WERL- HOFII daß Kinder verkehrt sehen, doch ich weis nicht nach welchem Versuche, ILL. de BUFFON hist. natur. T. III. p. 317.
(s)CARTES de homine p. 80. Seb. le CLERC point de vue p. 62. Systeme de la vue art. 8. BOER- HAAVE I. R. M. n. 541. morb. [Spaltenumbruch]
ocul. p. 144. 153. PORTERFIELD Act. Edimb. I. c. III. p. 184. IV. p. 130 S' GRAVEZANDE n. 3107. PARSONS physiogn. p. 23. Das wir keine Sache ganz sehen, lehrten die STOICI bei dem HELIODORUS optic. n. 11.
(t)Le CLERC. point de vue pag 79.
Das Sehen. XVI. Buch.
ten Seite des Objects unterſcheiden. Jndeſſen ſcheint es doch ganz zuverlaͤßig zu ſein, daß dieſes nicht von der Gewohnheit herkomme, indem vor kurzen aus dem Ei gekrochene Huͤner, gradesweges zu der Speiſe hineilen, welche ſie auf der wirklichen fuͤhlbaren Erde ſuchen, und nicht auf der ſichtbaren Erde, die in der Luft ſein wuͤrde. Doch es fliehet auch eine Gans grade auf die Dinge zu, die ſie ſucht, und es ſehen blindgebohrne Menſchen die Objecte nicht verkehrt (r), wenn man ihnen eben den Staar ſticht.
§. 8. Die Vorſtellung iſt einfach bei dem doppelten Gemaͤhlde.
I. Wir ſehen einen einzigen Punkt deutlich.
Wir muͤſſen die Erklaͤrung dieſer Erſcheinung in mehrere Fragen zergliedern.
Erſtlich iſt es an ſich gewiß, daß wir nur ein ſehr ge- ringes Theilchen zu einerlei Zeit und deutlich ſehen, ſo wie dasjenige groͤſſer iſt, als was wir undeutlich ſehen. Es wird daher uͤberhaupt das Bild vieler Koͤrper zu ei- nerlei Zeit im Auge abgemahlt: Die Seele aber empfin- det nur einen einzigen Koͤrper deutlich (s). Die Sache iſt bei den Leſen der Buͤcher augenſcheinlich zu bemerken. Wir ſehen zwar mit Verwirrung das ganze Buch, um aber deutlich die Fehler eines Buchſtabens zu bemerken (t), ſo ſehen wir nur einen einzigen Buchſtaben: Und endlich an dieſem Buchſtaben nur einen einzigen Flekk:
Es
(r)[Spaltenumbruch]
Nach Anmerkung ILL. WERL- HOFII daß Kinder verkehrt ſehen, doch ich weis nicht nach welchem Verſuche, ILL. de BUFFON hiſt. natur. T. III. p. 317.
(s)CARTES de homine p. 80. Seb. le CLERC point de vue p. 62. Syſteme de la vue art. 8. BOER- HAAVE I. R. M. n. 541. morb. [Spaltenumbruch]
ocul. p. 144. 153. PORTERFIELD Act. Edimb. I. c. III. p. 184. IV. p. 130 S’ GRAVEZANDE n. 3107. PARSONS phyſiogn. p. 23. Das wir keine Sache ganz ſehen, lehrten die STOICI bei dem HELIODORUS optic. n. 11.
(t)Le CLERC. point de vue pag 79.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0988"n="970"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Sehen. <hirendition="#aq">XVI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
ten Seite des Objects unterſcheiden. Jndeſſen ſcheint<lb/>
es doch ganz zuverlaͤßig zu ſein, daß dieſes nicht von der<lb/>
Gewohnheit herkomme, indem vor kurzen aus dem Ei<lb/>
gekrochene Huͤner, gradesweges zu der Speiſe hineilen,<lb/>
welche ſie auf der wirklichen fuͤhlbaren Erde ſuchen, und<lb/>
nicht auf der ſichtbaren Erde, die in der Luft ſein wuͤrde.<lb/>
Doch es fliehet auch eine Gans grade auf die Dinge zu,<lb/>
die ſie ſucht, und es ſehen blindgebohrne Menſchen die<lb/>
Objecte nicht verkehrt <noteplace="foot"n="(r)"><cb/>
Nach Anmerkung <hirendition="#aq">ILL. WERL-<lb/>
HOFII</hi> daß Kinder verkehrt ſehen,<lb/>
doch ich weis nicht nach welchem<lb/>
Verſuche, <hirendition="#aq">ILL. de BUFFON hiſt.<lb/>
natur. T. III. p.</hi> 317.</note>, wenn man ihnen eben den<lb/>
Staar ſticht.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 8.<lb/><hirendition="#b">Die Vorſtellung iſt einfach bei dem doppelten<lb/>
Gemaͤhlde.</hi></head><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Wir ſehen einen einzigen Punkt deutlich.</hi></head><lb/><p>Wir muͤſſen die Erklaͤrung dieſer Erſcheinung in<lb/>
mehrere Fragen zergliedern.</p><lb/><p>Erſtlich iſt es an ſich gewiß, daß wir nur ein ſehr ge-<lb/>
ringes Theilchen zu einerlei Zeit und deutlich ſehen,<lb/>ſo wie dasjenige groͤſſer iſt, als was wir undeutlich ſehen.<lb/>
Es wird daher uͤberhaupt das Bild vieler Koͤrper zu ei-<lb/>
nerlei Zeit im Auge abgemahlt: Die Seele aber empfin-<lb/>
det nur einen einzigen Koͤrper deutlich <noteplace="foot"n="(s)"><hirendition="#aq">CARTES de homine p. 80.<lb/>
Seb. le CLERC point de vue p. 62.<lb/>
Syſteme de la vue art. 8. BOER-<lb/>
HAAVE I. R. M. n. 541. morb.<lb/><cb/>
ocul. p. 144. 153. PORTERFIELD<lb/>
Act. Edimb. I. c. III. p. 184. IV.<lb/>
p. 130 S’ GRAVEZANDE n. 3107.<lb/>
PARSONS phyſiogn. p.</hi> 23. Das<lb/>
wir keine Sache ganz ſehen, lehrten<lb/>
die <hirendition="#aq">STOICI</hi> bei dem <hirendition="#aq">HELIODORUS<lb/>
optic. n.</hi> 11.</note>. Die Sache<lb/>
iſt bei den Leſen der Buͤcher augenſcheinlich zu bemerken.<lb/>
Wir ſehen zwar mit Verwirrung das ganze Buch, um<lb/>
aber deutlich die Fehler eines Buchſtabens zu bemerken<lb/><noteplace="foot"n="(t)"><hirendition="#aq">Le CLERC. point de vue<lb/>
pag</hi> 79.</note>, ſo ſehen wir nur einen einzigen Buchſtaben: Und<lb/>
endlich an dieſem Buchſtaben nur einen einzigen Flekk:<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[970/0988]
Das Sehen. XVI. Buch.
ten Seite des Objects unterſcheiden. Jndeſſen ſcheint
es doch ganz zuverlaͤßig zu ſein, daß dieſes nicht von der
Gewohnheit herkomme, indem vor kurzen aus dem Ei
gekrochene Huͤner, gradesweges zu der Speiſe hineilen,
welche ſie auf der wirklichen fuͤhlbaren Erde ſuchen, und
nicht auf der ſichtbaren Erde, die in der Luft ſein wuͤrde.
Doch es fliehet auch eine Gans grade auf die Dinge zu,
die ſie ſucht, und es ſehen blindgebohrne Menſchen die
Objecte nicht verkehrt (r), wenn man ihnen eben den
Staar ſticht.
§. 8.
Die Vorſtellung iſt einfach bei dem doppelten
Gemaͤhlde.
I. Wir ſehen einen einzigen Punkt deutlich.
Wir muͤſſen die Erklaͤrung dieſer Erſcheinung in
mehrere Fragen zergliedern.
Erſtlich iſt es an ſich gewiß, daß wir nur ein ſehr ge-
ringes Theilchen zu einerlei Zeit und deutlich ſehen,
ſo wie dasjenige groͤſſer iſt, als was wir undeutlich ſehen.
Es wird daher uͤberhaupt das Bild vieler Koͤrper zu ei-
nerlei Zeit im Auge abgemahlt: Die Seele aber empfin-
det nur einen einzigen Koͤrper deutlich (s). Die Sache
iſt bei den Leſen der Buͤcher augenſcheinlich zu bemerken.
Wir ſehen zwar mit Verwirrung das ganze Buch, um
aber deutlich die Fehler eines Buchſtabens zu bemerken
(t), ſo ſehen wir nur einen einzigen Buchſtaben: Und
endlich an dieſem Buchſtaben nur einen einzigen Flekk:
Es
(r)
Nach Anmerkung ILL. WERL-
HOFII daß Kinder verkehrt ſehen,
doch ich weis nicht nach welchem
Verſuche, ILL. de BUFFON hiſt.
natur. T. III. p. 317.
(s) CARTES de homine p. 80.
Seb. le CLERC point de vue p. 62.
Syſteme de la vue art. 8. BOER-
HAAVE I. R. M. n. 541. morb.
ocul. p. 144. 153. PORTERFIELD
Act. Edimb. I. c. III. p. 184. IV.
p. 130 S’ GRAVEZANDE n. 3107.
PARSONS phyſiogn. p. 23. Das
wir keine Sache ganz ſehen, lehrten
die STOICI bei dem HELIODORUS
optic. n. 11.
(t) Le CLERC. point de vue
pag 79.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 970. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/988>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.