So wie die Kraft des dichtern Mittelwesens, schiefe Strahlen gegen den Perpendikul zu gehen zwingt, welche man in Gedanken, auf die Grenze der Oberfläche eines dichtern Mittelwesens zieht, so wird von eben dieser Kraft, welche die Strahlen anhängt, und die Geschwindigkeit (s), womit ein Strahl fortläuft, schwächet (t), zu wege gebracht, daß sich eben dieser schiefe Strahl, wenn er aus einem dichtern Mittelwesen in ein dünnes fährt, von der senkrechten Linie bricht. Der Gegenseitige Erfolg hat ei- nerlei Ursachen und Gesezze (u).
Es mag die schiefe Richtung eines Strahls beschaffen sein, wie sie will, und man mag einen Einfalswinkel an- nehmen, welchen man will, so ist seine brechende Kraft dennoch immer einerlei, die Strahlen mögen sich in dem dichten Mittelwesen entweder anhäufen, oder von den dünnen zerstreuen. Es läst sich nemlich eine jede schiefe Bewegung in zweien andere eintheilen, wie jedermann weiß, indem sie von demjenigen Vierekke Seiten sind, davon sie selbst die Diagonallinie ist. Wenn dieses nun in einem erst wie gebrochenen Strahl vorgeht, so werden in der schiefen Richtung des Strahls erst eine senkrechte Richtung, auf die Oberfläche beider Mittelwesen, und denn eine zweite mit dieser Oberfläche paralele Richtung er- folgen. Es ändert aber die Anziehungskraft des Mittel- wesens die paralele Richtung nicht, indem auf beiden Theilen gegenseitige Kräfte des Gegengewicht einander hal- ten. Es wird aber die senkrechte Distanz eines Strahls von derjenigen Linie, nach welcher der Strahl an sie ge- zogen wird, geändert, wenn das Mittelwesen dichter ist, oder es weicht der Strahl von ihr zurükk, wenn das Mit- telwesen dünne ist, folglich wird diese Distanz die sich in dem dichten Mittelwesen mindert, hingegen in dem dün- nen vermehret, das Refractionsmaaß sein. Sie ist aber
senk-
(s)[Spaltenumbruch]
Wird geläugnet Iourn. des sav. 1699. n. 20.
(t)MUSSCHENBROECK n. 1089.
(u)[Spaltenumbruch]Conf. MUSSCHENBROECK n. 1099.
Das Licht. XVI. Buch.
So wie die Kraft des dichtern Mittelweſens, ſchiefe Strahlen gegen den Perpendikul zu gehen zwingt, welche man in Gedanken, auf die Grenze der Oberflaͤche eines dichtern Mittelweſens zieht, ſo wird von eben dieſer Kraft, welche die Strahlen anhaͤngt, und die Geſchwindigkeit (s), womit ein Strahl fortlaͤuft, ſchwaͤchet (t), zu wege gebracht, daß ſich eben dieſer ſchiefe Strahl, wenn er aus einem dichtern Mittelweſen in ein duͤnnes faͤhrt, von der ſenkrechten Linie bricht. Der Gegenſeitige Erfolg hat ei- nerlei Urſachen und Geſezze (u).
Es mag die ſchiefe Richtung eines Strahls beſchaffen ſein, wie ſie will, und man mag einen Einfalswinkel an- nehmen, welchen man will, ſo iſt ſeine brechende Kraft dennoch immer einerlei, die Strahlen moͤgen ſich in dem dichten Mittelweſen entweder anhaͤufen, oder von den duͤnnen zerſtreuen. Es laͤſt ſich nemlich eine jede ſchiefe Bewegung in zweien andere eintheilen, wie jedermann weiß, indem ſie von demjenigen Vierekke Seiten ſind, davon ſie ſelbſt die Diagonallinie iſt. Wenn dieſes nun in einem erſt wie gebrochenen Strahl vorgeht, ſo werden in der ſchiefen Richtung des Strahls erſt eine ſenkrechte Richtung, auf die Oberflaͤche beider Mittelweſen, und denn eine zweite mit dieſer Oberflaͤche paralele Richtung er- folgen. Es aͤndert aber die Anziehungskraft des Mittel- weſens die paralele Richtung nicht, indem auf beiden Theilen gegenſeitige Kraͤfte des Gegengewicht einander hal- ten. Es wird aber die ſenkrechte Diſtanz eines Strahls von derjenigen Linie, nach welcher der Strahl an ſie ge- zogen wird, geaͤndert, wenn das Mittelweſen dichter iſt, oder es weicht der Strahl von ihr zuruͤkk, wenn das Mit- telweſen duͤnne iſt, folglich wird dieſe Diſtanz die ſich in dem dichten Mittelweſen mindert, hingegen in dem duͤn- nen vermehret, das Refractionsmaaß ſein. Sie iſt aber
ſenk-
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Wird gelaͤugnet Iourn. des ſav. 1699. n. 20.
(t)MUSSCHENBROECK n. 1089.
(u)[Spaltenumbruch]Conf. MUSSCHENBROECK n. 1099.
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Das Licht. XVI. Buch.
So wie die Kraft des dichtern Mittelweſens, ſchiefe
Strahlen gegen den Perpendikul zu gehen zwingt, welche
man in Gedanken, auf die Grenze der Oberflaͤche eines
dichtern Mittelweſens zieht, ſo wird von eben dieſer Kraft,
welche die Strahlen anhaͤngt, und die Geſchwindigkeit
(s), womit ein Strahl fortlaͤuft, ſchwaͤchet (t), zu wege
gebracht, daß ſich eben dieſer ſchiefe Strahl, wenn er aus
einem dichtern Mittelweſen in ein duͤnnes faͤhrt, von der
ſenkrechten Linie bricht. Der Gegenſeitige Erfolg hat ei-
nerlei Urſachen und Geſezze (u).
Es mag die ſchiefe Richtung eines Strahls beſchaffen
ſein, wie ſie will, und man mag einen Einfalswinkel an-
nehmen, welchen man will, ſo iſt ſeine brechende Kraft
dennoch immer einerlei, die Strahlen moͤgen ſich in dem
dichten Mittelweſen entweder anhaͤufen, oder von den
duͤnnen zerſtreuen. Es laͤſt ſich nemlich eine jede ſchiefe
Bewegung in zweien andere eintheilen, wie jedermann
weiß, indem ſie von demjenigen Vierekke Seiten ſind,
davon ſie ſelbſt die Diagonallinie iſt. Wenn dieſes nun
in einem erſt wie gebrochenen Strahl vorgeht, ſo werden
in der ſchiefen Richtung des Strahls erſt eine ſenkrechte
Richtung, auf die Oberflaͤche beider Mittelweſen, und
denn eine zweite mit dieſer Oberflaͤche paralele Richtung er-
folgen. Es aͤndert aber die Anziehungskraft des Mittel-
weſens die paralele Richtung nicht, indem auf beiden
Theilen gegenſeitige Kraͤfte des Gegengewicht einander hal-
ten. Es wird aber die ſenkrechte Diſtanz eines Strahls
von derjenigen Linie, nach welcher der Strahl an ſie ge-
zogen wird, geaͤndert, wenn das Mittelweſen dichter iſt,
oder es weicht der Strahl von ihr zuruͤkk, wenn das Mit-
telweſen duͤnne iſt, folglich wird dieſe Diſtanz die ſich in
dem dichten Mittelweſen mindert, hingegen in dem duͤn-
nen vermehret, das Refractionsmaaß ſein. Sie iſt aber
ſenk-
(s)
Wird gelaͤugnet Iourn. des
ſav. 1699. n. 20.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 932. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/950>, abgerufen am 23.11.2024.
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