Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt. Werkzeug.
wie wir eben von den Jndianern gesagt haben (q). Denn
eben diese verloren, bei veränderter Nahrung, diesen Vor-
zug (q*). Ein Mensch, welcher unter den Thieren er-
zogen war (r), konnte die Nahrungsmittel eben so gut
von einander unterscheiden, als es die Schafe zu thun
pflegen, und ich besinne mich, daß man mir von einem
dummen Knaben, welcher auf den Alpen und unter den
Thieren aufgewachsen, dergleichen erzält hat, daß er
nämlich eine abgerissene Handvoll Kraut vorher berochen,
um davon auszulesen, was ihm der Geruch zu nehmen
anrieth.

Die Geruchsnerven werden in Krankheiten, so wie
andre Nerven gar zu empfindlich. Ein Wasserscheuer
verstand sich so gut, als ein Hund, auf die Spur (s).

§. 5.
Die Nothwendigkeit des Schleims.

Da es in der Nase eine Menge Nerven giebt, welche
schlecht bedekkt, und der Luft, die oft mit den schlimmsten
Dämpfen angefüllt ist, ausgesezzt sind, so scheint die Na-
tur eine weise Ursache gehabt zu haben, über diese fast
blos liegende Nerven einen weichen Schleime zu giessen.
Es verlezzt nämlich schon die Luft an sich, durch ihre Aus-
trokknung so gleich die Häute im Menschen, und wir rie-
chen in einer trokknen Luft schlecht. Nur die Nase em-
pfindet die Gerüche wie sie soll, wenn sie feucht ist (t).

Diese Nerven finden also an dem ausdünstenden
Rauche, und hierauf an dem sehr häufigen Schleime,
woran nicht nur die Schleimsinus, sondern auch die ganze
Nase einen Ueberflus hat, ihren Schuzz. Ob ich gleich

gewar
(q) [Spaltenumbruch] Letres sur la physionom.
p.
190.
(q*) VERDUC.
(r) TULPIUS L. IV. c. 10. du
HAMEL, de Corp. effect. p. 204.
[Spaltenumbruch] VERDUC usag. des part. T. II.
p.
151.
(s) BORELL, Cent. III. obs. 68.
(t) VANDERMONDE T. II. p.
356.
H. Phisiol. 5. B. K k

III. Abſchnitt. Werkzeug.
wie wir eben von den Jndianern geſagt haben (q). Denn
eben dieſe verloren, bei veraͤnderter Nahrung, dieſen Vor-
zug (q*). Ein Menſch, welcher unter den Thieren er-
zogen war (r), konnte die Nahrungsmittel eben ſo gut
von einander unterſcheiden, als es die Schafe zu thun
pflegen, und ich beſinne mich, daß man mir von einem
dummen Knaben, welcher auf den Alpen und unter den
Thieren aufgewachſen, dergleichen erzaͤlt hat, daß er
naͤmlich eine abgeriſſene Handvoll Kraut vorher berochen,
um davon auszuleſen, was ihm der Geruch zu nehmen
anrieth.

Die Geruchsnerven werden in Krankheiten, ſo wie
andre Nerven gar zu empfindlich. Ein Waſſerſcheuer
verſtand ſich ſo gut, als ein Hund, auf die Spur (s).

§. 5.
Die Nothwendigkeit des Schleims.

Da es in der Naſe eine Menge Nerven giebt, welche
ſchlecht bedekkt, und der Luft, die oft mit den ſchlimmſten
Daͤmpfen angefuͤllt iſt, ausgeſezzt ſind, ſo ſcheint die Na-
tur eine weiſe Urſache gehabt zu haben, uͤber dieſe faſt
blos liegende Nerven einen weichen Schleime zu gieſſen.
Es verlezzt naͤmlich ſchon die Luft an ſich, durch ihre Aus-
trokknung ſo gleich die Haͤute im Menſchen, und wir rie-
chen in einer trokknen Luft ſchlecht. Nur die Naſe em-
pfindet die Geruͤche wie ſie ſoll, wenn ſie feucht iſt (t).

Dieſe Nerven finden alſo an dem ausduͤnſtenden
Rauche, und hierauf an dem ſehr haͤufigen Schleime,
woran nicht nur die Schleimſinus, ſondern auch die ganze
Naſe einen Ueberflus hat, ihren Schuzz. Ob ich gleich

gewar
(q) [Spaltenumbruch] Letres ſur la phyſionom.
p.
190.
(q*) VERDUC.
(r) TULPIUS L. IV. c. 10. du
HAMEL, de Corp. effect. p. 204.
[Spaltenumbruch] VERDUC uſag. des part. T. II.
p.
151.
(s) BORELL, Cent. III. obſ. 68.
(t) VANDERMONDE T. II. p.
356.
H. Phiſiol. 5. B. K k
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0531" n="513"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Werkzeug.</hi></fw><lb/>
wie wir eben von den Jndianern ge&#x017F;agt haben <note place="foot" n="(q)"><cb/><hi rendition="#aq">Letres &#x017F;ur la phy&#x017F;ionom.<lb/>
p.</hi> 190.</note>. Denn<lb/>
eben die&#x017F;e verloren, bei vera&#x0364;nderter Nahrung, die&#x017F;en Vor-<lb/>
zug <note place="foot" n="(q*)"><hi rendition="#aq">VERDUC.</hi></note>. Ein Men&#x017F;ch, welcher unter den Thieren er-<lb/>
zogen war <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq">TULPIUS L. IV. c. 10. du<lb/>
HAMEL, de Corp. effect. p. 204.<lb/><cb/>
VERDUC u&#x017F;ag. des part. T. II.<lb/>
p.</hi> 151.</note>, konnte die Nahrungsmittel eben &#x017F;o gut<lb/>
von einander unter&#x017F;cheiden, als es die Schafe zu thun<lb/>
pflegen, und ich be&#x017F;inne mich, daß man mir von einem<lb/>
dummen Knaben, welcher auf den Alpen und unter den<lb/>
Thieren aufgewach&#x017F;en, dergleichen erza&#x0364;lt hat, daß er<lb/>
na&#x0364;mlich eine abgeri&#x017F;&#x017F;ene Handvoll Kraut vorher berochen,<lb/>
um davon auszule&#x017F;en, was ihm der Geruch zu nehmen<lb/>
anrieth.</p><lb/>
            <p>Die Geruchsnerven werden in Krankheiten, &#x017F;o wie<lb/>
andre Nerven gar zu empfindlich. Ein Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;cheuer<lb/>
ver&#x017F;tand &#x017F;ich &#x017F;o gut, als ein Hund, auf die Spur <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">BORELL, Cent. III. ob&#x017F;.</hi> 68.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">§. 5.<lb/>
Die Nothwendigkeit des Schleims.</hi> </head><lb/>
            <p>Da es in der Na&#x017F;e eine Menge Nerven giebt, welche<lb/>
&#x017F;chlecht bedekkt, und der Luft, die oft mit den &#x017F;chlimm&#x017F;ten<lb/>
Da&#x0364;mpfen angefu&#x0364;llt i&#x017F;t, ausge&#x017F;ezzt &#x017F;ind, &#x017F;o &#x017F;cheint die Na-<lb/>
tur eine wei&#x017F;e Ur&#x017F;ache gehabt zu haben, u&#x0364;ber die&#x017F;e fa&#x017F;t<lb/>
blos liegende Nerven einen weichen Schleime zu gie&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Es verlezzt na&#x0364;mlich &#x017F;chon die Luft an &#x017F;ich, durch ihre Aus-<lb/>
trokknung &#x017F;o gleich die Ha&#x0364;ute im Men&#x017F;chen, und wir rie-<lb/>
chen in einer trokknen Luft &#x017F;chlecht. Nur die Na&#x017F;e em-<lb/>
pfindet die Geru&#x0364;che wie &#x017F;ie &#x017F;oll, wenn &#x017F;ie feucht i&#x017F;t <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq">VANDERMONDE T. II. p.</hi><lb/>
356.</note>.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;e Nerven finden al&#x017F;o an dem ausdu&#x0364;n&#x017F;tenden<lb/>
Rauche, und hierauf an dem &#x017F;ehr ha&#x0364;ufigen Schleime,<lb/>
woran nicht nur die Schleim&#x017F;inus, &#x017F;ondern auch die ganze<lb/>
Na&#x017F;e einen Ueberflus hat, ihren Schuzz. Ob ich gleich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gewar</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">H. Phi&#x017F;iol. 5. B.</hi> K k</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[513/0531] III. Abſchnitt. Werkzeug. wie wir eben von den Jndianern geſagt haben (q). Denn eben dieſe verloren, bei veraͤnderter Nahrung, dieſen Vor- zug (q*). Ein Menſch, welcher unter den Thieren er- zogen war (r), konnte die Nahrungsmittel eben ſo gut von einander unterſcheiden, als es die Schafe zu thun pflegen, und ich beſinne mich, daß man mir von einem dummen Knaben, welcher auf den Alpen und unter den Thieren aufgewachſen, dergleichen erzaͤlt hat, daß er naͤmlich eine abgeriſſene Handvoll Kraut vorher berochen, um davon auszuleſen, was ihm der Geruch zu nehmen anrieth. Die Geruchsnerven werden in Krankheiten, ſo wie andre Nerven gar zu empfindlich. Ein Waſſerſcheuer verſtand ſich ſo gut, als ein Hund, auf die Spur (s). §. 5. Die Nothwendigkeit des Schleims. Da es in der Naſe eine Menge Nerven giebt, welche ſchlecht bedekkt, und der Luft, die oft mit den ſchlimmſten Daͤmpfen angefuͤllt iſt, ausgeſezzt ſind, ſo ſcheint die Na- tur eine weiſe Urſache gehabt zu haben, uͤber dieſe faſt blos liegende Nerven einen weichen Schleime zu gieſſen. Es verlezzt naͤmlich ſchon die Luft an ſich, durch ihre Aus- trokknung ſo gleich die Haͤute im Menſchen, und wir rie- chen in einer trokknen Luft ſchlecht. Nur die Naſe em- pfindet die Geruͤche wie ſie ſoll, wenn ſie feucht iſt (t). Dieſe Nerven finden alſo an dem ausduͤnſtenden Rauche, und hierauf an dem ſehr haͤufigen Schleime, woran nicht nur die Schleimſinus, ſondern auch die ganze Naſe einen Ueberflus hat, ihren Schuzz. Ob ich gleich gewar (q) Letres ſur la phyſionom. p. 190. (q*) VERDUC. (r) TULPIUS L. IV. c. 10. du HAMEL, de Corp. effect. p. 204. VERDUC uſag. des part. T. II. p. 151. (s) BORELL, Cent. III. obſ. 68. (t) VANDERMONDE T. II. p. 356. H. Phiſiol. 5. B. K k

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/531
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/531>, abgerufen am 23.11.2024.