Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Thierische Bewegung. XI. Buch.
bei diesem Sazze, entweder den Versuchen des Galens
(f), welcher beim Zerschneiden der Ribbenmuskeln, das
Atemholen und Ausatmen verloren gehen gesehen, oder
auch den Versuchen der Holländer (g) ihr Recht thun
müssen, welche den Hals, der zu sehr auf eine Seite ver-
dreht ist, dadurch wieder in die Höhe richten, daß sie den
zizzenförmigen Muskel der stärkern Seite durchschneiden;
oder man hätte auch die Erfarung des Vesalius beant-
worten müssen (h), welcher bewiesen, daß ein Glied un-
beweglich werde, dessen Muskeln man queer durchschnitten.

Sie ist von der angebornen Kraft aus dem Grunde
verschieden, weil sie vom Gehirne durch die Nerven in
die Muskeln eingeht, und selbige in Bewegung sezzt.
Dieses scheint mir so einfach zu sein, und aus unzälichen
Versuchen (i) so gewis zu folgen, daß ich nie begreifen
können, wie es Männer, welche in der Kunst so erfaren
sind, noch in Zweifel ziehen können. Es äussert sich näm-
lich in allen Thieren, welche Nerven haben, einerley Zu-
sammenlauf der Nerven in die Muskeln (k), es erfolgt
eben solche Lähmung von der Unterbindung der Nerven
(l), und ein eben solcher Kramf, (m) wenn man die Ner-
ven reizet, und es hört dieser ebenfalls vom Opium, und
wenn man den Nerven enzwei schneidet, auf.

Uebrigens gehet diese Bewegung mit dem Leben zu
Ende, und sie ist in Thieren von kaltem Blute fast eben
so beständig, als die angeborne Bewegung ist, indem an
einem ohnlängst gestorbnen Thiere (n), welches nun keine
Emfindung und willkürliche Bewegung mehr übrig zu ha-
ben scheint, der noch feuchte und ganze Muskel kramfhafte

Be-
(f) [Spaltenumbruch] Admin. anat. L. VIII. C. 3.
(g) NUEK exper. Chir. XXVI.
pag.
85.
(h) L. VII. p. 819.
(i) L. X. p. 322. seqq.
(k) vom Petro LYONNET
wird das Nervensistem einer Raupe
[Spaltenumbruch] mit unglaublichem Fleisse abge-
zeichnet; doch es hat auch dieses
Jnsekt, ebenfalls wie der Mensch,
an jedem Muskel seine Nerven.
(l) L. X. p. 323.
(m) Ibid. p. 322. 325.
(n) Ibid. p. 337. 338.

Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
bei dieſem Sazze, entweder den Verſuchen des Galens
(f), welcher beim Zerſchneiden der Ribbenmuſkeln, das
Atemholen und Ausatmen verloren gehen geſehen, oder
auch den Verſuchen der Hollaͤnder (g) ihr Recht thun
muͤſſen, welche den Hals, der zu ſehr auf eine Seite ver-
dreht iſt, dadurch wieder in die Hoͤhe richten, daß ſie den
zizzenfoͤrmigen Muſkel der ſtaͤrkern Seite durchſchneiden;
oder man haͤtte auch die Erfarung des Veſalius beant-
worten muͤſſen (h), welcher bewieſen, daß ein Glied un-
beweglich werde, deſſen Muſkeln man queer durchſchnitten.

Sie iſt von der angebornen Kraft aus dem Grunde
verſchieden, weil ſie vom Gehirne durch die Nerven in
die Muſkeln eingeht, und ſelbige in Bewegung ſezzt.
Dieſes ſcheint mir ſo einfach zu ſein, und aus unzaͤlichen
Verſuchen (i) ſo gewis zu folgen, daß ich nie begreifen
koͤnnen, wie es Maͤnner, welche in der Kunſt ſo erfaren
ſind, noch in Zweifel ziehen koͤnnen. Es aͤuſſert ſich naͤm-
lich in allen Thieren, welche Nerven haben, einerley Zu-
ſammenlauf der Nerven in die Muſkeln (k), es erfolgt
eben ſolche Laͤhmung von der Unterbindung der Nerven
(l), und ein eben ſolcher Kramf, (m) wenn man die Ner-
ven reizet, und es hoͤrt dieſer ebenfalls vom Opium, und
wenn man den Nerven enzwei ſchneidet, auf.

Uebrigens gehet dieſe Bewegung mit dem Leben zu
Ende, und ſie iſt in Thieren von kaltem Blute faſt eben
ſo beſtaͤndig, als die angeborne Bewegung iſt, indem an
einem ohnlaͤngſt geſtorbnen Thiere (n), welches nun keine
Emfindung und willkuͤrliche Bewegung mehr uͤbrig zu ha-
ben ſcheint, der noch feuchte und ganze Muſkel kramfhafte

Be-
(f) [Spaltenumbruch] Admin. anat. L. VIII. C. 3.
(g) NUEK exper. Chir. XXVI.
pag.
85.
(h) L. VII. p. 819.
(i) L. X. p. 322. ſeqq.
(k) vom Petro LYONNET
wird das Nervenſiſtem einer Raupe
[Spaltenumbruch] mit unglaublichem Fleiſſe abge-
zeichnet; doch es hat auch dieſes
Jnſekt, ebenfalls wie der Menſch,
an jedem Muſkel ſeine Nerven.
(l) L. X. p. 323.
(m) Ibid. p. 322. 325.
(n) Ibid. p. 337. 338.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0064" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Thieri&#x017F;che Bewegung. <hi rendition="#aq">XI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
bei die&#x017F;em Sazze, entweder den Ver&#x017F;uchen des <hi rendition="#fr">Galens</hi><lb/><note place="foot" n="(f)"><cb/><hi rendition="#aq">Admin. anat. L. VIII. C.</hi> 3.</note>, welcher beim Zer&#x017F;chneiden der Ribbenmu&#x017F;keln, das<lb/>
Atemholen und Ausatmen verloren gehen ge&#x017F;ehen, oder<lb/>
auch den Ver&#x017F;uchen der Holla&#x0364;nder <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">NUEK exper. Chir. XXVI.<lb/>
pag.</hi> 85.</note> ihr Recht thun<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, welche den Hals, der zu &#x017F;ehr auf eine Seite ver-<lb/>
dreht i&#x017F;t, dadurch wieder in die Ho&#x0364;he richten, daß &#x017F;ie den<lb/>
zizzenfo&#x0364;rmigen Mu&#x017F;kel der &#x017F;ta&#x0364;rkern Seite durch&#x017F;chneiden;<lb/>
oder man ha&#x0364;tte auch die Erfarung des <hi rendition="#fr">Ve&#x017F;alius</hi> beant-<lb/>
worten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">L. VII. p.</hi> 819.</note>, welcher bewie&#x017F;en, daß ein Glied un-<lb/>
beweglich werde, de&#x017F;&#x017F;en Mu&#x017F;keln man queer durch&#x017F;chnitten.</p><lb/>
          <p>Sie i&#x017F;t von der angebornen Kraft aus dem Grunde<lb/>
ver&#x017F;chieden, weil &#x017F;ie vom Gehirne durch die Nerven in<lb/>
die Mu&#x017F;keln eingeht, und &#x017F;elbige in Bewegung &#x017F;ezzt.<lb/>
Die&#x017F;es &#x017F;cheint mir &#x017F;o einfach zu &#x017F;ein, und aus unza&#x0364;lichen<lb/>
Ver&#x017F;uchen <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">L. X. p. 322. &#x017F;eqq.</hi></note> &#x017F;o gewis zu folgen, daß ich nie begreifen<lb/>
ko&#x0364;nnen, wie es Ma&#x0364;nner, welche in der Kun&#x017F;t &#x017F;o erfaren<lb/>
&#x017F;ind, noch in Zweifel ziehen ko&#x0364;nnen. Es a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;ich na&#x0364;m-<lb/>
lich in allen Thieren, welche Nerven haben, einerley Zu-<lb/>
&#x017F;ammenlauf der Nerven in die Mu&#x017F;keln <note place="foot" n="(k)">vom <hi rendition="#aq">Petro <hi rendition="#g">LYONNET</hi></hi><lb/>
wird das Nerven&#x017F;i&#x017F;tem einer Raupe<lb/><cb/>
mit unglaublichem Flei&#x017F;&#x017F;e abge-<lb/>
zeichnet; doch es hat auch die&#x017F;es<lb/>
Jn&#x017F;ekt, ebenfalls wie der Men&#x017F;ch,<lb/>
an jedem Mu&#x017F;kel &#x017F;eine Nerven.</note>, es erfolgt<lb/>
eben &#x017F;olche La&#x0364;hmung von der Unterbindung der Nerven<lb/><note place="foot" n="(l)"><hi rendition="#aq">L. X. p.</hi> 323.</note>, und ein eben &#x017F;olcher Kramf, <note place="foot" n="(m)"><hi rendition="#aq">Ibid. p.</hi> 322. 325.</note> wenn man die Ner-<lb/>
ven reizet, und es ho&#x0364;rt die&#x017F;er ebenfalls vom Opium, und<lb/>
wenn man den Nerven enzwei &#x017F;chneidet, auf.</p><lb/>
          <p>Uebrigens gehet die&#x017F;e Bewegung mit dem Leben zu<lb/>
Ende, und &#x017F;ie i&#x017F;t in Thieren von kaltem Blute fa&#x017F;t eben<lb/>
&#x017F;o be&#x017F;ta&#x0364;ndig, als die angeborne Bewegung i&#x017F;t, indem an<lb/>
einem ohnla&#x0364;ng&#x017F;t ge&#x017F;torbnen Thiere <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq">Ibid. p.</hi> 337. 338.</note>, welches nun keine<lb/>
Emfindung und willku&#x0364;rliche Bewegung mehr u&#x0364;brig zu ha-<lb/>
ben &#x017F;cheint, der noch feuchte und ganze Mu&#x017F;kel kramfhafte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0064] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. bei dieſem Sazze, entweder den Verſuchen des Galens (f), welcher beim Zerſchneiden der Ribbenmuſkeln, das Atemholen und Ausatmen verloren gehen geſehen, oder auch den Verſuchen der Hollaͤnder (g) ihr Recht thun muͤſſen, welche den Hals, der zu ſehr auf eine Seite ver- dreht iſt, dadurch wieder in die Hoͤhe richten, daß ſie den zizzenfoͤrmigen Muſkel der ſtaͤrkern Seite durchſchneiden; oder man haͤtte auch die Erfarung des Veſalius beant- worten muͤſſen (h), welcher bewieſen, daß ein Glied un- beweglich werde, deſſen Muſkeln man queer durchſchnitten. Sie iſt von der angebornen Kraft aus dem Grunde verſchieden, weil ſie vom Gehirne durch die Nerven in die Muſkeln eingeht, und ſelbige in Bewegung ſezzt. Dieſes ſcheint mir ſo einfach zu ſein, und aus unzaͤlichen Verſuchen (i) ſo gewis zu folgen, daß ich nie begreifen koͤnnen, wie es Maͤnner, welche in der Kunſt ſo erfaren ſind, noch in Zweifel ziehen koͤnnen. Es aͤuſſert ſich naͤm- lich in allen Thieren, welche Nerven haben, einerley Zu- ſammenlauf der Nerven in die Muſkeln (k), es erfolgt eben ſolche Laͤhmung von der Unterbindung der Nerven (l), und ein eben ſolcher Kramf, (m) wenn man die Ner- ven reizet, und es hoͤrt dieſer ebenfalls vom Opium, und wenn man den Nerven enzwei ſchneidet, auf. Uebrigens gehet dieſe Bewegung mit dem Leben zu Ende, und ſie iſt in Thieren von kaltem Blute faſt eben ſo beſtaͤndig, als die angeborne Bewegung iſt, indem an einem ohnlaͤngſt geſtorbnen Thiere (n), welches nun keine Emfindung und willkuͤrliche Bewegung mehr uͤbrig zu ha- ben ſcheint, der noch feuchte und ganze Muſkel kramfhafte Be- (f) Admin. anat. L. VIII. C. 3. (g) NUEK exper. Chir. XXVI. pag. 85. (h) L. VII. p. 819. (i) L. X. p. 322. ſeqq. (k) vom Petro LYONNET wird das Nervenſiſtem einer Raupe mit unglaublichem Fleiſſe abge- zeichnet; doch es hat auch dieſes Jnſekt, ebenfalls wie der Menſch, an jedem Muſkel ſeine Nerven. (l) L. X. p. 323. (m) Ibid. p. 322. 325. (n) Ibid. p. 337. 338.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/64
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/64>, abgerufen am 07.05.2024.