Andre Arten haben nicht so deutliche Unterschiede, und sie scheinen sich mit einer der vorhergehenden Arten, wie Arten mit ihren Geschlechtern, vergleichen zu lassen. Dergleichen sind der herbe und der strenge, welche man zu dem geistigen Geschmakke bringen könnte. Andre bezie- hen sich auf andre, und sie sind nur schwächere Arten von rechtmäßigem Geschmakke (l), wie der stumpfe; oder sie verbinden sich mit dem Geruche, wie der faule und ekel- hafte (m) und vielleicht auch der geistige Geschmak selbst.
Diese Arten des Geschmakkes werden von diesen oder jenen Personen anders empfunden, und man findet sie angenehm oder unangenehm.
Hierbei thut die Entblössung der Zungenwärzchen et- was. Davon kömmt es, daß Kinder überhaupt Süsses lieben, und Alte (n), bei denen diese Süßigkeiten schon matter wirken, und die verhärtete Nerven wenig rühren, sich mit dem Weine was zu gute thun. Selbst in einem und eben dem Menschen vergleicht die Zunge den gegen- wärtigen Geschmak mit dem kurz zuvor gekosteten. Wer daher Süßigkeiten genossen, findet den Wein höchst sauer, und dieser kömmt ihm angenehm vor, wenn er vorher sanfte und geschmaklose Dinge gekostet hat. Aus dieser Ursache scheint uns weder das Wasser, noch der Speichel gesalzen zu sein, ob beide gleich Salz enthalten; und wir finden nur Dinge gesalzen, wofern sie mehr Salz als unser Speichel in sich haben.
Die Begierde, gewisse Dinge zu essen, läst sich schwer- lich erklären. Verschiedne Menschen verschlingen (o) faulgewordne Dinge, ob dieselben gleich unsrer Natur
äus-
(l)[Spaltenumbruch]
Um sechszehnmal nach dem Nehemias GREW pag. 288.
(m)GREW ibid. Das geistige in den Pflanzen entsteht aus einer verschiednen Säure, und aus ver- schiednen Salzen, die mit einem [Spaltenumbruch]
Oel versezzt sind. WALLER fun- dam. agric. chym. pag. 28.
(n)HARTLEY pag. 162.
(o) Beispiele hat HELMONT. RZASCZYNSKY pag. 347.
Der Geſchmak. XIII. Buch.
Andre Arten haben nicht ſo deutliche Unterſchiede, und ſie ſcheinen ſich mit einer der vorhergehenden Arten, wie Arten mit ihren Geſchlechtern, vergleichen zu laſſen. Dergleichen ſind der herbe und der ſtrenge, welche man zu dem geiſtigen Geſchmakke bringen koͤnnte. Andre bezie- hen ſich auf andre, und ſie ſind nur ſchwaͤchere Arten von rechtmaͤßigem Geſchmakke (l), wie der ſtumpfe; oder ſie verbinden ſich mit dem Geruche, wie der faule und ekel- hafte (m) und vielleicht auch der geiſtige Geſchmak ſelbſt.
Dieſe Arten des Geſchmakkes werden von dieſen oder jenen Perſonen anders empfunden, und man findet ſie angenehm oder unangenehm.
Hierbei thut die Entbloͤſſung der Zungenwaͤrzchen et- was. Davon koͤmmt es, daß Kinder uͤberhaupt Suͤſſes lieben, und Alte (n), bei denen dieſe Suͤßigkeiten ſchon matter wirken, und die verhaͤrtete Nerven wenig ruͤhren, ſich mit dem Weine was zu gute thun. Selbſt in einem und eben dem Menſchen vergleicht die Zunge den gegen- waͤrtigen Geſchmak mit dem kurz zuvor gekoſteten. Wer daher Suͤßigkeiten genoſſen, findet den Wein hoͤchſt ſauer, und dieſer koͤmmt ihm angenehm vor, wenn er vorher ſanfte und geſchmakloſe Dinge gekoſtet hat. Aus dieſer Urſache ſcheint uns weder das Waſſer, noch der Speichel geſalzen zu ſein, ob beide gleich Salz enthalten; und wir finden nur Dinge geſalzen, wofern ſie mehr Salz als unſer Speichel in ſich haben.
Die Begierde, gewiſſe Dinge zu eſſen, laͤſt ſich ſchwer- lich erklaͤren. Verſchiedne Menſchen verſchlingen (o) faulgewordne Dinge, ob dieſelben gleich unſrer Natur
aͤuſ-
(l)[Spaltenumbruch]
Um ſechszehnmal nach dem Nehemias GREW pag. 288.
(m)GREW ibid. Das geiſtige in den Pflanzen entſteht aus einer verſchiednen Saͤure, und aus ver- ſchiednen Salzen, die mit einem [Spaltenumbruch]
Oel verſezzt ſind. WALLER fun- dam. agric. chym. pag. 28.
(n)HARTLEY pag. 162.
(o) Beiſpiele hat HELMONT. RZASCZYNSKY pag. 347.
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Der Geſchmak. XIII. Buch.
Andre Arten haben nicht ſo deutliche Unterſchiede,
und ſie ſcheinen ſich mit einer der vorhergehenden Arten,
wie Arten mit ihren Geſchlechtern, vergleichen zu laſſen.
Dergleichen ſind der herbe und der ſtrenge, welche man zu
dem geiſtigen Geſchmakke bringen koͤnnte. Andre bezie-
hen ſich auf andre, und ſie ſind nur ſchwaͤchere Arten von
rechtmaͤßigem Geſchmakke (l), wie der ſtumpfe; oder ſie
verbinden ſich mit dem Geruche, wie der faule und ekel-
hafte (m) und vielleicht auch der geiſtige Geſchmak ſelbſt.
Dieſe Arten des Geſchmakkes werden von dieſen oder
jenen Perſonen anders empfunden, und man findet ſie
angenehm oder unangenehm.
Hierbei thut die Entbloͤſſung der Zungenwaͤrzchen et-
was. Davon koͤmmt es, daß Kinder uͤberhaupt Suͤſſes
lieben, und Alte (n), bei denen dieſe Suͤßigkeiten ſchon
matter wirken, und die verhaͤrtete Nerven wenig ruͤhren,
ſich mit dem Weine was zu gute thun. Selbſt in einem
und eben dem Menſchen vergleicht die Zunge den gegen-
waͤrtigen Geſchmak mit dem kurz zuvor gekoſteten. Wer
daher Suͤßigkeiten genoſſen, findet den Wein hoͤchſt ſauer,
und dieſer koͤmmt ihm angenehm vor, wenn er vorher
ſanfte und geſchmakloſe Dinge gekoſtet hat. Aus dieſer
Urſache ſcheint uns weder das Waſſer, noch der Speichel
geſalzen zu ſein, ob beide gleich Salz enthalten; und wir
finden nur Dinge geſalzen, wofern ſie mehr Salz als
unſer Speichel in ſich haben.
Die Begierde, gewiſſe Dinge zu eſſen, laͤſt ſich ſchwer-
lich erklaͤren. Verſchiedne Menſchen verſchlingen (o)
faulgewordne Dinge, ob dieſelben gleich unſrer Natur
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Um ſechszehnmal nach dem
Nehemias GREW pag. 288.
(m) GREW ibid. Das geiſtige
in den Pflanzen entſteht aus einer
verſchiednen Saͤure, und aus ver-
ſchiednen Salzen, die mit einem
Oel verſezzt ſind. WALLER fun-
dam. agric. chym. pag. 28.
(n) HARTLEY pag. 162.
(o) Beiſpiele hat HELMONT.
RZASCZYNSKY pag. 347.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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