Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Abschnitt. Das Auge.
set werden, nicht vom Sehnerven, sondern vom drit-
ten, fünften und siebenten, ihre Aeste her. Man sagt
noch, daß sich beide Augen zugleich, kraft der Gewohn-
heit (q) bewegen lassen. Doch es hätten diese Schrift-
steller, auch die Ursache von dieser Gewohnheit nennen
sollen. Ohne Zweifel sehen auch Jnsekten ein einziges
Bild, da man doch von diesen gezeiget hat, daß in ih-
nen die Sehnerven sehr zahlreich sind, sich nirgendswo
vereinigen (r), und es entspringen in ihnen endlich, wel-
ches sehr merkwürdig ist, die Sehnerven aus verschie-
denen Stämmen, welche auch nach andern Theilen hin-
gehen (s). Wir empfinden auch den Schall einfach, ob
derselbe gleich in zweien Ohren vorgehet (t).

Vom Kamäleon haben wir gezeiget, wie es falsch
sei, daß sich die Sehnerven in demselben nicht ver-
einigen (u).

Jndessen scheinen doch die Krankheiten, und der Au-
genschein selbst, vermuthen zu lassen, daß hier etwas
wahres mit unterlaufe (x). Denn wenn die Natur
schlecht weg die Sehnerven, äusserlich und bis zur Ober-
fläche hätte vereinigen wollen, so hätte sie dieses, nicht
mit der Vermischung des Marks, sondern durch ein
Fadengewebe leicht erhalten können, welches beide Ner-
ven bei ihrer Vereinigung verbunden hätte. Endlich
bekömmt die gemeinschaftliche Bewegung beider Augen
nicht von den Muskeln, sondern selbst von dem verei-
nigten Marke der Sehnerven ihren Anfang. Man er-
weiset nehmlich, daß die Verengerung des Regenbo-

gens
(q) [Spaltenumbruch] PLEMP ophthalmogr. L.
IV. propos. 13. PERRAULT,
PORTERFIELD.
(r) Von diesen umständlicher
in der Sect. IV.
(s) LYONNET de la Chenil-
le du saule p.
561.
(t) [Spaltenumbruch] PORTERFIELD, I. pag.
193.
(u) p. 284. Solches erinner-
ten schon PARISINI.
(x) Vermischt beschreibet sie
PETITUS memoires de l'Acad.
1726. p.
69. 70.

II. Abſchnitt. Das Auge.
ſet werden, nicht vom Sehnerven, ſondern vom drit-
ten, fuͤnften und ſiebenten, ihre Aeſte her. Man ſagt
noch, daß ſich beide Augen zugleich, kraft der Gewohn-
heit (q) bewegen laſſen. Doch es haͤtten dieſe Schrift-
ſteller, auch die Urſache von dieſer Gewohnheit nennen
ſollen. Ohne Zweifel ſehen auch Jnſekten ein einziges
Bild, da man doch von dieſen gezeiget hat, daß in ih-
nen die Sehnerven ſehr zahlreich ſind, ſich nirgendswo
vereinigen (r), und es entſpringen in ihnen endlich, wel-
ches ſehr merkwuͤrdig iſt, die Sehnerven aus verſchie-
denen Staͤmmen, welche auch nach andern Theilen hin-
gehen (s). Wir empfinden auch den Schall einfach, ob
derſelbe gleich in zweien Ohren vorgehet (t).

Vom Kamaͤleon haben wir gezeiget, wie es falſch
ſei, daß ſich die Sehnerven in demſelben nicht ver-
einigen (u).

Jndeſſen ſcheinen doch die Krankheiten, und der Au-
genſchein ſelbſt, vermuthen zu laſſen, daß hier etwas
wahres mit unterlaufe (x). Denn wenn die Natur
ſchlecht weg die Sehnerven, aͤuſſerlich und bis zur Ober-
flaͤche haͤtte vereinigen wollen, ſo haͤtte ſie dieſes, nicht
mit der Vermiſchung des Marks, ſondern durch ein
Fadengewebe leicht erhalten koͤnnen, welches beide Ner-
ven bei ihrer Vereinigung verbunden haͤtte. Endlich
bekoͤmmt die gemeinſchaftliche Bewegung beider Augen
nicht von den Muſkeln, ſondern ſelbſt von dem verei-
nigten Marke der Sehnerven ihren Anfang. Man er-
weiſet nehmlich, daß die Verengerung des Regenbo-

gens
(q) [Spaltenumbruch] PLEMP ophthalmogr. L.
IV. propoſ. 13. PERRAULT,
PORTERFIELD.
(r) Von dieſen umſtaͤndlicher
in der Sect. IV.
(s) LYONNET de la Chenil-
le du ſaule p.
561.
(t) [Spaltenumbruch] PORTERFIELD, I. pag.
193.
(u) p. 284. Solches erinner-
ten ſchon PARISINI.
(x) Vermiſcht beſchreibet ſie
PETITUS memoires de l’Acad.
1726. p.
69. 70.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0799" n="781"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Das Auge.</hi></fw><lb/>
&#x017F;et werden, nicht vom Sehnerven, &#x017F;ondern vom drit-<lb/>
ten, fu&#x0364;nften und &#x017F;iebenten, ihre Ae&#x017F;te her. Man &#x017F;agt<lb/>
noch, daß &#x017F;ich beide Augen zugleich, kraft der Gewohn-<lb/>
heit <note place="foot" n="(q)"><cb/><hi rendition="#aq">PLEMP ophthalmogr. L.<lb/>
IV. propo&#x017F;. 13. <hi rendition="#g">PERRAULT,</hi><lb/>
PORTERFIELD.</hi></note> bewegen la&#x017F;&#x017F;en. Doch es ha&#x0364;tten die&#x017F;e Schrift-<lb/>
&#x017F;teller, auch die Ur&#x017F;ache von die&#x017F;er Gewohnheit nennen<lb/>
&#x017F;ollen. Ohne Zweifel &#x017F;ehen auch Jn&#x017F;ekten ein einziges<lb/>
Bild, da man doch von die&#x017F;en gezeiget hat, daß in ih-<lb/>
nen die Sehnerven &#x017F;ehr zahlreich &#x017F;ind, &#x017F;ich nirgendswo<lb/>
vereinigen <note place="foot" n="(r)">Von die&#x017F;en um&#x017F;ta&#x0364;ndlicher<lb/>
in der <hi rendition="#aq">Sect. IV.</hi></note>, und es ent&#x017F;pringen in ihnen endlich, wel-<lb/>
ches &#x017F;ehr merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t, die Sehnerven aus ver&#x017F;chie-<lb/>
denen Sta&#x0364;mmen, welche auch nach andern Theilen hin-<lb/>
gehen <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">LYONNET de la Chenil-<lb/>
le du &#x017F;aule p.</hi> 561.</note>. Wir empfinden auch den Schall einfach, ob<lb/>
der&#x017F;elbe gleich in zweien Ohren vorgehet <note place="foot" n="(t)"><cb/><hi rendition="#aq">PORTERFIELD, I. pag.</hi><lb/>
193.</note>.</p><lb/>
            <p>Vom Kama&#x0364;leon haben wir gezeiget, wie es fal&#x017F;ch<lb/>
&#x017F;ei, daß &#x017F;ich die Sehnerven in dem&#x017F;elben nicht ver-<lb/>
einigen <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq">p.</hi> 284. Solches erinner-<lb/>
ten &#x017F;chon <hi rendition="#aq">PARISINI.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheinen doch die Krankheiten, und der Au-<lb/>
gen&#x017F;chein &#x017F;elb&#x017F;t, vermuthen zu la&#x017F;&#x017F;en, daß hier etwas<lb/>
wahres mit unterlaufe <note place="foot" n="(x)">Vermi&#x017F;cht be&#x017F;chreibet &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#aq">PETITUS memoires de l&#x2019;Acad.<lb/>
1726. p.</hi> 69. 70.</note>. Denn wenn die Natur<lb/>
&#x017F;chlecht weg die Sehnerven, a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich und bis zur Ober-<lb/>
fla&#x0364;che ha&#x0364;tte vereinigen wollen, &#x017F;o ha&#x0364;tte &#x017F;ie die&#x017F;es, nicht<lb/>
mit der Vermi&#x017F;chung des Marks, &#x017F;ondern durch ein<lb/>
Fadengewebe leicht erhalten ko&#x0364;nnen, welches beide Ner-<lb/>
ven bei ihrer Vereinigung verbunden ha&#x0364;tte. Endlich<lb/>
beko&#x0364;mmt die gemein&#x017F;chaftliche Bewegung beider Augen<lb/>
nicht von den Mu&#x017F;keln, &#x017F;ondern &#x017F;elb&#x017F;t von dem verei-<lb/>
nigten Marke der Sehnerven ihren Anfang. Man er-<lb/>
wei&#x017F;et nehmlich, daß die Verengerung des Regenbo-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gens</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[781/0799] II. Abſchnitt. Das Auge. ſet werden, nicht vom Sehnerven, ſondern vom drit- ten, fuͤnften und ſiebenten, ihre Aeſte her. Man ſagt noch, daß ſich beide Augen zugleich, kraft der Gewohn- heit (q) bewegen laſſen. Doch es haͤtten dieſe Schrift- ſteller, auch die Urſache von dieſer Gewohnheit nennen ſollen. Ohne Zweifel ſehen auch Jnſekten ein einziges Bild, da man doch von dieſen gezeiget hat, daß in ih- nen die Sehnerven ſehr zahlreich ſind, ſich nirgendswo vereinigen (r), und es entſpringen in ihnen endlich, wel- ches ſehr merkwuͤrdig iſt, die Sehnerven aus verſchie- denen Staͤmmen, welche auch nach andern Theilen hin- gehen (s). Wir empfinden auch den Schall einfach, ob derſelbe gleich in zweien Ohren vorgehet (t). Vom Kamaͤleon haben wir gezeiget, wie es falſch ſei, daß ſich die Sehnerven in demſelben nicht ver- einigen (u). Jndeſſen ſcheinen doch die Krankheiten, und der Au- genſchein ſelbſt, vermuthen zu laſſen, daß hier etwas wahres mit unterlaufe (x). Denn wenn die Natur ſchlecht weg die Sehnerven, aͤuſſerlich und bis zur Ober- flaͤche haͤtte vereinigen wollen, ſo haͤtte ſie dieſes, nicht mit der Vermiſchung des Marks, ſondern durch ein Fadengewebe leicht erhalten koͤnnen, welches beide Ner- ven bei ihrer Vereinigung verbunden haͤtte. Endlich bekoͤmmt die gemeinſchaftliche Bewegung beider Augen nicht von den Muſkeln, ſondern ſelbſt von dem verei- nigten Marke der Sehnerven ihren Anfang. Man er- weiſet nehmlich, daß die Verengerung des Regenbo- gens (q) PLEMP ophthalmogr. L. IV. propoſ. 13. PERRAULT, PORTERFIELD. (r) Von dieſen umſtaͤndlicher in der Sect. IV. (s) LYONNET de la Chenil- le du ſaule p. 561. (t) PORTERFIELD, I. pag. 193. (u) p. 284. Solches erinner- ten ſchon PARISINI. (x) Vermiſcht beſchreibet ſie PETITUS memoires de l’Acad. 1726. p. 69. 70.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/799
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 781. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/799>, abgerufen am 23.11.2024.