Für die andere Meynung scheinet die Analogie der Augen zu streiten, in denen eine gewisse geheime Ver- änderung, nach der grösseren oder kleineren Kraft des Lichtes, und nachdem die Objecten näher, oder weiter sind, in der That statt findet, und dennoch der blosse Wille, ohne diese Verschiedenheit des Lichts, oder der Nähe der Objekten, überhaupt keine wirkliche Herrschaft über einen, und eben denselben Regenbogen hat, noch diesen, wie sonst einen Schliesmuskel, nach Komman- do spannen, und verengern kann.
Es vermuthet der berühmte Cotunnus, daß die Trummelsaite von der Trummelhaut sowohl durch deren fächrige Zusammenhänge, als durch den Hammer- stiel (a*), zum Beben gebracht, und solchergestalt von diesem Reize der Muskel des Eustachs, und des Steig- biegels, die vom harten Nerven ihre Aeste bekämen, zusammengezogen würden, welches in der That seinen feinen Wizz andeutet. Es scheinet aber die Trummel- haut nach dieser Hypothese von den starken Thönen noch stärker gespannt zu werden, da es im Gegentheil für sie besser wäre, wenn sie nachgelassen würde.
Diese Frage läßt sich schwerlich entscheiden, da es nicht in unserm Vermögen stehet, darüber Versuche an- zustellen. Wenn es in der That dennoch ein Muskel ist, der die Trummelhaut spannen kann, so würde ich der Meynung sein, daß selbige in der That gespannt, oder nachgelassen wird, und daß der Hammer weder umsonst auf der Membran stehe, noch von einem Muskel beherrscht wird. Diesem widerspricht auch die Erfah- rung nicht: denn man kann glauben, ob man gleich der Sache nicht gewiß ist; aber glauben kann man den- noch, daß man genauer höre, wenn man genauer hören will, wenigstens kömmt es mir, der Erfahrung gemäß,
so
(a*)p. 76.
Das Gehoͤr. XV. Buch.
Fuͤr die andere Meynung ſcheinet die Analogie der Augen zu ſtreiten, in denen eine gewiſſe geheime Ver- aͤnderung, nach der groͤſſeren oder kleineren Kraft des Lichtes, und nachdem die Objecten naͤher, oder weiter ſind, in der That ſtatt findet, und dennoch der bloſſe Wille, ohne dieſe Verſchiedenheit des Lichts, oder der Naͤhe der Objekten, uͤberhaupt keine wirkliche Herrſchaft uͤber einen, und eben denſelben Regenbogen hat, noch dieſen, wie ſonſt einen Schliesmuſkel, nach Komman- do ſpannen, und verengern kann.
Es vermuthet der beruͤhmte Cotunnus, daß die Trummelſaite von der Trummelhaut ſowohl durch deren faͤchrige Zuſammenhaͤnge, als durch den Hammer- ſtiel (a*), zum Beben gebracht, und ſolchergeſtalt von dieſem Reize der Muſkel des Euſtachs, und des Steig- biegels, die vom harten Nerven ihre Aeſte bekaͤmen, zuſammengezogen wuͤrden, welches in der That ſeinen feinen Wizz andeutet. Es ſcheinet aber die Trummel- haut nach dieſer Hypotheſe von den ſtarken Thoͤnen noch ſtaͤrker geſpannt zu werden, da es im Gegentheil fuͤr ſie beſſer waͤre, wenn ſie nachgelaſſen wuͤrde.
Dieſe Frage laͤßt ſich ſchwerlich entſcheiden, da es nicht in unſerm Vermoͤgen ſtehet, daruͤber Verſuche an- zuſtellen. Wenn es in der That dennoch ein Muſkel iſt, der die Trummelhaut ſpannen kann, ſo wuͤrde ich der Meynung ſein, daß ſelbige in der That geſpannt, oder nachgelaſſen wird, und daß der Hammer weder umſonſt auf der Membran ſtehe, noch von einem Muſkel beherrſcht wird. Dieſem widerſpricht auch die Erfah- rung nicht: denn man kann glauben, ob man gleich der Sache nicht gewiß iſt; aber glauben kann man den- noch, daß man genauer hoͤre, wenn man genauer hoͤren will, wenigſtens koͤmmt es mir, der Erfahrung gemaͤß,
ſo
(a*)p. 76.
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Das Gehoͤr. XV. Buch.
Fuͤr die andere Meynung ſcheinet die Analogie der
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aͤnderung, nach der groͤſſeren oder kleineren Kraft des
Lichtes, und nachdem die Objecten naͤher, oder weiter
ſind, in der That ſtatt findet, und dennoch der bloſſe
Wille, ohne dieſe Verſchiedenheit des Lichts, oder der
Naͤhe der Objekten, uͤberhaupt keine wirkliche Herrſchaft
uͤber einen, und eben denſelben Regenbogen hat, noch
dieſen, wie ſonſt einen Schliesmuſkel, nach Komman-
do ſpannen, und verengern kann.
Es vermuthet der beruͤhmte Cotunnus, daß die
Trummelſaite von der Trummelhaut ſowohl durch deren
faͤchrige Zuſammenhaͤnge, als durch den Hammer-
ſtiel (a*), zum Beben gebracht, und ſolchergeſtalt von
dieſem Reize der Muſkel des Euſtachs, und des Steig-
biegels, die vom harten Nerven ihre Aeſte bekaͤmen,
zuſammengezogen wuͤrden, welches in der That ſeinen
feinen Wizz andeutet. Es ſcheinet aber die Trummel-
haut nach dieſer Hypotheſe von den ſtarken Thoͤnen noch
ſtaͤrker geſpannt zu werden, da es im Gegentheil fuͤr ſie
beſſer waͤre, wenn ſie nachgelaſſen wuͤrde.
Dieſe Frage laͤßt ſich ſchwerlich entſcheiden, da es
nicht in unſerm Vermoͤgen ſtehet, daruͤber Verſuche an-
zuſtellen. Wenn es in der That dennoch ein Muſkel
iſt, der die Trummelhaut ſpannen kann, ſo wuͤrde ich
der Meynung ſein, daß ſelbige in der That geſpannt,
oder nachgelaſſen wird, und daß der Hammer weder
umſonſt auf der Membran ſtehe, noch von einem Muſkel
beherrſcht wird. Dieſem widerſpricht auch die Erfah-
rung nicht: denn man kann glauben, ob man gleich
der Sache nicht gewiß iſt; aber glauben kann man den-
noch, daß man genauer hoͤre, wenn man genauer hoͤren
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ſo
(a*) p. 76.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/690>, abgerufen am 23.11.2024.
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